Alternatives Spleißen
Synonym: alternatives Splicing
Englisch: alternative splicing
Definition
Das alternative Spleißen ist ein molekularer Mechanismus im Rahmen der Transkription bei Eukaryoten. Dabei können durch Variationen im Spleißen aus derselben hnRNA verschiedene reife mRNAs und durch deren Translation auch unterschiedliche Proteine gebildet werden.
Hintergrund
Eukaryotische Gene bestehen aus kodierenden und nicht kodierenden Abschnitten, sogenannten Exons und Introns. Bei der Transkription wird zunächst die hnRNA gebildet, die sowohl Exons als auch Introns enthält. Im Zellkern finden daraufhin verschiedene RNA-Prozessierungsschritte statt. Beim Spleißen werden die Introns aus dem Transkript entfernt und die Exons miteinander zu einem durchgehenden Strang verknüpft. Dieser Prozess wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, wobei durch unterschiedliche Verknüpfung der Exons mehrere Varianten gebildet werden.
Vorkommen
Alternatives Spleißen tritt bei mehr als 95 % der Gene beim Menschen auf und trägt somit entscheidend zur Komplexität des resultierenden Transkriptoms und Proteoms bei. Dabei treten unterschiedliche Spleißvarianten oft gewebsspezifisch auf, oder sind auf bestimmte Entwicklungsstadien beschränkt.
Regulation
Das Spleißen wird durch regulatorische Proteine gesteuert, die analog zu den Transkriptionsfaktoren als Repressoren und Aktivatoren bezeichnet werden. Die Repressoren werden durch die hnRNPs ("heterogeneous nuclear ribonucleoproteins") gestellt, die Aktivatoren zählen zur Familie der SR-Proteine ("serine/arginine-rich proteins"). Diese Proteine binden an bestimmte Abschnitte auf der RNA, sogenannte Silencer oder Enhancer. Die Wirkung eines Proteins ist dabei abhängig vom Sequenzkontext, entsprechend kann dasselbe Protein in einigen Fällen als Aktivator und in anderen Fällen als Repressor fungieren.
Zudem spielt die Sekundärstruktur der hnRNA eine Rolle, da sie die Zugänglichkeit der Sequenz für RNA-bindende Proteine entscheidend mitbestimmt.
Typen
Als konstitutives Spleißen wird die Aneinanderheftung aller Exons in der Reihenfolge, in der sie im Gen erscheinen, bezeichnet. Davon abzugrenzen sind verschiedene Typen des alternativen Spleißens:
- Exonskipping
- alternative 3'- und 5'-Spleißstellen
- einander ausschließende Exon (engl. mutally exclusive exons)
- Intronretention
Die Intronretention ist hierbei ein Sonderfall. Sie wird in der Regel durch Mutationen im Bereich der Spleißstellen ausgelöst und führt zu einem nicht-funktionellen Protein.
Funktion
Das alternative Spleißen stellt eine evolutiv besonders bedeutende Entwicklung bei den Eukaryonten dar, durch welche die Informationsdichte der DNA erheblich erhöht wird. Dadurch können aus einem Gen in Abhängigkeit von Gewebe, Entwicklungsstadium oder Aktivierung bestimmter Signalwege die entsprechenden Proteine mit teils unterschiedlicher Funktionalität synthetisiert werden.
Ein Beispiel dafür ist Titin: dieses liegt während der fetalen Herzentwicklung vorwiegend in einer langen Isoform vor, beim Erwachsenen finden sich kürzere Varianten. Die Länge ist entscheidend für die Flexibilität des Proteins und hat Implikationen für die Kontraktilität des Herzens.
Kommt es durch das Spleißen zum Einfügen eines vorzeitigen Stopcodons ("premature termination codon"). induziert dies den Nonsense-mediated mRNA Decay (NMD). Dadurch wird die Expression verkürzter und fragmentierter Proteine verhindert.
Implikationen
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein durch alternatives Splicing neu entstandenes Protein funktionsfähig ist, ist höher als bei einem durch Mutation der codierenden DNA-Sequenz entstandenen neuen Protein. Jedes auf diese Weise im Rahmen der Evolution entstehende Protein enthält zumindest mehrere bereits in anderen Proteinen funktionierende Aminosäuresequenzen.
Durch alternatives Splicing wird die Anpassung von Eukaryonten an veränderte Lebensbedingungen erleichtert und beschleunigt. Dies könnte ein entscheidender Schritt für die Evolution von mehrzelligen Lebewesen mit längerer Generationsdauer gewesen sein. Während bei Bakterien zwischen zwei Generationen oft weniger als eine Stunde vergeht, kann diese Zeit bei Eukaryonten (Beispiel Mensch) auf mehrere Jahrzehnte anwachsen. Ohne einen entsprechenden Mechanismus für effizientere Mutationen wären Eukaryonten kaum fähig gewesen, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.
Auch für das Verständnis der Molekulargenetik insgesamt ist das alternative Spleißen bedeutsam:
- Die Entdeckung des alternativen Spleißens bedeutet, dass die ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese für Eukaryoten nicht zutrifft.
- Vererbbare Veränderungen des Phänotyps müssen nicht auf einer Mutation des kodierenden Genbereichs beruhen. Sie können auch durch veränderte Regulation des Spleißen hervorgerufen werden.
siehe auch: Spleißmutation
Quellen
- Technology Networks - Alternative Splicing: Importance and Definition, abgerufen am 23.06.2022
- Wang et al. Mechanism of alternative splicing and its regulation (Review) Biomed Rep 2015
- Tabrez et al. alternative splicing coupled to nonsense-mediated decay of mRNA ensures dietary restriction-induced longevity Nat Commun 2017
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