Li-Fraumeni-Syndrom
Englisch: Li–Fraumeni syndrome
Definition
Das Li-Fraumeni-Syndrom kurz LFS ist ein autosomal-dominant vererbtes Tumorprädispositionssyndrom. Es tritt vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen auf, die im Rahmen der Erkrankung multiple Tumoren entwickeln. Dabei sind insbesondere die Nebennieren, die Weichteile, die Knochen und die Brustdrüse betroffen.
Epidemiologie
Ätiologie
Dem LFS liegt eine Keimbahnmutation des Tumorsuppressorgens p53 am Genort 17p13.1 zugrunde. p53 ist ein universeller Transkriptionsfaktor, der den Zellzyklus reguliert. Mutationen führen daher zur unkontrollierten Zellteilung. Der Großteil der Veränderungen ist dabei im Bereich der hochkonservierten Regionen in den Exons 5 bis 9 lokalisiert, Punktmutationen machen dabei über 80 % aller Veränderungen aus.
In 75 % der Fälle wird eine positive Familienanamnese gefunden, 25 % der Fälle sind auf spontane Neumutationen zurückzuführen.
Die auslösende Mutation wird nur bei etwa 70 % der Patienten nachgewiesen.
Pathologie
Menschen mit LFS haben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine 50-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, eine Krebserkrankung bis zum 30. Lebensjahr zu entwickeln. Mit dem Li-Fraumeni-Syndrom assoziiert sind vor allem:
- Tumore der Nebenniere
- Weichteilsarkome
- Leukämien
- ZNS-Tumore (Astrozytome)
- Plexuskarzinom
- Osteosarkom
- Mammakarzinom
Weitere, jedoch seltener im Rahmen eines LFS vorkommende Neoplasien sind:
Symptome
Die Symptome eines am LFS erkrankten Patienten richten sich nach dem Primärtumor bzw. nach den multiplen Primärtumoren. Auch syn- oder metachrone Tumore kommen vor.
Diagnose
Li-Fraumeni-Syndrom
Zur Diagnosestellung werden die Chompret-Kriterien verwendet.[2][3] Die Diagnose wird gestellt bzw. eine p53-Testung ist bei folgenden Konstellationen indiziert:
- Auftreten eines Tumors des LFS-Spektrums bis Ende des 45. Lebensjahrs und mindestens ein Verwandter ersten oder zweiten Grades mit Tumor des LFS-Spektrums im Alter bis 55 Jahre (eine Ausnahme bildet das Mammakarzinom, wenn auch bei der Indexperson ein Mammakarzinom vorliegt), oder multiplen Tumoren
- Auftreten mehrerer Tumore (Ausnahme Mammakarzinom), von denen zwei zum LFS-Spektrum gehören und der erste Tumor im Alter < 45 Jahre aufgetreten ist
- Auftreten eines Nebennierenrinden-Tumors oder Tumor des Plexus choroideus, unabhängig von der Familienanamnese
- Brustkrebs im Alter < 30 Jahre
Bestätigt wird die Diagnose durch den Nachweis einer p53-Mutation. Diese wird allerdings nicht in allen Fällen gefunden.
Li-Fraumeni-like-Syndrom
Ein Li-Fraumeni-like-Syndrom (oder Li-Fraumeni-Syndrom 2) wird diagnostiziert, wenn bei einem Patienten alle drei folgenden Kriterien erfüllt sind:
Differentialdiagnosen
Zu den Differentialdiagnosen gehören andere Tumorprädispositionssyndrome, wie z.B. der erbliche Brust- und Eierstockkrebs.
Therapie
Kausale Behandlungsmethoden sind derzeit (2023) nicht bekannt.
Die Behandlung der Tumoren erfolgt nach dem gleichen Schema wie bei Patienten ohne p53-Mutation. Dabei wird versucht die Strahlenbelastung aufgrund der Gefahr für Zweitmalignome möglichst gering zu halten.
Zwischenzeitlich war das Medikament Advexin für die Zulassung zur Therapie des LFS vorgesehen. Der Wirkmechanismus beruht auf dem Einschleusen intakter p53-DNA in das Genom von Tumorzellen. Advexin wurde im Rahmen des Compassionate Use eingesetzt. Im Jahr 2009 wurde der Antrag auf Zulassung jedoch zurückgezogen.
Bei Mammakarzinomen wird bei gleichzeitig vorliegendem LFS eine Mastektomie der brusterhaltenden Therapie vorgezogen. Im Einzelfall wird auch eine prophylaktische Mastektomie durchgeführt.
Liegt der Verdacht auf LFS vor, wird der Patient engmaschigen Tumorkontrollen (Sonographie, CT, MRT) unterzogen, um auftretende Neoplasien möglichst früh zu erkennen. Bei Mutationsträgern sind u.a. folgende Screening-Verfahren empfohlen (nach den Guidelines des European reference Network GENTURIS):[1][2]
Untersuchung | Intervall |
---|---|
Körperliche Untersuchung | ab Geburt alle 6–12 Monate; ab 18 Jahren jährlich |
Ganzkörper-MRT | ab Geburt jährlich (bei Vorliegen einer pathogenen Keimbahn-Mutation oder bei Z.n. Chemo- oder Radiotherapie); sonst ab 18 Jahren jährlich |
Mamma-MRT | vom 20. bis 65. Lebensjahr jährlich |
Schädel-MRT | ab Geburt jährlich (bei Vorliegen einer pathogenen Keimbahn-Mutation); sonst ab 18 Jahren jährlich; einmalig mit Kontrastmittel |
Abdomensonographie | bis 18 Jahre alle 6 Monate |
Steroidhormone im Urin | bis 18 Jahre alle 6 Monate (sofern die Nebennieren im Ultraschall nicht ausreichend darstellbar sind) |
Koloskopie | alle 5 Jahre ab 18 Jahren bei positiver Familienanamnese oder Z.n. Bestrahlung im Abdomen |
Quellen
- orpha.net – Li-Fraumeni-Syndrom, abgerufen am 31.05.2023
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Kratz et al., Overview of the Clinical Features of LiFraumeni Syndrome and the Current European ERN GENTURIS Guideline, Geburtshilfe Frauenheilkunde, 2022
- ↑ 2,0 2,1 Frebourg et al., Guidelines for the Li-Fraumeni and heritable TP53-related cancer syndromes. European Journal of Human Genetics, 2020
- ↑ UpToDate – Chompret diagnostic criteria for Li-Fraumeni syndrome and TP53 testing, abgerufen am 31.05.2023
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