Atypisches Antidepressivum
Englisch: atypical antidepressant
Definition
Die Bezeichnung atypische Antidepressiva wird für eine heterogene Gruppe von Antidepressiva verwendet, die keiner der klassischen Wirkstoffgruppen (z.B. SSRIs, trizyklische Antidepressiva, MAO-Hemmer) zugeordnet werden können.
Klassifikation
Die Bezeichnung "atypisches Antidepressivum" wird in der Literatur uneinheitlich verwendet. Aktuelle Standards (2025) teilen Antidepressiva anhand des ATC-Klassifikationssystems oder mittels der Neuroscience-based Nomenclature (NbN) ein.
siehe Hauptartikel: Antidepressivum
Wirkmechanismus
Die Wirkmechanismen atypischer Antidepressiva variieren je nach Substanz:
- Bupropion: Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI)
- Mirtazapin: Antagonismus an präsynaptischen α2-Adrenozeptoren sowie an 5-HT2- und 5-HT3-Rezeptoren; führt zu erhöhter noradrenerger und serotonerger Neurotransmission
- Trazodon: Serotonin-Antagonist und -Wiederaufnahmehemmer (SARI), wirkt zusätzlich sedierend durch Histamin-H1-Antagonismus
- Agomelatin: Agonist an Melatonin-Rezeptoren MT1 und MT2 sowie Antagonist am 5-HT2C-Rezeptor
- Vortioxetin: Multimodales Antidepressivum mit Hemmung der Serotonin-Wiederaufnahme und partieller Agonist/Antagonist an verschiedenen Serotoninrezeptoren
Indikationen
Atypische Antidepressiva werden eingesetzt bei:
- Major Depression (leichte bis schwere Episoden, je nach Substanz)
- depressiven Episoden mit ausgeprägter Schlafstörung (z.B. Mirtazapin, Trazodon)
- Nikotinabhängigkeit (Bupropion)
- generalisierter Angststörung (teilweise Agomelatin, Off-Label)
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungsprofile sind substanzspezifisch:
- Bupropion: Erhöhtes Risiko für Krampfanfälle, Appetithemmung
- Mirtazapin: Sedierung, Gewichtszunahme
- Trazodon: Sedierung, orthostatische Hypotonie, Priapismus (selten)
- Agomelatin: Hepatotoxizität (Leberwertkontrollen erforderlich)
- Vortioxetin: Übelkeit, Kopfschmerzen, geringe sexuelle Dysfunktion im Vergleich zu SSRIs
Besonderheiten
Atypische Antidepressiva gelten insbesondere bei Patienten mit Schlafstörungen oder Gewichtsminderung als vorteilhaft, da einige Substanzen (v.a. Mirtazapin, Trazodon) sedierende und appetitsteigernde Effekte besitzen. Ihre Kombinationseffekte an verschiedenen Rezeptoren unterscheiden sie pharmakologisch von klassischen Antidepressiva.