Aorteninsuffizienz (Hund)
Synonyme: Aortenklappeninsuffizienz, AI
Englisch: aortic regurgitation, aortic insufficiency, AR
Definition
Als Aorteninsuffizienz des Hundes, kurz AI, bezeichnet man eine Herzerkrankung, die durch einen insuffizienten Schluss der Aortenklappe (Valva aortae) gekennzeichnet ist.
Vorkommen
Eine primäre Aorteninsuffizienz ohne gleichzeitige Aortenstenose ist sehr selten und klinisch kaum relevant. Eine Rassedisposition für eine Aorteninsuffizienz ohne gleichzeitige Aortenstenose ist nicht bekannt. Bei Riesenrassen (z.B. Irish Wolfhound, Deutsche Dogge und Neufundländer) hingegen kommen primäre Insuffizienzen auch ohne gleichzeitige Aortenstenose vor.
Ätiologie
Die Mehrheit aller Aorteninsuffizienzen sind erworben.
Ein großer Teil aller Patienten mit kongenitaler Aortenstenose weist gleichzeitig auch eine Aorteninsuffizienz auf. Unter einer subvalvulären Aortenstenose kann sich im weiteren Krankheitsverlauf auch eine Aorteninsuffizienz entwickeln (erworbene Aorteninsuffizienz). Bei vielen Hunden nimmt dabei die Schwere der Insuffizienz im Laufe des Lebens zu.
Aorteninsuffizienzen können auch im Zusammenhang mit einem perimembranösen Ventrikelseptumdefekt (VSD) beobachtet werden oder infolge einer Endokarditis entstehen.
Pathogenese
Aufgrund hoher Geschwindigkeiten und Turbulenzen des Blutflusses kommt es bei einer Aortenstenose zu einer zunehmenden mechanischen Beanspruchung des Stützgewebes des Herzens. In weiterer Folge werden die Oberflächen der Semilunarklappen (Taschenklappen) geschädigt. Dadurch wird die Klappenstatik verändert und es bilden sich Auflagerungen an der Oberfläche. Beide Prozesse fördern eine zunehmende Insuffizienz der Aortenklappe.
Parallel dazu können auch Erkrankungen, die zu einer massiven systemischen Hypertonie führen, die Aortenklappen mechanisch überbeanspruchen. Ebenso kommt es im Rahmen einer Endokarditis zu einer vegetativen Aortenklappenverdickung. Diese Verdickungen treten in Form von kleinen Knötchen oder auch als blumenkohlartige Zubildungen auf den Klappen in Erscheinung und führen zu einer Aorteninsuffizienz.
In seltenen Fällen schädigt auch ein nahe der Herzbasis gelegener Ventrikelseptumdefekt die Statik des Aortenringes. Durch die Schädigung wird der diastolische Schluss der Aortenklappe behindert. Die septale Klappe wird dabei meist in Richtung des rechten Ventrikels gedrückt, sodass es zu einer Insuffizienz kommt.
Pathophysiologie
Bei einer Aorteninsuffizienz kommt es während der Diastole zum Rückfluss von Blut aus der Aorta in den linken Ventrikel. Allerdings ist nicht jede Aorteninsuffizienz hämodynamisch relevant. Erst wenn ein gewisser Schwellenwert erreicht ist, entsteht aufgrund der Regurgitation eine Volumenüberlastung des linken Ventrikels, sodass es zu einer Erhöhung des diastolischen Wanddrucks und damit zu einer gesteigerten Vorlast kommt. Sie triggert eine exzentrische Hypertrophie des Kammermyokards.
Hunde, die gleichzeitig an einer Aortenstenose leiden, entwickeln parallel eine konzentrische Hypertrophie. Die exzentrische Hypertrophie des Kammermyokards ist jedoch erst dann erkennbar, wenn die Volumenüberladung die Drucküberlastung übersteigt. Erreicht die Insuffizienz einen signifikanten Schweregrad, kommt es infolge der Volumenüberladung zu einer Dilatation des linken Ventrikels. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Hunde in ihren ersten Lebensjahren zunächst eine klassische konzentrische Hypertrophie aufweisen und erst im späteren Krankheitsverlauf eine schwere Dilatation des linken Ventrikels mit Kongestion von linkem Vorhof und Lunge zeigen. Bei diesen Tieren kann das Herz fast Ausmaße wie bei einer dilatativen Kardiomyopathie (DCM) annehmen.
Klinik
Hämodynamisch relevante Aorteninsuffizienzen ähneln klinisch einer Mitralinsuffizienz oder einer dilatativen Kardiomyopathie. Das klinische Bild wird dabei vom volumenüberladenen Ventrikel und in weiterer Folge auch vom dilatierten Vorhof geprägt. Die Kongestionen in der Lunge führen zu Husten, Würgen und Kurzatmigkeit. Durch Tachykardien und Myokardversagen kommt es gleichzeitig zu einer signifikanten Leistungsschwäche.
In extremen Fällen sind auch Synkopen möglich.
Differentialdiagnosen
Als Differentialdiagnosen kommen in Betracht:
- Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA)
- Ventrikelseptumdefekt in Kombination mit einer Aorteninsuffizienz
- Mitralinsuffizienz
- Dilatative Kardiomyopathie
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Klinik und der klinischen Untersuchung. Bei der Auskultation kann bei hochgradigen Insuffizienzen ein diastolisches Decrescendo-Geräusch (Diastolikum) festgestellt werden.
Die Röntgenuntersuchung in laterolateraler Aufnahme zeigt bei einer schweren Aorteninsuffizienz eine Volumenüberladung mit typischen Anzeichen einer Linksherzvergrößerung. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt mittels Echokardiographie.
Therapie
Eine Therapie ist nur bei einer klinisch relevanten Volumenüberladung des linken Herzens indiziert. In diesem Fall wird das übliche Behandlungsschma linksseitiger Volumenüberladungserkrankungen angewendet:
Prognose
Die Prognose hängt vom Schweregrad der Aorteninsuffizienz ab. Leichte bis mittelgradige Fälle zeigen eine gute Prognose, während schwere Formen in Kombination mit einer linksatrialen Dilatation und Lungenkongestion eine schlechte Prognose aufweisen.
Literatur
- Kresken J-G, Wendt RT, Modler P. 2019. Praxis der Kardiologie Hund und Katze. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-242994-9
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3
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