Diversionskolitis
Englisch: diversion colitis
Definition
Bei der Diversionskolitis handelt es sich um eine unspezifische Entzündungsreaktion der Darmschleimhaut. Sie entsteht im Anschluss an die Anlage eines Ileo- oder Colostomas und ist im aboralen Darmanteil lokalisiert.
Epidemiologie
Die genau Inzidenz der Diversionskolitis ist unbekannt. Histopathologische Studien zeigen Veränderungen der Darmschleimhaut in 70 bis 100 % der Patienten mit Enterostoma, wobei nur 30 bis 40 % der Patienten symptomatisch werden.
Die Prävalenz ist bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) deutlich erhöht, insbesondere im Vergleich zu Patienten, die an einem Malignom oder einer Divertikulitis erkrankt sind.
Pathogenese
Die Diversionskolitis tritt typischerweise in invertierten, aboralen Darmabschnitten nach der operativen Anlage eines Enterostomas auf. Bei den betroffenen Patienten wird meist ein doppelläufiges Stoma (Loop-Stoma) oder ein endständiges Stoma mit gleichzeitigem Verschluss des distalen Kolonsegmentes (Hartmann-Operation) angelegt.
Bedingt durch den Umkehr des physiologischen Fäzestransportes und die Ausleitung der aboralen Schlinge kommt es zu einem Mangel an kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) und anderen wichtigen luminalen Nährstoffen (z.B. Glutamin). Dies bedingt vermutlich eine Veränderung des Metabolismus und des Mikrobioms (reduzierter Anteil anaerober Bakterien bei gleichzeitig höherem Anteil Nitrat-reduzierender Bakterien), was zur Entwicklung der Kolitis beiträgt.
Symptomatik
Trotz einer histopathologisch hohen Prävalenz der Diversionskolitis weisen weniger als 50 % der Symptome auf. Der Zeitpunkt, zu dem sich die Erkrankung manifestiert, ist sehr variabel und kann zwischen 3 und 36 Monaten nach dem chirurgischen Eingriff liegen. Die Symptomatik umfasst transanalen Blut- und/oder Schleimabgang, abdominelle Schmerzen, Völlegefühl und Tenesmen.
In der Mehrzahl der Fälle ist die Symptomatik gering ausgeprägt, kann jedoch in seltenen Fällen mit transfusionspflichtigen Blutungen, Diarrhoe, Sepsis oder tiefen Ulzerationen einhergehen.
Diagnostik
Grundsätzlich ist ein mukös- oder blutig-veränderter Stuhlgang aus dem Stoma bei Patienten mit vorausgehender Anlage eines Enterostomas hinweisgebend. Das Vorliegen einer CED erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung vorliegt. Zur Diagnose der Diversionskolitis müssen jedoch zunächst mögliche Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden. Neben einer ausführlichen Anamnese und laborchemischen Tests (z.B. auf Clostridioides difficile, routinemäßige Stuhlkulturen und Testung auf spezielle Escherichia-coli-Stämme), ist die Endoskopie mit Biopsie der Goldstandard.
Endoskopie
In der Endoskopie zeigt sich eine brüchige, fragile Darmschleimhaut, die bereits bei Insufflation von Luft zu bluten beginnt. Grundsätzlich sind die makroskopischen und mikroskopischen Befunde jedoch unspezifisch (Ulzera, Neutrophileninfiltration, Kryptenabszesse).
Differentialdiagnosen
Therapie
Sofern zuvor die Anlage eines temporären Stomas erfolgte, sollte bei diesen Patienten bevorzugt eine kausale Therapie mit frühzeitiger Stoma-Rückverlagerung angestrebt werden. Bei Patienten mit permanentem Stoma muss hingegen eine symptomatische Therapie mit Einläufen, Suppositorien auf medikamentöser Basis (Glukokortikoide, Mesalazin oder SCFA) erfolgen. Die Ultima ratio ist die chirurgische Resektion des betroffenen Darmabschnittes.
Literatur
- Glotzer et al. Proctitis and colitis following diversion of the fecal stream Gastroenterology 1981
- Ma et al. Diversion colitis: a clinicopathologic study of 21 cases Hum Pathol 1990
- Harig et al. Treatment of diversion colitis with short-chain-fatty acid irrigation The New England journal of medicine 1989
- UpToDate - Diversion Colitis, abgerufen am 02.10.2022
- Koop, Gastroenterologie compact, 2. Auflage, Thieme, 2009
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