Rauchermelanose
Englisch: smoker’s melanosis
Definition
Die Rauchermelanose ist eine gutartige Hyperpigmentierung der Mundschleimhaut, die durch chronischen Tabakkonsum bedingt ist. Klinisch zeigen sich diffuse, bräunliche bis schwärzliche Flecken (Maculae) meist an der befestigten Gingiva, v.a. des Unterkiefers. Oft betrifft die Pigmentierung vor allem den vorderen Bereich der vestibulären Gingiva (insbesondere über den Schneidezähnen). Sie kann sich aber auch auf Gaumen, Wangenschleimhaut oder Lippen erstrecken.
Epidemiologie
Epidemiologische Daten zeigen eine höhere Prävalenz der Rauchermelanose bei Frauen, was auf eine synergistische Wirkung von Östrogenen und Nikotin auf die Melanogenese hinweist.[1]
Ätiologie
Pathophysiologisch handelt es sich um eine reaktive Pigmentierung, die durch intrinsische (hormonelle) Faktoren gefördert wird. Hauptursache ist die chemische Reizung der Schleimhaut durch Tabakrauch. Inhaltsstoffe wie Nikotin und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (z.B. Benzpyren) aktivieren Signalwege in Melanozyten und führen zu einer gesteigerten Melaninsynthese. Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Aryl-Hydrokarbon-Rezeptor (AhR) durch Tabakrauch-Komponenten aktiviert wird, was über Transkriptionsfaktoren wie MITF die Pigmentgenexpression anregt.[2] Melanin soll als protektiver Radikalfänger dienen[3], und so möglicherweise einen Abwehrmechanimus der Schleimhaut gegenüber den Noxen darstellen.
Klinik
Rauchermelanosen präsentieren sich makroskopisch als multiple, unregelmäßige braun-schwarze Flecken. Typischerweise sind sie diffus über den Gingivabereich verteilt und oft bilateral symmetrisch angelegt. Die einzelnen Flecken variieren im Durchmesser (von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern) und können konfluieren. Farbintensität und Ausdehnung korrelieren in etwa mit dem Tabakkonsum. Starke Raucher weisen meist dunklere und ausgedehntere Pigmentierungen auf. Charakteristisch ist das Fehlen von Ulzerationen oder Knoten – im Unterschied zu malignen Läsionen bleibt die Schleimhautoberfläche glatt.
Histopathologie
Histologisch entspricht die Rauchermelanose einer gesteigerten Melaninablagerung ohne Zellatypien. Man findet vermehrtes intrazelluläres Melanin in den Melanozyten der Basalschicht des Plattenepithels sowie eine Pigmentinkontinenz mit melaninbeladenen Makrophagen in der Lamina propria. Die Melanozytenzahl bleibt in der Regel normal, wodurch die Befunde einer physiologischen Gingivapigmentierung oder einer melanotischen Makel ähneln. Es gibt keine Zeichen einer zellulären Dysplasie.
Differenzialdiagnosen
Die Rauchermelanose muss von anderen pigmentierten Läsionen differenziert werden:[4]
- physiologische Gingivapigmentierungen (v.a. ethnisch bedingte Pigmentierung)
- Melanozytäre Nävi der Mundschleimhaut
- Epheliden
- Amalgamtätowierungen
- Medikamentös bedingte Pigmentierungen (z.B. durch Minocyclin, Antimalariamittel, bestimmte Chemotherapeutika)
- Laugier-Hunziker-Syndrom (idiopathische Lentiginose von Mund und Lippen oft mit Nagelveränderungen)
- Addison-Krankheit
- Peutz-Jeghers-Syndrom
- Primäres Melanom der Mundschleimhaut (OMM), selten aber hochagressiv
Bei unklaren oder rasch wachsenden Läsionen sollte stets eine Biopsie durchgeführt werden, um ein Malignom sicher auszuschließen.
Therapie
Ein vollständiger Rauchstopp führt in der Regel zu einer Rückbildung der Pigmentierungen. Eine kausale Therapie außer Nikotinabstinenz gibt es nicht. Kosmetisch störende Pigmentierungen können ggf. durch Abrasion oder Laserbehandlung entfernt werden.
Quellen
- ↑ Nikhil Kumar Singh (2013): A Clinical Study On Pigmented Lesions Of The Oral Cavity And Lips
- ↑ Furue und Tsuji (2019): Chloracne and Hyperpigmentation Caused by Exposure to Hazardous Aryl Hydrocarbon Receptor Ligands
- ↑ Marco d’Ischia (2015): Melanins and melanogenesis: from pigmentcells to human health and technologicalapplications DOI: 10.1111
- ↑ Abati et al. (2024): Differential Diagnosis of Pigmented Lesions in the Oral Mucosa: A Clinical Based Overview and Narrative Review
Literatur
- Monteiro et al. (2015) Aesthetic Depigmentation of Gingival Smoker’s Melanosis Using Carbon Dioxide Lasers. PMID: 25954535
- Gondak et al. (2012) Oral pigmented lesions: Clinicopathologic features and review of the literature. PMID: 22549672 Alhowshabi et. al (2025) Prevalence and associated factors of oral pigmented lesions among Yemeni dental patients: a large cross-sectional study. PMID: 40089755
- https://emedicine.medscape.com/article/1078143-overview#:~:text=facial%20gingiva%2C%20especially%20in%20the,21%2C%2023