Transitorische ischämische Attacke
Synonyme: Transiente ischämische Attacke, Streifung
Englisch: transient ischemic attack
Definition
Bei der transitorischen ischämischen Attacke, kurz TIA, handelt es sich um eine in ihrer Symptomatik dem Schlaganfall ähnelnde, vorübergehende neurologische Störung, die auf eine fokale Ischämie im ZNS ohne in der Bildgebung nachweisbaren Infarkt zurückzuführen ist.
Hintergrund
Nach älteren Definitionen wurde eine TIA daran fest gemacht, dass die neurologische Symptomatik nicht länger als 24 Stunden nachweisbar war, bei typischen Episoden weniger als 1 Stunde. Diese Festlegung wurde verlassen, weil in klinischen Studien bei bis zu 50 % der klassisch definierten TIAs im MRT eine Hirnläsion nachweisbar war.
Bei Rückbildung der Symptomatik innerhalb von 72 Stunden sprach man von einem prolongierten reversiblen ischämischen neurologischen Defizit (PRIND).
Epidemiologie
Die TIA kann grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten, am häufigsten sieht man sie jedoch nach dem 60. Lebensjahr. Sie gilt als Vorbote eines echten Schlaganfalls und sollte als Notfall abgeklärt werden. In den ersten zwei Tagen nach einer TIA ist das Schlaganfallrisiko um rund 10 %, in den ersten zwei Wochen danach um etwa 15 % erhöht. Etwa jeder dritte TIA-Patient erleidet irgendwann in seinem Leben einen Schlaganfall, wobei hiervon etwa 50 % auf das Folgejahr der TIA entfallen.
Ätiopathogenese
Eine TIA entsteht durch eine Unterversorgung bestimmter Hirnareale mit Sauerstoff (Ischämie). Die Ischämie ist in einem bestimmten Zeitfenster tolerabel (Gehirn etwa 3-5 Minuten), entstandene Symptome können sich ohne bleibende Schäden vollständig zurückbilden.
Je nach Pathogenese unterscheidet man:
- Low-Flow-TIA: bei Stenose einer großen hirnversorgenden Arterie (z.B. Arteria carotis interna)
- Embolische TIA: wie bei thromboembolischem Hirninfarkt
- lakunäre TIA bzw. TIA der kleinen penetrierenden Gefäße: Stenose der intrakraniellen Arterien (z.B. Arteria cerebri media) oder Lipohyalinose der penetrierenden Arterien (z.B. Arteriae lenticulostriatae).
Klinik
Das klinische Bild einer TIA ist variabel und unterscheidet sich je nach Pathomechanismus:
- Low-Flow-TIA: klassische, transiente, fokal-neurologische Symptome des vorderen oder hinteren Kreislauf. Dauern meist nur wenige Minuten an und können häufig wiederkehren.
- Embolische TIA: ähnliches Bild wie bei einem thromboembolischen ischämischen Schlaganfall. Symptome lokalisiert auf ein bestimmtes Versorgungsgebiet. Halten einige Stunden an und treten i.d.R. nicht wieder auf, sofern keine deutliche Emboliequelle, wie z.B. ein intrakardialer Thrombus, vorhanden ist.
- Lakunäre TIA bzw. TIA der kleinen penetrierenden Gefäße: Symptome ähneln einem lakunären Infarkt. Dauern meist nur wenige Minuten und können häufig wiederkehren. Wird auch als Capsular Warning Syndrome (CWS) bezeichnet.
Zu den Symptomen der TIA zählen somit plötzlich auftretende:
- Sehstörungen (Amaurosis fugax),
- Hörstörungen,
- Sprachstörungen (Aphasie),
- Gleichgewichtsstörungen (Vertigo, Drop-Anfälle),
- Bewusstseinsstörungen,
- Lähmungen von Arm und/oder Bein (Hemiplegie oder Hemiparese).
Da die Symptome meist nur einige Minuten anhalten, unterschätzen Patienten häufig die klinische Bedeutsamkeit einer TIA.
Diagnostik
Aufgrund der kurzen Symptomperiode wird die TIA meist retrospektiv diagnostiziert. Somit liegt der Schwerpunkt auf der Anamnese und der klinischen Untersuchung des Patienten. Eine bekannte Arrhythmie oder Koronare Herzkrankheit in der Anamnese erhärten der Verdacht einer TIA bei gegebenen Symptomen. Die beste technische Methode bietet das MRT mit Diffusionsgewichtung (DWI-Sequenz) zur Bestimmung der Quantität von mangelperfundiertem Hirngewebe, die Sensitivität liegt hier jedoch auch nur bei 50 %. Weitere Methoden sind die
- Duplexsonographie: Darstellung der extrakraniellen Hirngefäße
- transkranielle Dopplersonographie: Durchflussbestimmung der Arteria cerebri media
- Kraniale Computertomographie (cCT) und CT-Angiographie
- MR-Angiographie (MRA)
- Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
Bezüglich der radiologischen Definition einer TIA herrscht kein Konsensus, da kein eindeutiges Korrelat zum Beschwerdebild vorliegt. Hirnregionen mit hohem DWI-Signal, insbesondere wenn keine frühe DWI-Umkehr vorliegt, werden meist als Infarktregion eingestuft. Jedoch können auch Läsionen mit früher DWI-Umkehr ein gewisses Maß an Infarzierung aufweisen, sodass es sich um einen Schlaganfall und keine TIA handelt.
Per definitionem lässt sich kein morphologisches Korrelat der transitorischen ischämischen Attacke (beispielsweise Infarktnarben in der Obduktion) finden.
siehe auch: Hirninfarkt (Radiologie)
Therapie
In der Akutsituation gleicht die Therapie der eines Hirninfarkts. Bei Patienten mit einer TIA ist es entscheidend, die Ursache zu identifizieren und Risikofaktoren zu beseitigen. Zum Einsatz kommen Thrombozytenaggregationshemmer (v.a. Acetylsalicylsäure) und ggf. eine Thrombendarteriektomie der Karotis.
Prognose
Transitorische ischämische Attacken treten häufig rezidivierend auf und können Zeichen eines drohenden Hirninfarkts sein. Um das Risiko eines nachfolgenden Schlaganfalls abzuschätzen, kann der ABCD2-Score angewendet werden.