ATP-sensitiver Kaliumkanal
Synonym: KATP-Kanal
Definition
Der ATP-sensitive Kaliumkanal, kurz KATP-Kanal, ist ein selektiv-permeabler Kaliumkanal, der sich bei sinkenden intrazellulären ATP-Konzentrationen öffnet und bei steigenden ATP-Konzentrationen schließt. Er kommt in der Zellmembran, aber auch in subzellulären Membranen vor.
Struktur
KATP-Kanäle sind Oktamere aus 2 x 4 Untereinheiten, die in zwei Ringen angeordnet sind. Der äußere Ring besteht aus vier identischen SUR-Untereinheiten. SUR steht für "sulfonylurea receptor" (Sulfonylharnstoffrezeptor). Der innere Ring, der die zentrale Pore formt, setzt sich aus vier kleineren, identischen Untereinheiten, Kir6.1 oder Kir6.2, zusammen. "ir" bedeutet "inward-rectifier", d.h. dass durch diesen Kanaltyp positive Ladungen leichter in die Zelle gelangen, als aus ihr heraus.
Vorkommen
ATP-sensitive Kaliumkanäle kommen in vielen verschiedenen Zelltypen vor und unterscheiden sich dabei in der Zusammensetzung ihrer Untereinheiten. Zum einen gibt es KATP-Kanäle, die in der Plasmamembran von Betazellen des Pankreas, Kardiomyozyten und Gliazellen des Zentralen Nervensystems vorkommen. Zum anderen existieren sogenannte mitochondriale (mitoKATP), sarkolemmale (sarcKATP) und nukleäre (nucKATP) KATP-Kanäle, die man u.a. in glatten und Herzmuskelzellen findet.
Funktion
Im Allgemeinen fungieren ATP-sensitive Kaliumkanäle als Sensoren des Zellmetabolismus. Sobald die Zelle nicht mehr ausreichend mit Energie versorgt wird, z.B. durch ungenügende Glucosezufuhr oder Hypoxie, sinkt die ATP-Konzentration. Dies führt zu einer Konformationsänderung der Kanalproteine. Der Kanal öffnet sich und die intrazelluläre Kaliumkonzentration sinkt. Dies führt zur Ausbildung eines negativen Ruhemembranpotentials und hat je nach Gewebe weitere Signalkaskaden zur Folge.
Hypoxische Vasodilatation
Die ATP-sensitiven Kaliumkanäle nehmen eine regulierende Rolle bei der hypoxischen Vasodilatation ein. Die Kanäle werden durch ATP gehemmt, das nur dann vorliegt, wenn eine adäquate Sauerstoffversorgung der Gefäßmuskelzelle gewährleistet ist. Fällt diese weg, verschiebt sich das ADP/ATP-Verhältnis zu Gunsten von ADP. Grund dafür ist, dass ohne Sauerstoff die Atmungskette zum Erliegen kommt. Die KATP-Kanäle sind folglich enthemmt und es kommt zu einem Kaliumausstrom aus der Zelle.
Die Zelle hyperpolarisiert, was wiederum dafür sorgt, dass die membranständigen spannungsabhängigen L-Typ-Calciumkanäle weniger Calcium in die Zelle passieren lassen. Es kommt folglich zu einer sog. Calcium-Desensitivierung und das Gefäß dilatiert, wodurch sich die Sauerstoffversorgung im nachfolgenden Gefäßabschnitt verbessert.
Kardioprotektion
Bei hypoxischen Zuständen in den Kardiomyozyten öffnen sich die KATP-Kanäle, was zu einer Verkürzung des Aktionspotentials und seiner Plateauphase führt. Dies hat zur Folge, dass die spannungsabhängigen Calciumkanäle weniger lang geöffnet sind und somit der Calciumeinstrom in die Zelle verringert ist. Die Kontraktion des Myokards ist herabgesetzt und es wird Sauerstoff eingespart.
Weiterhin führt die erhöhte extrazelluläre Kaliumkonzentration zu einer Erregung freier Nervenendigungen im Myokard, was die typischen Angina-Pectoris-Schmerzen erklärt.
Auch eine gewisse Präkonditionierung des Myokards wird mit der Öffnung der KATP-Kanäle assoziiert. Nach kurzen Phasen der Ischämie und Reperfusion konnte man beobachten, dass sich die myokardiale Funktion verbessert und ausgedehnte Nekrosen reduziert werden.
Insulinsekretion
Auch bei der glucoseinduzierten Insulinsekretion spielen die ATP-sensitiven Kaliumkanäle eine Rolle. Sobald eine Betazelle des Pankreas Glucose aufnimmt und dadurch vermehrt ATP entsteht, bindet das ATP an den KATP-Kanal, welcher sich dann schließt. Dadurch depolarisiert die Zelle und spannungsabhängige Calciumkanäle werden geöffnet. Durch den Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration verschmelzen die Insulin-gefüllten Vesikel mit der Plasmamembran, sodass Insulin in das Blut sezerniert wird.
Funktion im ZNS
KATP-Kanäle kommen in den Plasmamembranen von Oligodendrozyten, Astrozyten, Bergmann-Zellen und Neuronen des Hypothalamus vor. Ihre Funktion ist aktuell (2020) noch nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass die Kanäle durch das sogenannte "spatial buffering" daran beteiligt sind, die axonale Reizweiterleitung aufrechtzuerhalten.
Klinik
Sulfonylharnstoffe können an die SUR-Untereinheit der KATP-Kanäle binden und diese blockieren. Dadurch wird quasi eine hohe Energieversorgung der Zelle vorgetäuscht und die Insulinsekretion gesteigert.
Im Rahmen des angeborenen, neonatalen Diabetes mellitus spielen aktivierende Mutationen der Gene für den KATP-Kanal eine wichtige Rolle. In etwa 12 % der Fälle lassen sich Mutationen im Gen ABCC8, der für die SUR1-Untereinheit des Kanals codiert, nachweisen. Mutationen im Kir6.2-codierenden Gen KCNJ11 sind in 35-58 % der Fälle die Ursache des angeborenen, neonatalen Diabetes mellitus. Sulfonylharnstoffe stellen in diesen Fällen eine erfolgversprechende Therapie dar.
Im Zusammenhang mit der familiären hyperinsulinämischen Hypoglykämie konnten inaktivierende Mutationen im Gen ABCC8 nachgewiesen werden.