Defensin
Definition
Defensine sind antimikrobielle Peptide, die aus etwa 30 bis 50 Aminosäuren bestehen. Sie weisen im Molekül mehrere Disulfidbrücken auf, die für ihre räumliche Struktur essentiell sind.
Hintergrund
Defensine kommen bei allen Tieren und höheren Pflanzen vor. Sie werden unter anderem von neutrophilen Granulozyten und Epithelzellen produziert. Beim Menschen dienen sie der unspezifischen Immunabwehr von mikrobiellen Erregern und werden physiologisch ständig in geringen Mengen produziert, um die mikrobielle Homöostase der Grenzflächen aufrecht zu erhalten.
Wirkmechanismus
Die Wirkungsweise der Defensine ist bisher (2019) noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich interagieren ihre kationischen und hydrophoben Aminosäurereste mit der negativen Ladung der Erregermembran. Dadurch steigt die Permeabilität der Membran und es entsteht eine Pore, sodass weitere Defensinmoleküle in das Periplasma gelangen. Innerhalb der Erregerzelle können sie dann mit der DNA oder RNA interagieren. Die bakterielle Zellmembran wird bevorzugt attackiert, da sie mehr negative Ladungen als die der eukaryotischen Zelle enthält. In höheren Konzentrationen wirken Defensine jedoch auch zytotoxisch auf die Wirtszellen.
3D-Modell: Menschliches Beta-Defensin
Defensine beim Menschen
Defensine sind ein Bestandteil des unspezifischen Immunsystems. Die hohe Konzentration in der Muttermilch spielt eine wichtige Rolle für den neonatalen immunologischen Schutz ("Nestschutz"). Neben ihrer antimikrobiellen Wirkung spielen sie auch eine Rolle bei Entzündungsprozessen, bei der Wundheilung und bei der Regulation der spezifischen Immunantwort.
Beim Menschen sind bisher zehn Defensine beschrieben worden, die alle durch ein gemeinsames Gen-Cluster auf dem Chromosom 8 an Genlokus 8p23.1 kodiert werden. Sie werden in zwei Gruppen unterteilt:
- α-Defensine (human neutrophil defensins, HNP) werden vor allem von neutrophilen Granulozyten, NK-Zellen und bestimmten T-Zellen exprimiert. Einige Subtypen (DEFA5, DEFA6) finden sich in den Paneth-Zellen des Dünndarms, wo sie wahrscheinlich die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen.
- β-Defensine (human β-Defensins, hBD) werden dagegen hauptsächlich von Epithelzellen sezerniert. Sie sind im Körper weit verbreitet. Unter anderem findet man sie auf Haut, Zunge und Kornea sowie in den Atemwegen und im Ösophagus.
α-Defensin 1 bis 3
Die humanen α-Defensine 1, 2 und 3 (DEFA1, DEFA2 und DEFA3) werden von dendritischen Zellen und neutrophilen Granulozyten sezerniert und haben antibakterielle, fungizide, antivirale und antiparasitäre Eigenschaften. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass der Umfang ihrer Expression durch den Cholesterinspiegel im Serum beeinflusst wird.[1] Auch bei Menschen mit Diabetes mellitus werden erhöhte Spiegel nachgewiesen. α-Defensin 1 stellt möglicherweise einen therapeutischen Ansatz zur Neutralisation von Milzbrandtoxin dar.[2]
α-Defensin 4
Das humane α-Defensin 4 (DEFA4) wird auch als Corticostatin bezeichnet, da es die ACTH-abhängige Glukokortikoidsynthese hemmt. Es wird hauptsächlich von neutrophilen Granulozyten synthetisiert und sezerniert.
α-Defensin 5
Der primäre Syntheseort von α-Defensin 5 (DEFA5) sind die Paneth-Zellen im Ileum. Außerdem wird es in neutrophilen Granulozyten und Epithelzellen des Intestinums, der Atemwege und des Urogenitaltrakts gebildet.
α-Defensin 6
α-Defensin 6 (DEFA6) wird nur durch intestinale Paneth-Zellen in den Lieberkühn-Krypten des Dünndarms synthetisiert. Das Peptid wird zuerst von Thioredoxin, einem Enzym der Paneth-Zellen, verkürzt. Dann heftet es sich an die Oberfläche von Bakterien. Dort entsteht ein feines System von Peptidfibrillen, die das Bakterium umhüllt (microbial trapping).[3]
β-Defensin 1
β-Defensin 1 (DEFB1) wird von Epithelzellen exprimiert. Die antimikrobielle Funktion ist unklar, es spielt jedoch eine Rolle bei der Differenzierung von Keratinozyten sowie pathophysiologisch bei verschiedenen Karzinomen und bei der zystischen Fibrose.[4] Desweiteren kann es als Biomarker für den Schweregrad von COPD und Asthma bronchiale dienen.[5]
β-Defensin 2
β-Defensin 2 (DEFB2) wird auch als skin-antimicrobial peptide 1 (SAP1) bezeichnet. Es wird von neutrophilen Granulozyten und Epithelzellen nach Kontakt mit Mikroorganismen exprimiert und bekämpft gramnegative Bakterien und Hefepilze, ist aber unwirksam gegenüber Staphylococcus aureus. Es kann außerdem als Biomarker für Psoriasis verwendet werden.[6]
β-Defensin 3
β-Defensin 3 (DEFB3), auch skin-antimicrobial peptide 2 (SAP2) genannt, wird physiologisch in fast allen Epithelzellen gebildet. Es besitzt eine antibakterielle Aktivität gegenüber gramnegativen und grampositiven Bakterien incl. MRSA und VRE. In Entzündungsprozessen spielt es eine antiinflammatorische Rolle, da es die LPS-induzierte Produktion von Sauerstoffradikalen sowie von proinflammatorischen Zytokinen hemmt.
β-Defensin 4
Die physiologische Funktion von β-Defensin 4 (DEFB4) ist noch weitestgehend ungeklärt. Es zeigt eine hohe antimikrobielle Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa. Unter bestimmten pathologischen Bedingungen wird es in der Epidermis exprimiert.
Klinik
Möglicherweise spielt ein Mangel an β-Defensin 2 und 3 sowie α-Defensin eine wichtige pathogenetische Rolle bei Morbus Crohn. Dies würde eine beeinträchtigte Darmbarriere und ein verändertes Mikrobiom erklären. Der beim Morbus Crohn beschriebene Defekt des NOD2-Rezeptors wird für die verminderte Defensinsynthese verantwortlich gemacht.[7]
Pharmakologie
Defensin-Mimetika
Als Defensin-Mimetikum wird ein Membran-adressierendes Antibiotikum beschrieben, welches einem Defensin nachempfunden, jedoch synthetisch hergestellt ist. Zu diesen komplett neuartigen Antibiotika zählt der PDE4B2- und PDE3A-Hemmer Brilacidin (PMX-30063). Klinische Phase-II-Studien haben für intravenös appliziertes Brilacidin bei schweren Haut- und Weichteilinfektionen mit multiresistenten grampositiven Bakterien ähnliche Ergebnisse wie Daptomycin ergeben.[8][9]
Plectasin
2001 wurde das Defensin Plectasin im Pilz Pseudoplectania nigrella entdeckt.[10] Es hemmt den bakteriellen Zellwandaufbau durch Bindung an Lipid II.[11] Außerdem aktiviert es das Immunsystem. Es zeigte in einigen Studien (unter anderem am Maus-Infektionsmodell) eine hohe Wirksamkeit gegenüber Pneumokokken.[12] Dieser Stoff gilt als vielversprechende, zukünftige Leitsubstanz für neue Antibiotika.
Retrocyclin
Beim Menschen werden die θ-Defensin-Gene in eine mRNA transkribiert, jedoch aufgrund eines Stopcodons nicht translatiert. Durch Veränderung des Pseudogens konnte mit Retrocyclin ein synthetischer Stoff hergestellt werden, der eine zukünftige Therapieoption gegen HIV-1 darstellen kann.[13]
Quellen
<references>
- ↑ Li XY et al. Upregulated expression of human alpha-defensins 1, 2 and 3 in hypercholesteremia and its relationship with serum lipid levels, Human Immunology Volume 75, Issue 11, November 2014, Pages 1104-1109, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Chun Kim et al. Human α-defensins neutralize anthrax lethal toxin and protect against its fatal consequences, Proc Natl Acad Sci U S A. 2005 Mar 29; 102(13): 4830–4835, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Chu H et al. Human α-Defensin 6 Promotes Mucosal Innate Immunity Through Self-Assembled Peptide Nanonets, Science 27 Jul 2012: Vol. 337, Issue 6093, pp. 477-481, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Frye M et al. Expression of human beta-defensin-1 promotes differentiation of keratinocytes. J Mol Med (Berl). 2001 Jun;79(5-6):275-82, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Baines KJ et al. Airway β-Defensin-1 Protein Is Elevated in COPD and Severe Asthma. Mediators Inflamm. 2015;2015:407271, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Jansen PA et al. Beta-defensin-2 protein is a serum biomarker for disease activity in psoriasis and reaches biologically relevant concentrations in lesional skin. PLoS One. 2009;4(3):e4725, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Ostaff MJ et al. Antimicrobial peptides and gut microbiota in homeostasis and pathology. EMBO Mol Med. 2013 Oct; 5(10): 1465–1483, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Mensa B et al. Comparative mechanistic studies of brilacidin, daptomycin, and the antimicrobial peptide LL16, Antimicrob Agents Chemother. 58, 5136-45 (2014), abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Scott RW et al. Mimics of Host Defense Proteins; Strategies for Translation to Therapeutic Applications. Curr Top Med Chem. 17,:576-589 (2017), abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Mygind PH et al. is a peptide antibiotic with therapeutic potential from a saprophytic fungus, Nature 437, 975–980 (2005) abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Schneider T et al. Plectasin, a Fungal Defensin, Targets the Bacterial Cell Wall Precursor Lipid II, Science, 28 May 2010: Vol. 328, Issue 5982, pp. 1168-1172, abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Andes D et al. In Vivo Pharmacodynamic Characterization of a Novel Plectasin Antibiotic, NZ2114, in a Murine Infection Model, Antimicrobial Agents and Chemotherapy Jun 2009, 53 (7) 3003-3009; abgerufen am 14.06.2019
- ↑ Mück C et al. The theta-defensin, retrocyclin, inhibits HIV-1 entry. AIDS Res Hum Retroviruses. 2003 Oct;19(10):875-81., abgerufen am 14.06.2019
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