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Diphyllobothriasis

Synonym: Bothriocephalose

1. Definition

Die Diphyllobothriasis ist eine durch Infektion mit Bandwürmern der Familie Diphyllobothriidae hervorgerufene Parasitose.

2. Epidemiologie

Eine Diphyllobothriasis kann in jeder Altersgruppe sowie bei beiden Geschlechtern auftreten. Am häufigsten sind Männer mittleren Alters betroffen. Es wird geschätzt, dass ungefähr 20 Millionen Menschen mit Diphyllobothrium latum infiziert sind.

Die Diphyllobothriasis kommt weltweit vor. Die meisten Fälle sind in der paläarktischen Region und einigen Teilen Nordamerikas beschrieben, wobei auch Fälle aus Südamerika (v.a. an der Pazifikküste) bekannt sind. In Westeuropa, insbesondere in den ehemaligen baltischen Endemiegebieten sowie in Polen, Rumänien und Skandinavien ist die Prävalenz deutlich rückläufig. In Finnland liegt die Inzidenz bei ca. 20 Fällen pro Jahr. In Afrika und Australien sind bisher keine Infektionen beschrieben.

3. Erreger

Eine Diphyllobothriasis entsteht durch die Aufnahme von Larvenformen der Bandwürmer. Der häufigste Erreger ist Diphyllobothrium latum (Fischbandwurm). Er kommt insbesondere in Skandinavien, Nordamerika und Asien vor und wird über kontaminierte Süßwasserfische übertragen.

Zunehmend führen auch andere Diphyllobothriidae-Arten zu einer Diphyllobothriasis, bei denen auch anadrome sowie Salzwasserfische als Reservoir dienen. Dazu zählen z.B.:

3.1. Lebenszyklus

3.1.1. Erster Zwischenwirt

Der adulte Wurm von Diphyllobothrium latum ist mit bis zu 25 Metern (durchschnittlich 3-12 Metern) der längste Bandwurm. Er heftet sich über Saugnäpfe am Scolex an die Mukosa des Ileums und gelegentlich des Jejunums. Der Wurm besitzt ca. 3.000-4.000 Proglottiden, die ungefähr 1 Million Eier täglich mit dem Stuhl abgeben. Wenn die Eier ins Wasser gelangen, entwickeln sich Onkosphären im Ei. Die Onkosphäre wird anschließend von einer äußeren Hülle bedeckt, die Flimmerhärchen enthält und als Coracidium bezeichnet wird. Das Coracidium schlüpft im Wasser aus dem Ei und wird zu einem freischwimmenden Larvenstadium, das von Arthropoden (v.a. Krebse der Unterklasse Copepoda) gefressen wird. Innerhalb der Copepoden (erster Zwischenwirt) entwickelt sich das zweite Larvenstadium. Dieses Prozerkoid enthält sechs Haken, mit denen es sich an die Darmwand verankert.

3.1.2. Zweiter Zwischenwirt

Nach Verzehr des infizierten Krustentiers durch Fische (zweiter Zwischenwirt) können die Prozerkoid-Larven freigesetzt werden. Sie wandern in das Gewebe, um sich zum dritten Larvenstadium (Plerozerkoid) zu entwickeln. Dabei können die Plerozerkoide in fast allen Organen vorkommen, insbesondere in den Muskeln. Zweite Zwischenwirte können sowohl Süßwasser- und Salzwasser- als auch anadrome Fische darstellen.

3.1.3. Endwirt

Wenn die infizierten Fische in rohem bzw. geräuchertem Zustand (z.B. als Capaccio, Tartar, Ceviche oder Sushi) vom Menschen (Endwirt) verzehrt werden, entwickelt sich das Plerozerkoid innerhalb von 3-5 Wochen zum adulten Bandwurm, der dann im Darm lebt. Neben dem Menschen stellen auch andere Säugetiere sowie Vögel Endwirte von Diphyllobothrien dar.

Süßwasser
Spezies Endwirt zweiter Zwischenwirt Verbreitung
Diphyllobothrium dalliae Hunde, Polarfuchs, selten Menschen Dallia pectoralis, Dolly-Varden-Forelle Nordamerika (Alaska)
Diphyllobothrium dendriticum Vögel (v.a. Möven), Säugetiere (incl. Mensch) Lachsartige (incl. Lachsfische und Renken) Nordeuropa
Diphyllobothrium latum Menschen, Säugetiere Hecht, Barsch, Quappe, Seesaibling, Kaulbarsch, Zander Europa, Nordamerika, Asien
Anadrome Fische
Spezies Endwirt zweiter Zwischenwirt Verbreitung
Diphyllobothrium alascense Hunde, selten Menschen Quappe, Regenbogenstint Nordamerika (Alaska)
Diphyllobothrium nihonkaiense Braunbären, Menschen Masu-Lachs, Ketalachs, Rotlachs, Buckellachs, Sachalin-Taimen Nordpazifik (Japan, Russland, Kanada)
Diphyllobothrium ursi Bären, selten Menschen unklar Nordamerika (Alaska)
Salzwasserfische
Spezies Endwirt zweiter Zwischenwirt Verbreitung Fälle beim Menschen
Diphyllobothrium cameroni Hawaii-Mönchsrobben, selten Menschen Unklar Pazifik  Japan
Diphyllobothrium cordatum Sattelrobben, Walrosse, selten Hunde und Menschen Unklar Polarregion Griechenland
Diphyllobothrium hians Sattelrobben, selten Menschen Unklar Polarregion  Japan
Diphyllobothrium lanceolatum Robben, selten Hunde und Menschen Coregonus sardinella Polarregion Alaska
Diphyllobothrium orcini Killerwale, selten Menschen Unklar Pazifik Japan
Diphyllobothrium pacificum Seelöwen, Ohrenrobben, selten Menschen Kreuzwelse, Stachelmakrelen, Goldmakrelen, Seehechte, Bartmännchen, Umberfische, Thunfische, Paralonchurus peruanus, Sciaena deliciosa, Cilus gilberti, Trachurus murphyi Pazifik, Südamerika, Japan Südamerika, Japan
Diphyllobothrium scoticum Seeleoparden, Mähnenrobben, selten Menschen Unklar Polarregion Japan
Diphyllobothrium stemmacephalum Gewöhnliche Schweinswale, Tümmler, selten Menschen Unklar Polarregion Japan, Südkorea
Diplogonoporus balaenopterae Wale, selten Menschen Engraulis japonicus, Sardinops melanostictus Polarregion Japan, Südkorea, Spanien

4. Klinik

Die meisten Fälle von Diphyllobothriasis verlaufen asymptomatisch. In ungefähr 20 % d.F. kann es zu Müdigkeit, Bauchschmerzen, Diarrhö, Erbrechen oder Gewichtsverlust kommen. Gelegentlich kann die Infektion zu akuten Bauchschmerzen und einem Ileus führen. Selten verursachen wandernde Proglottiden eine Cholangitis oder Cholezystitis.

Der Bandwurm nimmt ca. 80 % des nutritiven Vitamin B12 auf und behindert die Absorption im Ileum. Ungefähr 40 % der Patienten zeigen niedrige Vitaminspiegel, aber nur 2 % entwickeln eine megaloblastäre bzw. eine Vitamin-B12-Mangelanämie. Als Komplikation kann eine funikuläre Myelose entstehen.

5. Diagnostik

Die Diphyllobothriasis kann über den Nachweis der Eier im Stuhl gestellt werden, die i.d.R. ab 15-45 Tage post infectionem auftreten. Diese haben eine einschichtige Schale mit einem Operculum sowie einer gegenüberliegenden Vorwölbung. Mit Hilfe von molekularbiologischen Methoden können die einzelnen Arten identifiziert werden, was für epidemiologische Studien relevant ist. Im Blut kann neben einer Anämie auch eine Eosinophilie auffallen.

6. Therapie

Die Diphyllobothriasis wird mit Praziquantel (25 mg/kgKG Einmaldosis) behandelt. Alternativ kann Niclosamid (2 g Einmaldosis) verabreicht werden. Bei einem Vitamin-B12-Mangel erfolgt eine Substitution mit parenteralem Vitamin B12.

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

7. Prävention

Kläranlagen und sanitäre Einrichtungen sind die wirksamsten sanitären Maßnahmen zur Vermeidung einer Wasserkontamination. Die beste Prophylaxe der Diphyllobothriasis ist das Vermeiden des Verzehrs von rohem, geräuchertem oder eingelegtem Fisch. Optimalerweise sollte der Fisch bei 55 °C für 5 Minuten gegart sein oder für 24-48 Stunden bei -20 °C eingefroren werden. Das Salzen von Fisch in 12%iger NaCl-Lösung führt ebenfalls zu einer verringerten Infektiosität, kann aber je nach Größe des Fisches und der verwendeten Salzmenge mehrere Tage oder Wochen dauern.

8. Literatur

Stichworte: Fischbandwurm, Parasitose
Fachgebiete: Parasitologie

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