Aplasie der roten Blutkörperchen
Synonym: Isolierte aplastische Anämie, Erythroblastopenie, isolierte Aplasie der Erythropoese
Englisch: Pure red cell aplasia, PRCA
Definition
Bei der Aplasie der roten Blutkörperchen, kurz PRCA, handelt es sich um eine Form der Anämie, die durch Zerstörung, Hemmung oder fehlende Neubildung der Erythroblasten im Knochenmark entsteht.
Einteilung
Eine PRCA kann sowohl angeboren als auch erworben sein.
Hereditäre PRCA
Die hereditäre PRCA wird auch als Blackfan-Diamond-Syndrom bezeichnet. Sie manifestiert sich im Säuglingsalter mit einer schweren Anämie und vielfältigen körperlichen Fehlbildungen.
Erworbene PRCA
Akute Verlaufsform
Die akut auftretende PRCA betrifft meist Kinder. Als Ursache kommen insbesondere Virusinfekte (insbesondere Parvovirus B19) und Medikamente in Frage. Die selbstlimitierende Form wird auch als transiente Erythroblastopenie im Kindesalter bezeichnet. Bei Patienten mit bestehender hämolytischen Anämie kann es durch die genannten Faktoren auch zur transienten aplastischen Krise kommen. Eine weitere Ursache kann die Induktion von neutralisierenden Antikörper nach Gabe von Erythropoetin sein. In vielen Fällen lässt sich jedoch keine Ursache finden (idiopathische PRCA).
Chronische Verlaufsform
Eine chronische PRCA tritt meist bei Erwachsenen auf. Bei einem Teil der Patienten kann ein Malignom gefunden werden. Eine weitere Ursache sind Autoimmunerkrankungen. Jedoch lässt sich auch bei der chronischen PRCA in vielen Fällen keine Ursache finden (idiopathische PRCA).
Ätiologie
- Hereditär: unbekannt
- Erworben:
- Malignom: Thymom, T-Zell-LGL-Leukämie, CLL, paraneoplastisch
- Autoimmunerkrankungen: SLE, juvenile rheumatoide Arthritis, rheumatoide Arthritis, autoimmunes polyendokrines Syndrom
- Viral bedingt: Parvovirus B19, Hepatitisviren, HTLV-1, EBV, HIV
- Medikamente: Phenytoin, Azathioprin, Chloramphenicol, Procainamid, Isoniazid
- Idiopathisch
Pathophysiologie
Die zugrunde liegenden Mechanismen unterscheiden sich je nach Ursache. In den meisten Fällen wird eine Antikörper-vermittelte Autoimmunreaktion gegen erythrozytäre Vorläuferzellen sowie eine Hemmung der Erythropoese durch T-Zellen vermutet.
Eine Infektion mit dem Parvovirus B19 kann zu Immunkomplexablagerungen führen, die sich bei Kindern als Ringelröteln, bei Erwachsenen als Polyarthralgien manifestieren. Das Virus nutzt das Erythrozyten-P-Antigen als Rezeptor für den Eintritt in die Zelle. Die direkte Zytotoxizität des Virus mit vorübergehender Einschränkung der Erythropoese macht sich bei gesunden Personen klinisch nicht bemerkbar. Bei Patienten mit vorbestehender Hämolyse oder anderen vorbestehenden Erkrankungen, die zur gesteigerten Erythropoese führen, kann eine Parvovirusinfektion eine vorübergehende aplastische Krise auslösen. Bei Immunschwäche kann das Virus persistieren. Dann zeigen sich Riesenproerythroblasten im Knochenmark.
Diagnostik
Die PRCA ist gekennzeichnet durch:
- Hyporegeneratorische Anämie: Meist normochrome und normozytäre Erythrozyten, bei Blackfan-Diamond-Syndrom makrozytäre Ovalozyten.
- Retikulozytopenie
- Fehlen oder starke Verminderung von erythrozytären Vorläuferzellen im Knochenmark
Mittels Anamnese, körperlicher Untersuchung und routinemäßig durchgeführter Labordiagnostik können sich Hinweise auf eine Grunderkrankung oder Exposition gegenüber einem Medikament ergeben. Über den Nachweis viraler DNA im Blut ergibt sich die Diagnose einer Parvovirus B19-Infektion. Die weitere Diagnositk umfasst unter anderem eine Knochenmarkbiopsie sowie eine Malignomsuche (z.B. Röntgenuntersuchung zum Ausschluss eines Thymoms)
Therapie
Die Blackfan-Diamond-Anämie spricht gut auf Glukokortikoide an und kann durch eine Stammzelltransplantation geheilt werden.
Bei einer akuten, transienten PRCA kann die spontane Regeneration in der Regel innerhalb eines Monats abgewartet werden. Bei chronischer PRCA sollte die Grunderkrankung therapiert werden (z.B. Thymomresektion, Lymphomtherapie). Neben supportiver Therapie mit Bluttransfusionen sprechen die meisten Patienten mit erworbener PRCA gut auf Immunsuppressiva an. Eingesetzt werden zum Beispiel Ciclosporin, Prednisolon, Azathioprin und Cyclophosphamid.