Cathinon
Lateinisch: Cathinonum
Synonyme: β-Ketoamphetamin, S-(-)-α-Aminopropiophenon
Englisch: Cathinone
1. Definition
Cathinon ist ein Phenylalkylamin-Alkaloid und Amphetaminderivat, das aus den frischen Blättern der Pflanze Catha edulis (Khat) gewonnen wird. Diese Pflanze ist in Ostafrika und auf der Arabischen Halbinsel beheimatet und wird dort traditionell als Stimulans genutzt. Da Cathinon Amphetamin-ähnliche Wirkungen hat, ist es mit einem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential verbunden und in vielen Ländern reguliert.
2. Chemie
Cathinon besitzt die Strukturformel C₉H₁₁NO und eine durchschnittliche molare Masse von 149,193 g/mol. Cathinon gehört zur Klasse der Phenylethylamine und weist strukturelle Ähnlichkeiten mit Amphetaminen auf, insbesondere durch die Substitution einer Ketogruppe am β-Kohlenstoffatom des Phenylalkylamin-Rahmens. Die Ketogruppe ist für die spezifische pharmakologische Aktivität von Cathinon verantwortlich.
Die Verbindung liegt in der Natur als chirale Substanz vor, wobei hauptsächlich das S-(–)-Enantiomer vorkommt. Dieses Enantiomer hat eine höhere biologische Aktivität und ist primär für die psychostimulierenden Effekte verantwortlich.
Cathinon ist chemisch relativ instabil und zerfällt schnell zu Metaboliten wie Norephedrin und Norpseudoephedrin. Für den Konsum werden daher die frischen Blätter, die noch einen hohen Cathinongehalt haben, bevorzugt. Aufgrund seiner lipophilen Eigenschaften gelangt Cathinon durch Überwindung der Blut-Hirn-Schranke gut in das zentrale Nervensystem und entfaltet dort seine Wirkung.
3. Wirkung
Cathinon wirkt als indirektes Sympathomimetikum, das die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin fördert und gleichzeitig deren Wiederaufnahme hemmt. Diese doppelte Wirkung führt zu einer Erhöhung der Konzentrationen dieser Transmitter im synaptischen Spalt, was die zentrale und periphere Stimulation verstärkt.
Durch seine zentrale Wirkung hat Cathinon psychoaktive Eigenschaften. Es ruft Euphorie, erhöhte Wachsamkeit, verbesserte Leistungsbereitschaft und ein vermindertes Hungergefühl hervor. Aufgrund dieses Profils wird Cathinon oft als natürlicher Ersatz für Amphetamine betrachtet.
Die peripheren Wirkungen äußern sich durch Symptome wie erhöhten Blutdruck, Tachykardie und erweiterte Pupillen. Cathinon beeinflusst auch die serotonergen Systeme, wenn auch in geringerem Maße, was zur Verstärkung der Stimulantienwirkung beiträgt. In höheren Dosen kann Cathinon Psychosen, Halluzinationen und Herzrhythmusstörungen hervorrufen.
4. Vorkommen
Das natürliche Vorkommen von Cathinon beschränkt sich auf die Blätter der Pflanze Catha edulis. Diese Pflanze wächst in den Hochlandregionen von Ostafrika und auf der Arabischen Halbinsel, wo sie seit Jahrhunderten traditionell gekaut wird, um ihre stimulierende Wirkung zu erleben. Die Blätter enthalten neben Cathinon auch weitere Alkaloide wie Cathin und Norpseudoephedrin, welche die Gesamtwirkung von Khat beeinflussen.
5. Herstellung
In industriellen und wissenschaftlichen Kontexten kann Cathinon synthetisch hergestellt werden, wobei gängige Methoden auf der Modifikation von Amphetaminvorläufern oder der Reduktion von α-Ketoestern basieren. Diese synthetischen Varianten von Cathinon zeigen ähnliche pharmakologische Eigenschaften wie die natürliche Form, und werden vor allem in der Drogenforschung genutzt.
6. Verwendung
In den Regionen, in denen Khat beheimatet ist, wird es traditionell als Stimulans konsumiert. Die Blätter werden gekaut, um die darin enthaltenen Alkaloide freizusetzen, was eine schnelle stimulierende Wirkung auf den Körper hat.
Im medizinischen Kontext wurde Cathinon aufgrund seiner appetitzügelnden Eigenschaften und seiner Fähigkeit, die Leistungsfähigkeit zu steigern, untersucht. Die Anwendung als Appetitzügler ist jedoch aufgrund der hohen Missbrauchsgefahr und der Nebenwirkungen nicht indiziert. In der westlichen Welt wird Cathinon nur selten verwendet, und meist im Rahmen der Forschung oder in Form von synthetischen Nachahmungen, sogenannten Research Chemicals, als Reinstoff oder als Bestandteil von Drogenmischungen.
7. Toxikologie
Die toxikologischen Effekte von Cathinon sind vielfältig und können sowohl das zentrale Nervensystem als auch das kardiovaskuläre System betreffen.
Cathinon wirkt kardiotoxisch, indem es die Herzfrequenz steigert und den Blutdruck erhöht. Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeit von etwa 1,5 Stunden klingen die akuten toxischen Wirkungen jedoch rasch ab. Die renale Ausscheidung erfolgt größtenteils über Metaboliten, wobei nur ein geringer Teil unverändert im Urin nachweisbar ist. Bei Überdosierungen ist die Behandlung symptomatisch und umfasst oft die Verabreichung von Sedativa, Antipsychotika und die Kontrolle von Herzrhythmusstörungen.
8. Literatur
- Teuscher, Eberhard/Ulrike Lindequist/Matthias F. Melzig (2020): Biogene Arzneimittel: Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie.
- Geisslinger, Gerd/Sabine Menzel/Thomas Gudermann/Burkhard Hinz/Peter Ruth/Ernst Mutschler (2019): Mutschler Arzneimittelwirkungen: Pharmakologie - Klinische Pharmakologie - Toxikologie, 11., völlig neu bearbeitete Aufl. 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
- Teuscher, Eberhard/Ulrike Lindequist (2010): Biogene Gifte - Biologie-Chemie-Pharmakologie-Toxikologie, 3., neu bearb. u. erw. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsges. Stuttgart.
- Hänsel/Keller/Schneider (1992): Handbuch der Pharmazeutischen Praxis: Bände 4-6: Drogen A-Z, 5., Heidelberg, Deutschland: Springer Berlin.
- Sticher, Otto/Jörg Heilmann/Ilse Zündorf (2015): Hänsel/ Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie, 10., Stuttgart, Deutschland: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
- Wink, Michael/Ben-Erik Van Wyk/Coralie Wink (2008): Handbuch der giftigen und psychoaktiven Pflanzen, 1. Aufl., Stuttgart, Deutschland: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.