Giardiose (Fleischfresser)
Synonyme: Giardiasis des Fleischfressers, Giardieninfektion des Fleischfresser
Definition
Als Giardiose bezeichnet man Infektionen mit Protozoen der Gattung Giardia bei Hund und Katze.
Erreger
Protozoen der Gattung Giardia parasitieren bei etlichen Wirbeltieren. Aufgrund morphologischer Merkmale sowie Wirtsspezifität unterscheidet man derzeit (2021) zwischen sechs verschiedenen Arten. Bei den Haussäugetieren und auch beim Menschen ist insbesondere Giardia duodenalis pathogen.
Bei dieser Giardien-Art sind derzeit sieben morphologisch identische Genotypen bekannt: A1 und A2, B3 und B4, C, D, E, F und G. Beim Hund wurden die Genotypen A1, B3, C und D nachgewiesen, bei der Katze hingegen die Genotypen A1 und F.
Die Trophozoiten von Giardia duodenalis sind 9 bis 21 zu 5 bis 12 μm groß und zart. Die Zystenwand ist dünn, neigt oftmals dazu zu kollabieren und der Inhalt ist mikroskopisch nicht sichtbar.
Vorkommen
Einige Genotypen von Giardia duodenalis sind weltweit verbreitet, wohingegen andere nur auf bestimmte Regionen beschränkt sind. Ähnlich der Verbreitung ist auch die Wirtsspezifität bei den verschiedenen Genotypen unterschiedlich ausgeprägt. Aus diesem Grund sind einige Genotypen nur bei bestimmten Wirten (z.B. nur Katze) gefunden worden.
Davon abzugrenzen sind Genotypen, die sowohl beim Menschen als auch bei verschiedenen Tierarten krankheitserregend sein können. Letztere können Zoonosen auslösen, wobei Giardien insbesondere bei Jungtieren und Kindern eine klinische Bedeutung haben. Bei den Haussäugetieren sind Giardien besonders häufig bei Fleischfressern und Wiederkäuern anzutreffen.
Entwicklung
Giardien folgen einem homoxenen Lebenszyklus. Eine Übertragung von Wirt zu Wirt erfolgt durch orale Aufnahme der Zysten aus der Umwelt, wobei die Exzystierung im Duodenum stattfindet. Hier wird die bereits in der Zyste begonnene Zellteilung beendet, sodass aus jeder Zyste zwei Trophozoiten entstehen. Diese besiedeln anschließend das Lumen sowie die Schleimhautoberfläche, wobei die bevorzugten Darmabschnitte tierspezifisch sind: beim Hund sind hauptsächlich das Duodenum und das proximale Jejunum (Fleischfresser), bei der Katze zusätzlich noch das distale Jejunum und das Caecum befallen.
Über ihre Haftscheiben heften sich die Giardien am Mikrovillisaum der Epithelzellen an. Da die Trophozoiten kein offenes Zytostom besitzen, erfolgt die Nahrungsaufnahme auf der Darmlumenseite durch rezeptorvermittelte Endozytose über die Zelloberfläche. Die auf diese Weise aufgenommenen Kohlenhydrate werden als Glykogen gespeichert und anaerob zu Ethanol, Acetat und CO2 abgebaut. Ist gleichzeitig Sauerstoff vorhanden, sind Trophozoiten aktiv zur Atmung befähigt, wobei jedoch dieselben Stoffwechselprodukte gebildet werden.
Die Vermehrung der Giardien erfolgt durch Längsteilung. Im distalen Jejunumabschnitt sowie im Caecum kommt es zur Enzystierung, wobei eine widerstandsfähige Zystenwand gebildet wird (überwiegend aus dem filamentösen Homopolymer N-Acetyl-D-galactosamin). Im selben Stadium findet auch die Kernteilung statt. Die vierkernigen Zysten werden über den Kot des Wirtes an die Umwelt abgegeben, sodass bei Aufnahme durch einen neuen Wirt die Präpatenz bei Hund und Katze zwischen 4 und 16 Tagen variiert. Bei hochgradigem Giardienbefall können auch Trophozoiten im Kot nachgewiesen werden.
Epidemiologie
Jene Zysten, die über den Kot in die Umwelt gelangen, sind sofort für andere Wirte infektiös. Dabei ist zu beachten, dass junge Tiere meistens binnen weniger Tage Unmengen an Zysten (bis zu 107 Zysten pro g Kot) ausscheiden. Aufgrund des großen Infektionsdrucks werden Giardiosen v.a. bei Zwingerhaltung und in Tierheimen beobachtet.
In den meisten Fällen beträgt die Patenz mehrere Wochen, manchmal sogar auch Monate. Dabei schwankt die Intensität der Zystenausscheidung stark und kann in vielen Fällen auch intermittierend stattfinden. Im Gegensatz zu den Trophozoiten - die in der Umwelt schnell absterben - bleiben die Zysten in feuchtem Milieu lange infektiös. Im Kot konnte eine Überlebensdauer von etwa einer Woche nachgewiesen werden, wohingegen Giardien im Boden sogar sieben bzw. unter günstigen Bedingungen (in kühlem Wasser bei 4 °C) bis zu drei Monate vital bleiben können. Bei Frost (Temperaturen unter -4 °C) sowie bei warmen Temperaturen (25 °C und mehr) werden sie innerhalb einer Woche abgetötet.
Giardia-Zysten werden in der Umwelt v.a. über kontaminiertes Oberflächenwasser verbreitert. Auf diesem Wege können sie auch auf landwirtschaftliche Nutzflächen gelangen. Eine Übertragung der Zysten auf neue Wirte erfolgt als Schmutz- und Schmierinfektion durch Aufnahme zystenhaltigen Kotes oder über fäkal kontaminiertes Wasser und Futter. Bei Säugetieren liegt die minimale infektiöse Dosis bei 10 bis 100 Zysten.
Pathogenese
Giardien führen v.a. bei Jungtieren zu einer katarrhalischen Entzündung des Duodenums und Jejunums mit Villusatrphie und vermehrter Desquamation von Epithelzellen. Daraus resultiert eine deutliche Beeinträchtigung der Darmfunktion, die zum Verlust von Proteinen und Wasser in den Verdauungstrakt führt. Gleichzeitig kommt es zur Malabsorption von Kohlenhydraten, Fetten und Vitaminen.
Immunkompetente ältere Wirte zeigen bei einem Befall mit Trophozoiten häufig keine oder gar nur geringe Veränderungen der Darmmukosa. Zu beachten ist, dass die Giardiose auch eine Faktorenkrankheit sein kann, die erst beim Vorliegen anderer Erkrankungen oder besonderer Umstände klinisch manifest werden kann. Eine kohlenhydratreiche Ernährung kann beispielsweise die Erkrankung fördern.
Immunität
Eine Infektion mit Giardia duodenalis führt bei immunkompetenten Wirten zu einer Immunität, die zu einer teilweisen oder vollständigen Elimination der Parasitenpopulation führt. Als Folge erhält der Wirt einen partiellen Schutz vor Super- und Reinfektionen. Diese Immunität führt in Hundepopulationen zu sinkenden Prävalenzen mit steigendem Lebensalter.
Klinik
Hunde und Katzen die sich im ersten Lebensjahr mit Giardien infizieren können mit hartnäckiger, intermittierender Diarrhoe reagieren. Der Kot ist dabei dünnbreiig bis wässrig und oftmals vermehrt mit Schleim und Fett (Steatorrhoe) - seltener auch mit Blut - untermengt. Oftmals kommt in weiterer Folge noch Erbrechen zum hochfrequentierten Kotabsatz hinzu.
In manchen Fällen kann eine zunehmende Abmagerung bei erhaltendem Appetit beobachtet werden. Klinische Symptome treten am häufigsten bei Welpen im Alter von 2 bis 3 Monaten auf. Ältere Hunde die sich mit Giardien infizieren zeigen meist einen inapparenten Verlauf.
Diagnose
Um Zysten im Kot nachzuweisen, eignet sich das Flotationsverfahren. Hierbei können auf Flotationslösungen wie etwa Zinkchlorid- oder Zinksulfatlösungen (spezifisches Gewicht 1,3) zurückgegriffen werden. Die Zysten werden zwar während des Verfahrens deformiert, bleiben aber deutlich im Mikroskop erkennbar.
Aufgrund intermittierender Zystenausscheidung treten oftmals negative Befunde auf. Deshalb sollte eine koproskopische Untersuchung mindestens dreimal innerhalb einer Woche wiederholt werden, bevor ein negativer Befund akzeptiert wird. Dies muss auch dem Patientenbesitzer so vermittelt werden, damit dieser die Kotproben an drei unterschiedlichen Wochentagen aufsammelt und dem Untersucher übergibt.
Neben den üblichen Verfahren der Koproskopie haben sich kommerziell erhältliche Tests zum Nachweis von Giardia-Koproantigenen als sensitiver oder ebenso sensitiv wie die Koproskopie erwiesen. Ein großer Vorteil solcher Testverfahren ist, dass Koproantigene von Giardia duodenalis auch noch dann nachgewiesen werden können, wenn die Zystenausscheidung sistiert. Gleichzeitig erleicht die dabei angewandte einfache Probenentnahme mittels Kottupfer die Untersuchung kleiner Tiere wie etwa Katzenwelpen.
Pathologie
Bei Sektionen können oftmals noch 24 Stunden post mortem lebende Trophozoiten in Dünndarmabstrichen nachgewiesen werden. Am häufigsten trifft man sie dabei am Übergang von Duodenum zu Jejunum ab. In der nativen Mikroskopie können sie deutlich anhand ihrer schaukelnden Bewegung erkannt werden.
Therapie
Eine nachgewiesene Giardiose sollte bei Hund und Katze mit 50 mg/kgKG Fenbendazol p.o. täglich über 3 bis 5 Tage behandelt werden. Alternativ kann auch 12,5 bis 22 mg/kgKG BID p.o. über 5 Tage verabreicht werden.
Aufgrund der hochen Rezidivrate ist eine wiederholte Behandlung nach 2 bis 3 Wochen empfehlenswert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Vorbeugung
Um eine erneute Infektion in Zwingern und Tierheimen zu vermeiden, muss eine gründliche Reinigung aller fäkal kontaminierten Bereiche mittels Dampfstrahl (Temperatur über 60 °C) erfolgen. Anschließend muss eine vollständige Abtrockung der gereinigten Bereiche gewährleistet werden, da Giardia-Zysten am besten unter feucht-kalten Bedingungen überleben.
Da die minimale infektiöse Dosis äußerst klein ist, sollten v.a. langhaarige Tiere (z.B. Tibet Terrier) während bzw. nach der Behandlung gründlich shampooniert werden.
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005
- Hiepe, Theodor, Horst Aspöck. Allgemeine Parasitologie: mit den Grundzügen der Immunbiologie, Diagnostik und Bekämpfung. Parey Verlag, 2006.
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