Amanitin
Definition
Bei Amanitinen handelt es sich um Pilzgifte aus der Klasse der Amatoxine, die in der Natur u.a. im Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) vorkommen und zu den Cyclopeptiden zählen.
Chemie
Amanitine sind aus 8 Aminosäuren aufgebaut. Die Gruppe der Amanitine besteht aus α-Amanitin, β-Amanitin, γ-Amanitin und ε-Amanitin. Sie unterscheiden sich strukturell nur in 5 variablen Seitenresten und weisen alle einen nahezu identischen Wirkmechanismus auf. Das bekannteste Amanitin das α-Amanitin, welches das Hauptgift des Grünen Knollenblätterpilzes ist.
Toxikologie
Toxikodynamik
Amanitine verhindern die Bildung von mRNA in den Zellen durch Blockade der RNA-Polymerase II. Dadurch kommen mehrere Stoffwechselprozesse zum Erliegen, da die benötigten Enzyme nicht mehr gebildet werden. Außerdem werden Strukturproteine bei ihrer Alterung nicht mehr ersetzt, wodurch es zur Apoptose kommt.
Toxizität
Alle Aminatine weisen eine sehr hohe Toxizität auf. Die LD50 (oral, Maus) beträgt:
- α-Amanitin: 0,3 mg/kgKG
- β-Amanitin: 0,5 mg/kgKG
- γ-Amanitin: 0,2 mg/kgKG
- ε-Amanitin: 0,3 mg/kgKG
Symptome
Die Intoxikation mit Amanitin (Amatoxin-Syndrom) zeichnet sich durch einen tückischen, protrahierten Verlauf aus. Etwa 10 Stunden nach Aufnahme des Toxins kommt es zu gastrointestinalen Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen), die leicht mit einer harmlosen Lebensmittelvergiftung verwechselt werden können.
Nach etwa 2-3 Tagen tritt eine scheinbare Besserung ein. Etwa 5 Tage nach der Aufnahme kommt es zum akuten Leberversagen, das mit typischen Symptomen wie Ikterus, Gerinnungsstörungen und hepatischer Enzephalopathie einhergeht und schließlich in ein Leberkoma mündet. Unbehandelt verstirbt der Patient meist nach etwa 10 Tagen.
Therapie
Zur Therapie wird intravenös Silibinin als Antidot verabreicht. Silibinin wirkt, indem es den enterohepatischen Kreislauf von Amanitin unterbindet. In der Regel wird Silibinin zusammen mit einem β-Lactam-Antibiotikum (z.B. Penicillin G) verabreicht, da sich so die Prognose verbessern lässt. Sollte die Leber bereits irreversibel geschädigt sein, kann nur eine Lebertransplantation das weitere Überleben sichern. Überbrückend muss eine Leberdialyse erfolgen.
Supportiv wird der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen und die Blutglukose überwacht, da es bei Intoxikation mit Amanitin häufig zur Hypoglykämie kommt.
Pharmakologie
Bei etwa 50% aller malignen Tumore ist der Transkriptionsfaktor p53 mutiert. Er wird unter Bedingungen exprimiert, in denen eine DNA-Reparatur oder Apoptose notwendig ist. Dabei geht oftmals eine daran angrenzende Genkopie für die größte und katalytisch aktive Untereinheit der RNA-Polymerase II (POLR2) mit verloren. Daher untersucht man derzeit (2017) die Anwendung von α-Amanitin in der Behandlung von p53-negativen Tumoren, da Tumorzellen stärker von der Hemmung der RNA-Polymerase betroffen sind als gesunde Zellen.
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