Kawasaki-Syndrom
nach dem japanischen Arzt Tomisaku Kawasaki
Synonym: Mukokutanes Lymphknotensyndrom
Definition
Das Kawasaki-Syndrom ist eine fieberhafte Vaskulitis des Säuglings- und Kleinkindesalters. Sie kann zu lebensgefährlichen kardialen Komplikationen führen.
Epidemiologie
Die Inzidenz liegt bei 9/100.000 Kindern kaukasischer Herkunft unter 5 Jahren. Der Altersgipfel liegt im 2. bis 5. Lebensjahr, in höheren Altersklassen ist das Syndrom sehr selten. Jungen sind etwas häufiger betroffen.[1][2]
Es findet sich eine Saisonalität mit einem Inzidenzgipfel im Januar, sowie einer geringeren Häufung zwischen März und Juni. Es finden sich hohe regionale bzw. ethnische Inzidenzunterschiede.[2] So wird die Inzidenz für Japan beispielsweise mit über 200/100.000 Kinder pro Jahr angegeben.[3]
Ätiologie und Pathogenese
Die Ätiologie des Kawasaki-Syndroms ist bisher nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden:[2]
- genetische Prädisposition mit polygenem Erbmuster: Zahlreiche Risiko-SNPs wurden beschrieben (z.B. im CD40-, Caspase-3- und BLK-Gen). Auch die hohen Inzidenzunterschiede zwischen verschiedenen Ethnien lassen genetische Faktoren als wahrscheinlich erscheinen. Die Konkordanzrate eineiiger Zwillinge liegt bei ca. 13%.
- Immunaktivierende Faktoren: Zahlreiche Faktoren, die im Allgemeinen zur Aktivierung des Immunsystems imstande sind, wurden auch mit der Auslösung des Kawasaki-Syndroms in Verbindung gesetzt. Stand 2024 konnte jedoch für keinen spezifischen Auslöser ein klarer Kausalitätsnachweis erbracht werden. Diskutiert wurden:
- Virusinfekte, insbesondere aufgrund der Saisonalität und der klinischen Überlappung mit dem postviral auftretenden MIS-C
- bakterielle und fungale Infektionen
- Impfungen
- Toxine, z.B. ein über troposphärische Winde als Aerosol verteiltes Mykotoxin von Candida spp. aus der Landwirtschaft[4]
Morphologisch entspricht das Kawasaki-Syndrom einer nekrotisierenden Vaskulitis der kleinen und mittleren Arterien, entsprechend einer Mittelgefäßvaskulitis. An der Pathogenese scheinen sowohl Mechanismen der angeborenen (PAMPs, DAMPs) als auch der erworbenen (T-Zellen, IgA-sezernierende Plasmazellen) Immunabwehr beteiligt zu sein.
Symptomatik
Das Kawasaki-Syndrom imponiert durch:
- hohes, nicht durch Antibiotika beeinflussbares Fieber über mehrere Tage
- generalisierte Lymphknotenschwellung (insbesondere am Hals)
- variables Exanthem
- Enanthem
- Lacklippen
- Himbeerzunge
- beidseitige seröse Konjunktivitis
- reduzierten Allgemeinzustand
- Beau-Linien
Im Verlauf der Erkrankung kommt es an Händen und Füßen zur Rötung und Schwellung, die in der Folge unter Schuppung an Zehen und Fingern abheilt. Entzündliche Veränderungen können innere Organe und Gelenke mitbetreffen und entsprechende Symptome verursachen.
Zusätzlich kann es zu einer Vielzahl von Nebensymptomen kommen, nicht alle Symptome treten konstant auf. Möglich sind:[1][5]
- Thoraxschmerzen durch Myokarditis oder Myokardischämien
- Erbrechen, Diarrhoe, diffuser Bauchschmerz
- Husten
- Hepatomegalie, Gallenblasenhydrops
- Arthritis kleiner Fuß- und Fingergelenke
- starke Irritabilität, Meningismus
- sterile Urethritis mit Pyurie
- Hörstörungen
- Sehstörungen durch anteriore Uveitis, z.T. bleibende Sehschäden
Beim atypischen sowie beim inkompletten Kawasaki-Syndrom treten unspezifische Symptome bzw. nicht das Vollbild aller genannten Symptome auf. Die Diagnose kann u. U. retrospektiv gestellt werden, wenn es zur Schuppung der Haut an Händen und Füßen kommt.
Diagnostik
Das Kawasaki-Syndrom ist eine klinische Diagnose, die mit laborchemischen Veränderungen einhergeht.
Die Diagnose kann gestellt werden, wenn zusätzlich zu antibiotikaresistentem Fieber über 5 Tage 4 der folgenden 5 Symptome vorliegen:
- Konjunktivitis
- typische Veränderungen der Lippen oder der Mundschleimhaut (s.o.)
- typische Veränderungen der Palmar- oder Plantarflächen (s.o.)
- Exanthem
- Lymphadenopathie
Liegen alle 5 Kriterien vor, so kann die Diagnose auch schon bei weniger als 5 Fiebertagen gestellt werden. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, so kann - insbesondere bei Säuglingen und insbesondere beim Vorliegen von Koronararterienaneurysmen - von einem inkompletten Kawasaki-Syndrom gesprochen werden.
Zusätzlich treten einige laborchemische Veränderungen auf, die aber für die Diagnosestellung nicht richtungsweisend sind:
- CRP und BSG sind stark erhöht
- Es besteht eine ausgeprägte Leukozytose mit Linksverschiebung
- Häufig findet sich begleitend eine Thrombozytose
- Transaminasen-Erhöhung
Bei Herzbeteiligung lassen sich im EKG unspezifische Zeichen im Sinne einer Myokarditis oder bei Myokardinfarkt die typischen Infarktzeichen nachweisen. Eine evtl. Beteiligung der Koronararterien oder der Herzklappen kann man mittels Echokardiographie (Aneurysmadarstellung, Klappendiagnostik) erfassen.
Komplikationen
Unbehandelt hat das Kawasaki-Syndrom eine Letalität von etwa 2 %. Etwa ein Viertel der Unbehandelten entwickeln sich kardiovaskuläre Komplikationen. Dabei überwiegen vor allem Veränderungen der Koronararterien, jedoch auch peripherer Arterien.
Es kann über eine Aneurysmabildung der Koronarien und meist aortennaher Gefäße zu Rupturen, Thrombosen und narbigen Strikturen der betroffenen Gefäße kommen. Dadurch können Myokardinfarkte oder eine Angina pectoris entstehen.
Ebenfalls beschrieben sind Beteiligungen der Herzklappen, vor allem in Form einer Mitralinsuffizienz und/oder Aorteninsuffizienz.
Therapie
Die Grundtherapie ist im Wesentlichen symptomatisch. Sie besteht aus:[5]
- Gabe von Immunglobulinen (2 g/kg, möglichst früh)
- Gabe von ASS (initial 30 bis 100 mg/kg/d, nach Entfieberung 3 bis 5 mg/kg über 4 bis 6 Wochen)
- Gabe von Prednisolon bei bestimmten Risikokonstellationen (z.B. Alter bis 1 Jahr, initiale Koronarbeteiligung, schwerem Verlauf u.v.m.)
Bei kardialen Komplikationen sollte eine Rekanalisierung obstruierter Gefäße erfolgen. Klappenfehler werden entsprechend des Schweregrades behandelt.
Leitlinie
- S2k-Leitlinie Kawasaki-Syndrom der GKJR und DGPK im AWMF-Leitlinienregister, Stand 2020.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Gortner und Meyer (Hrsg.). Duale Reihe Pädiatrie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2018.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Rife, Gedalia: "Kawasaki Disease: an Update" Current Rheumatology Reports, 2020.
- ↑ Nakamura et al.: "Epidemiologic features of Kawasaki disease in Japan: results of the 2009-2010 nationwide survey" Journal of Epidemiology, 2012.
- ↑ Rodó X et al.: Tropospheric winds from northeastern China carry the etiologic agent of Kawasaki disease from its source to Japan PNAS vol. 111 no. 22 > Xavier Rodó, 7952–7957, doi: 10.1073/pnas.1400380111
- ↑ 5,0 5,1 S2k-Leitlinie Kawasaki-Syndrom der GKJR und DGPK im AWMF-Leitlinienregister, Stand 2020.