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Hyperkaliämische periodische Paralyse

Synonyme: Adynamia episodica hereditaria, Gamstorp-Syndrom
Englisch: hyperkalemic periodic paralysis

1. Definition

Die hyperkaliämische periodische Paralyse, kurz hyperPP, ist eine Ionenkanalerkrankung, die durch das episodische Auftreten von Muskellähmungen gekennzeichnet ist, die von einer Hyperkaliämie begleitet werden. Sie zählt zu den dyskaliämischen periodischen Paralysen.

2. Epidemiologie

Es handelt sich um eine seltene Erkrankung. Die Prävalenz wird auf 0,6 bis 1,7 Fälle pro Million Einwohner beziffert.[1] Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen. Die Erstmanifestation ereignet sich meist vor dem 5. Lebensjahr, teilweise aber auch erst in der zweiten Lebensdekade.[1][2][3]

3. Genetik

Zugrunde liegen autosomal-dominant vererbbare Gain-of-Function-Mutationen im SCN4A-Gen auf Chromosom 17q.[1] Dabei handelt es sich um Missense-Mutationen, wobei etwa ⅔ auf die Mutationen p.Thr704Met und p.Met1592Val entfallen.[4]

Das betroffene Gen kodiert für die α-Untereinheit des spannungsabhängigen Natriumkanals Nav1.4, der das Aktionspotential von Skelettmuskelzellen einleitet.[2]

Die Penetranz der Mutationen liegt über 90 %.[1]

4. Pathogenese

Die Mutationen des Nav1.4-Kanals führen zu einer unvollständigen schnellen Inaktivierung nach einer Depolarisation. Dadurch kommt es nach einer Muskelstimulation zur Myotonie.[1]

Bei repetetiver Muskelaktivierung tritt eine dauerhafte Positivierung des Sarkolemm auf ca. -45 mV auf, insbesondere bei vermindertem Kaliumausstrom durch hohes extrazelluläres Kalium (z.B. nach kaliumreicher Kost oder bei starker Muskelarbeit). Diese Dauerdepolarisation führt zur anhaltenden Inaktivierung von funktionstüchtigen Natriumkanälen (des gesunden Allels),[1] es resultiert ein Depolarisationsblock (vgl. Succinylcholin).

5. Klinik

Kennzeichen der hyperPP sind episodenweise Lähmungsattacken. Sie betreffen vornehmlich die Hüft- und Schultermuskulatur, Gesichts- und Atemmuskulatur bleiben typischerweise ausgespart.[5] Teilweise finden sich begleitende Parästhesien, davon abgesehen sind Sensibilitätsstörungen jedoch untypisch.[3]

Auslöser der Episoden sind:[2][3][5]

Die Dauer der Episoden beträgt typischerweise 15 Minuten bis eine Stunde.[2] Oft kann ihre Symptomatik durch Fortsetzung einer vorherigen körperlichen Aktivität abgemildert werden.[5]

Anfänglich kommt es nur selten zu leichten paretischen Episoden. Deren Anzahl und Schwere nimmt jedoch bis zur fünften Lebensdekade zu, danach wieder deutlich ab.[2] Einige Patienten entwickeln jedoch im Verlauf eine progressive Myopathie mit dauerhafter Muskelschwäche.[2][5]

Etwa jeder achte Patient weist außerdem klinisch relevante Myotonien auf. Vornehmlich betroffen ist die mimische Muskulatur, z.B. als Lidschluss-Myotonie. Diese sind permanent auslösbar und milde ausgeprägt.[5]

6. Diagnostik

Bei der körperlichen Untersuchung kann eventuell eine Myotonie beobachtet werden.

Ansonsten sind die Patienten vor allem während einer Episode auffällig. Hier findet sich neben proximal betonten Paresen ein erhöhtes Serumkalium. Anfallsprovokationen zu diagnostischen Zwecken werden jedoch nicht mehr empfohlen.[2]

Im EMG können myotone Entladungen (50 % d.F.) sowie im Verlauf eventuell myopathische Veränderungen zu sehen sein.[5]

Gesichert wird die Diagnose durch molekulargenetischen Nachweis der auslösenden Mutation, z.B. per Sequenzierung des SCN4A-Gens.[6]

7. Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch sind unter anderem zu bedenken:

8. Therapie

Eine kausale Therapie ist derzeit (2024) nicht verfügbar.

In erster Linie gilt es, auslösende Faktoren zu vermeiden und den Kaliumspiegel niedrig zu halten. Empfohlen wird die häufige Aufnahme kohlenhydratreicher, kaliumarmer Mahlzeiten sowie kontinuierliche leichte Muskelarbeit. Intensive Muskeltätigkeit, kaliumreiche Nahrung bzw. Pharmaka, Kälteexposition und Fasten sollen vermieden werden.[2][3]

Auch kaliumsenkende Pharmaka, z.B. Thiazide oder Azetazolamid, können verabreicht werden. Zu Beginn eines Anfalls verabreichtes Salbutamol, was ebenfalls das Serumkalium senkt, kann diesen teilweise unterdrücken.[5] Zur Unterbrechung schwerer Anfälle können Insulin-Glucose-Infusionen oder Calciumgluconat infundiert werden.[3]

9. Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Weber, Hyperkalemic Periodic Paralysis. In: Adam et al. (Hrsg.), GeneReviews. University of Washington, 2021.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Sekhon, Vaqar, Gupta, Hyperkalemic Periodic Paralysis. StatPearls, 2021.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Gehlen et al. (Hrsg.), Neurologie. 12., vollständig überarbeitete Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2010.
  4. Ammar et al., Understanding the physiology of the asymptomatic diaphragm of the M1592V hyperkalemic periodic paralysis mouse. Journal of General Physiology, 2015.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 Vicart, Paralyse, hyperkaliämische periodische. Orphanet, 2010.
  6. Eintrag zu periodischen Paralysen, Internetauftritt des Medizinisch Genetischen Zentrums München. Aufgerufen am 04.09.2024.

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