Enzootische bovine Leukose (Wiederkäuer)
Synonyme: EBL, Enzootische Leukose der Rinder
Englisch: enzootic bovine leukosis
Definition
Die enzootische bovine Leukose ist eine Form der Leukose der Wiederkäuer und eine anzeigepflichtige Tierseuche.
Allgemeines
Der Oberbegriff Leukose umfasst verschiedene Krankheitsbilder, die in zwei Gruppen unterteilt werden. Man unterscheidet die
- enzootische bovine Leukose von der
- sporadischen Leukose.
Die Einteilung der hier einzuordnenden Krankheiten ist insofern kompliziert, da die Infektion mit dem bovinen Leukosevirus (BLV) nicht immer zu einer Leukose (maligne Neoplasie des retikuloendothelialen Systems) führt. Gleichzeitig konnte nicht bei allen bekannten Leukoseformen ein Zusammenhang mit dem bovinen Leukosevirus nachgewiesen werden.
Um dennoch die einzelnen Krankheitsbilder den oben genannten Leukoseformen zuordnen zu können, wird eine Infektion und die daraus resultierende Erkrankung mit dem bovinen Leukosevirus als enzootische bovine Leukose bezeichnet. Alle nicht-virenassoziierten Krankheitsbilder werden der Gruppe der sporadischen Leukosen zugeschrieben.
Erreger
Das bovine Leukosevirus ist ein Virus aus der Gattung Deltaretrovirus innerhalb der Familie der Retroviridae. Retroviren sind zwischen 80 und 100 nm groß, behüllt und enthalten einen lineare und diploide ssRNA. Nach dem Eindringen der Viren in eine Zelle wird die RNA in DNA umgeschrieben (reverse Transkription).[1]
Epidemiologie
Unter natürlichen Bedingungen infizieren sich nur Rinder (Bos taurus und Bos indicus), Wasserbüffel (Bubalus arnee) und Wasserschweine (Capybara) mit dem bovinen Leukosevirus. Schafe und Ziegen können zwar experimentell infiziert werden, erkranken in der Regel jedoch nicht.
Die enzootische bovine Leukose kommt in vielen Ländern mit intensiver Rinderhaltung vor. Deutschland und Österreich gelten derzeit (2019) als EBL-frei. In den USA hingegen sollen Studien zufolge etwa 47 % der erwachsenen Rinder seropositiv sein.[2] In infizierten Herden kann die jährliche Mortalität zwischen 2 und 5 % liegen.
Die Virusübertragung erfolgt hauptsächlich horizontal mit infizierten Lymphozyten. Bereits kleine Mengen an Blut (0,1 ml) können eine Infektion verursachen. Als mögliche Infektionsquellen gelten Herdenimpfungen oder Reihentuberkulinisierungen. Insekten stehen ebenso in Diskussion. Infizierte Kühe scheiden das Virus über die Milch aus - Pasteurisieren inaktiviert die Viren.
Pathogenese
Die Virenübertragung erfolgt mittels infizierten Lymphozyten, z.B. in Milch, Blut, zellhaltigen Sekreten und an unsauberen Instrumenten). Nach der Infektion infiltrieren die Viren bevorzugt B-Lymphozyten. Bei den meisten Tieren kommt es zu einer symptomfreien Serokonversion, wobei alle infizierten Tiere trotz Serokonversion persistent infiziert bleiben.
Bei manchen Tieren transformieren B-Zellen zu Lymphomen und Lymphosarkomen. Leukotische Tumoren treten gehäuft in Lymphknoten, Milz, Herz, Uterus, Nieren, Rückenmark und Orbita auf.
Klinik
Nach einer Inkubationszeit von 6 bis 12 Monaten (auch Jahre möglich) können infizierte Kühe Symptome entwickeln. Bei den meisten Tieren hingegen verläuft eine Infektion klinisch inapparent. Etwa 10 % der Tiere entwickeln eine klinisch manifeste Leukose. Bei etwa 30 % dieser Tiere kommt es zu einer sogenannten tumorfeien Präleukose, die mit einer starken Vermehrung der Lymphozyten einhergeht.
Ein Drittel dieser präleukotischen Tiere entwickeln jedoch eine progressiv verlaufende Erkrankung des lymphoretikulären Gewebes mit einer klinisch manifesten Leukose, die - je nach betroffenen Organsystemen - anders in Erscheinung tritt. Zu den Hauptsymptomen gehören:
- Körpermasseverlust
- Sinken der Milchleistung
- Schwellung subkutaner sowie innerer Lymphknoten
- Inappetenz
- Paresen der Hinterextremitäten (Nachhandparese)
- Fieber
- respiratorische Symptome
- bi- oder unilateraler Exophthalmus
- Diarrhö
- Obstipation
- kardiovaskuläre Symptome
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus Anamnese und Klinik. Mittels regelmäßiger Serumantikörperbestimmungen aus Tankmilch- oder Blutproben und anschließender ELISA kann ein BLV-Befall diagnostiziert werden.
Therapie
Da die enzootische bovine Leukose eine anzeigepflichtige Tierseuche ist, gilt eine sofortige Tötungsanordnung aller seropositiven Tiere.
Bedeutung für den Menschen
Bovine Leukoseviren konnten auch in menschlichem Blut nachgewiesen werden und stehen im Verdacht, Tumorerkrankungen begünstigen zu können.[3]
Rechtliches
Literatur
- Herausgeber: W. Klee, M. Metzner. Rinderskript. ISSN 1617-4410
- Skript Virologie für die Module Tierseuchen, Verdauung, Respiration + Kreislauf, ZNS, Reproduktion. Für Studierende der Veterinärmedizin. Institut für Virologie, Veterinärmedizinische Universität Wien. Stand 1/2017.
Quellen
<references>
- ↑ [1] Bovine leukemia virus, ViralZone.org
- ↑ [2] Prevalence of Bovine Leukemia Virus Antibodies in US Dairy Cattle. Vet Med Int. 2018; 2018: 5831278. Published online 2018 Nov 11. doi: 10.1155/2018/5831278
- ↑ [3] Bovine leukemia virus discovered in human blood. BMC Infect Dis. 2019 Apr 2;19(1):297. doi: 10.1186/s12879-019-3891-9.
- ↑ [4] Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Rindergesundheits-Überwachungs-Verordnung, Fassung vom 10.08.2019