Myasthenia gravis (Katze)
Synonyme: Feline Myasthenie, MG
Englisch: myasthenia gravis
Definition
Als Myasthenia gravis der Katze bezeichnet man eine durch Autoantikörper verursachte neuromuskuläre Erkrankung, die vorrangig durch Muskelschwäche gekennzeichnet ist.
Vorkommen
Die feline Myasthenia gravis ist eine sehr selten vorkommende Erkrankung, die vermehrt bei Abessinier- und Somali-Katzen beobachtet werden kann.
Ätiologie
Die Myasthenia gravis kann entweder kongenital bedingt oder erworben sein. Die erworbene Form tritt deutlich häufiger auf als die angeborene.
Pathogenese
Bei der Myasthenia gravis kommt es zu einer neuromuskulären Übertragungsstörungen, die sich klinisch in einer charakteristischen Muskelschwäche äußert.
Bei der erworbenen Form verursachen Autoantikörper gegen postsynaptische Acetylcholinrezeptoren (AChR) an der motorischen Endplatte der quergestreiften Muskulatur eine Störung der neuromuskulären Signalübertragung. Da die Autoantikörper an die Rezeptoren binden, kommt es einerseits zur Blockade, andererseits zu einer Verringerung der Rezeptorendichte sowie zu Veränderungen der Endplattenarchitektur (durch Aktivierung der Komplementkaskade). Dies resultiert wiederum in einem erweiterten synaptischen Spalt. Infolge dessen kommt es zu einer massiven Störung der neuromuskulären Übertragung.
Die Thymom-assoziierte Myasthenia gravis kommt bei Rund 52 % aller betroffenen Katzen vor. Der Zusammenhang zwischen der Tumorerkrankung und der Myasthenia gravis ist komplex. Im Thymus sind spezifische zelluläre Elemente, wie z.B. antigenpräsentierende Zellen, T-Zellen und B-Zellen enthalten, die eine zentrale Rolle in der Krankheitsentstehung spielen. Durch eine T-Zell-vermittelte Aktivierung von B-Lymphozyten wird die Synthese pathogener, hochaffiner Autoantikörper angestoßen. Aufgrund der antigenen Ähnlichkeit zwischen den Neurofilamenten der thymischen Myoidzellen und den nikotinergen Acetylcholinrezeptoren (nAChR) kommt es zur Bindung dieser Antikörper an die α-Untereinheiten der Acetylcholinrezeptoren und somit zur klinisch manifesten Erkrankung.
Klinik
Bei Katzen unterscheidet man drei verschiedene klinische Verlaufsformen:
- fokale Myasthenia gravis
- generalisierte Myasthenia gravis
- fulminante Myasthenia gravis
Die fokale Verlaufsform geht mit einem Megaösophagus und Dysphagie sowie reduzierten Palpebralreflexen und Stimmveränderungen einher. Zusätzlich können eine oder mehrere Skelettmuskelgruppen geschwächt sein.
Die generalisierte Form hingegen ist durch eine diffuse neuromuskuläre Parese (Leistungsintoleranz), gesenkte Kopf- und Halshaltung sowie Zittern (in Ruhe) charakterisiert. Charakteristisch für die Erkrankung ist, dass die Schwäche nach längerer Ruhephase häufig nur gering ausgeprägt ist und mit zunehmender Belastung wieder deutlich zunimmt.
Bei der fulminanten Verlaufsform kommt es zu einer akuten und rasch fortschreitenden generalisierten Schwäche. Betroffene Katzen befinden sich häufig in Seitenlage und zeigen massive Dyspnoe.
Diagnose
Aufgrund der teils unspezifischen Symptome und dem seltenen Auftreten der Erkrankung gestaltet sich die Diagnosestellung oftmals langwierig und umfangreich.
Neben dem Ausschluss der wichtigsten Differenzialdiagnosen (z.B. Bandscheibenvorfall, ZNS-Infektionen u.ä.) mittels Computertomographie und/oder Magnetresonanztomographie inkl. Liquoruntersuchung sollte ein Nachweis von Acetylcholinrezeptor-Antikörpern aus dem Serum erfolgen. Parallel dazu ist eine Röntgenaufnahme des Thorax zum Nachweis eines Megaösophagus und der oftmals vergesellschafteten Aspirationspneumonie durchzuführen.
Therapie
Nach bestätigter Diagnose kann eine Therapie mit oralen Acetylcholinesterasehemmern (AChE-Inhibitor) versucht werden. Bei Hunden und Katzen kommt Pyridostigmin in einer Dosis von 0,25-3 mg/kgKG 2 bis 3 mal täglich zum Einsatz. Die Behandlung sollte stets mit der niedrigsten Dosis eingeschlichen und – abhängig vom Verlauf – erhöht werden. Bei einer Überdosierung ist eine rasche Therapie mit Atropin nötig. Bei der erworbenen Form können zusätzlich noch Kortikosteroide (Prednisolon 1 mg/kgKG 2 mal täglich, dann ausschleichen) verwendet werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Bei Thymom-induzierter Myasthenia gravis ist eine Thymektomie indiziert.
Prognose
Literatur
- Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2019. Krankheiten der Katze. 6., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-241649-9
Quellen
- Mignan T, Targett M, Lowrie M. Classification of myasthenia gravis and congenital myasthenic syndromes in dogs and cats. J Vet Intern Med. 2020 Sep;34(5):1707-1717. https://doi.org/10.1111/jvim.15855
- Dörfelt S, Fischer A, L AM, Dörfelt R. Feline acquired thymoma-associated myasthenia gravis managed with surgery and therapeutic plasma exchange. Vet Rec Case Rep. 2021 Dec;9(4):e211. https://doi.org/10.1002/vrc2.211
- Hague DW, Humphries HD, Mitchell MA, Shelton GD. Risk Factors and Outcomes in Cats with Acquired Myasthenia Gravis (2001-2012). J Vet Intern Med. 2015 Sep-Oct;29(5):1307-12. doi: 10.1111/jvim.13596. Epub 2015 Aug 26. PMID: 26308738; PMCID: PMC4858034.
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