Stammzelltransplantation
von lateinisch: transplantare - verpflanzen
Synonym: hämatopoetische Stammzelltransplantation, HSZT
Englisch: stem cell transplantation, hematopoietic stem cell transplantation, HSCT
Definition
Unter Stammzelltransplantation, kurz SZT, versteht man die Übertragung von Blutstammzellen von einem Spender zu einem Empfänger, die bei malignen hämatologischen Erkrankungen durchgeführt wird.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen:
- autologe Stammzelltransplantation: hier handelt es sich beim Spender und Empfänger um ein und dieselbe Person
- allogene Stammzelltransplantation: hier erhält der Empfänger (Patient) von einem gesunden Spender (am besten Geschwister, auch fremde Spender).
Indikation
Eine Stammzelltransplantation kommt bei ausgewählten Patienten (z.B. Patienten mit Akuter myeloischer Leukämie und Akuter Lymphatischer Leukämie mit hohem Risiko, ALL-Patienten in der zweiten Remission, etc.) im Rahmen der Konsolidierungstherapie zum Einsatz. Leukämie-Patienten haben oft entweder primär durch ihre Erkrankung oder sekundär durch eine hochdosierte Chemotherapie schwerwiegende Störungen der Blutbildung (Bildung von Erythrozyten, Thrombozyten, Leukozyten). Viele haben ein stark geschwächtes eigenes Immunsystem. Da ihre eigenen verbleibenden blutbildenden Stammzellen unzureichend sind, benögtigen sie neue blutbildende Stammzellen. Außerdem können fremde hämatopoetische Stammzellen in bestimmten Fällen helfen, restliche Krebszellen im Körper des Patienten (die durch das eigene Immunsystem des Patienten nicht entdeckt oder ausreichend bekämpft werden) anzugreifen.
Prinzip
Bevor gesunde Zellen transplantiert werden können, werden bei den meisten Patienten zur Auslöschung der Leukämie nahezu alle blutbildenden Zellen des Patienten vernichtet (myeloablative Therapie). Damit hat der Patient praktisch kein eigenes Immunsystem und keine eigene Blutbildung mehr.
Diese myeloablative Therapie zur Vorbereitung der Stammzelltransplantation wird mit einer Kombination aus intensiver Chemotherapie (Zytostatika-Gabe) und Radiotherapie (fraktionierte Ganzkörperbestrahlung mit ca. 10 Gy) erreicht.
Durch Infusion gesunder hämatopoetischer Stammzellen wird das Knochenmark des Patienten danach von den neuen Stammzellen besiedelt.
Die Transplantation kann mit vom Patienten selbst gewonnenen Stammzellen (autologe Stammzelltransplantation) oder mit Stammzellen von einem anderen Spender (allogene Stammzelltransplantation) durchgeführt werden.
Diese neuen Stammzellen werden nicht in das Knochenmark hineingespritzt, sondern einfach über eine Vene in die Blutbahn gegeben und finden von selbst ihren Weg ins Knochenmark. Die Hämatopoese (Blutbildung) regeneriert sich daraufhin in der Regel innerhalb von 2 Wochen.
Knochenmarktransplantation vs. Stammzelltransplantation
Blutstammzellen können sowohl aus dem peripheren Blut (Stammzelltransplantation) als auch aus dem Knochenmark (Knochenmarkstransplantation) gewonnen werden.
Im laienhaften Sprachgebrauch wird meist der Begriff Knochenmarktransplantation anstelle des Begriffs Stammzelltransplantation verwendet. Heutzutage wird fast ausschließlich die Stammzelltransplantation durchgeführt; aus dem einfachen Grund, dass sie ähnliche Erfolgsraten liefert und für den Spender angenehmer ist.
Bei der Knochenmarktransplantation muss der Spender in der Regel unter Narkose mehrmals im Beckenknochen punktiert werden, um Knochenmark zu gewinnen; dazu sind wenige Menschen einfach so bereit.
Bei der Stammzelltransplantation dagegen muss der Spender nicht knochenmarkpunktiert werden, ihm wird statt dessen eine blutbildungsfördernde Substanz gespritzt und Blut entnommen; genauer gesagt wird eine Stammzellapherese (eine spezielle Form der Leukozytapherese) durchgeführt, sprich aus dem Blut des Spenders werden periphere hämatopoetische Stammzellen herausgefiltert und entnommen (dies dauert deutlich länger als normale Blutentnahme).
In seltenen Fällen können als dritte Alternative zu Knochenmark- und peripherer Stammzelltransplantation auch Zellen aus Nabelschnurblut bei der Geburt gewonnen werden.
Komplikationen
Eine Stammzelltransplantation ist eine sehr ernste und riskante Angelegenheit. Die häufigsten Komplikationen nach Knochenmark-/Stammzelltransplantation sind:
- unmittelbare toxische Nebenwirkungen der myeloablativen Chemotherapie/Bestrahlung: dazu gehören Entzündungen der Schleimhäute/Stomatitis, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, hämorrhagische Zystitis, Haarausfall und organspezifischen Nebenwirkungen der Zytostatika.
- Graft-versus-Host-Disease (GvHD): zytotoxische Immunreaktion der Spenderzellen gegen das Emfängergewebe
- die akute Form tritt innerhalb von 3 Monaten nach Transplantation auf und betrifft meist Haut, Darm und Leber. Daher wird präventiv eine Prophylaxe mit Cyclosporin A und MTX durchgeführt. Falls die Graft-versus-Host-Disease auftritt, werden Glukokortikoide und Antikörper gegen Lymphozyten gegeben.
- die chronische Form der GvHD tritt ab ca. 100 Tagen nach Transplantation auf. Sie greift v.a. Haut und Schleimhaut an. Auch hier sind Glukokortikoide und Immunsuppressiva angezeigt.
- Bronchiolitis-obliterans-Syndrom (BOS)
- sekundäre Malignome, Gonadeninsuffizienz und bei Kindern Wachstumsstörungen als Spätfolgen der myeloablativen Therapie
- Infektionen sind eine sehr große Gefahr v.a. in den ersten 3 Wochen nach Transplantation. Durch die starke Abwehrschwäche (Agranulozytose) ist der Körper gegen Bakterien und Pilze praktisch wehrlos und der Patient kann an einer Sepsis sterben. Auch nach den 3 Wochen ist der Patient durch die Immunsuppression stark anfällig für Infektionskrankheiten, besonders opportunistische Erreger, die mitunter schon vorher im Patienten asymptomatisch geschlummert haben, aber erst bei darniederliegendem Immunsystem ausbrechen (z.B. CMV).
Die Gefahren sind groß und die Stammzelltransplantation bietet keine Gewissheit, dass die Krankheit geheilt ist. In ca. 20% der Fälle treten Rezidive der Leukämie auf. Dennoch ist die SZT in vielen Fällen die einzige Chance für den Patienten.
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