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Rückenschmerzen

(Weitergeleitet von Rückenschmerz)

Synonym: Dorsalgie
Englisch: back pain

1. Definition

Als Rückenschmerzen bezeichnet man Schmerzen, die im Bereich des Rückens bzw. der Wirbelsäule auftreten. Sie können von den Knochen, Muskeln, Nerven und anderen Strukturen des Rückens ausgehen, oder dorthin projiziert werden.

2. Epidemiologie

Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Schmerzerlebnis. Die Lebenszeitprävalenz in Deutschland von akuten Rückenschmerzen liegt bei etwa 70 bis 80 %. Die Prävalenz chronischer Rückenschmerzen in der Allgemeinbevölkerung wird mit etwa 10 bis 21% angegeben.

3. Einteilung

3.1. …nach Dauer

  • akut: < 6 Wochen
  • subakut: 6 - 12 Wochen
  • chronisch: > 12 Wochen
  • rezidivierend: Schmerzepisoden, die nach einer symptomfreien Phase von mindestens 6 Monaten wieder akut auftreten

3.2. …nach Lokalisation

3.3. …nach Ausstrahlung

  • Radikuläre Ausstrahlung: Die Schmerzen beginnen im Bereich der Wirbelsäule und strahlen entlang des Dermatoms eines oder mehrerer Spinalnerven in Arm oder Bein aus. Kombination mit sensiblen oder motorischen Ausfällen des betroffenen Spinalnerven sind möglich.
  • Pseudoradikuläre Ausstrahlung: Die Schmerzen beginnen im Bereich der Wirbelsäule und strahlen in Arm oder Bein aus, sind aber keinem Dermatom genau zuzuordnen. Leichte sensible Störungen sind möglich. Paresen treten nicht auf.

3.4. …nach Ätiologie

3.4.1. Unspezifische Rückenschmerzen

Bei unspezifischen Rückenschmerzen lässt sich keine eindeutige Ursache erkennen. In der Regel sind sie muskulär bzw. myofaszial bedingt und bilden sich teilweise oder vollständig innerhalb von Tagen bis Wochen zurück. Eine Ausstrahlung ins Gesäß, in den Nacken oder in die Arme ist möglich. Eine Bildgebung ist nicht indiziert. Psychosoziale Risikofaktoren, sogenannte Yellow Flags, können das Risiko für eine Chronifizierung erhöhen.

3.4.2. Spezifische Rückenschmerzen

Bei spezifischen Rückenschmerzen besteht eine feststellbare somatische Ursache, deren Therapie die Symptomatik positiv beeinflussen kann, z.B. ein Bandscheibenprolaps, Frakturen oder Infektionen.

3.5. …nach Verlauf

3.5.1. Unkomplizierte Rückenschmerzen

Unkomplizierte Rückenschmerzen haben keine radikuläre Ausstrahlung und werden nicht von neurologischen Ausfällen begleitet. Der bei gutem Allgemeinzustand. Sie haben eine gute Rückbildungstendenz.

3.5.2. Komplizierte Rückenschmerzen

Komplizierte Rückenschmerzen sprechen nicht auf konservative Therapiemaßmahmen an und zeigen keine Rückbildungstendenz. Sie gehen mit radikulärer Ausstrahlung und neurologischen Symptomen einher. Warnhinweise ("Red Flags"), dass es sich um komplizierte Rückenschmerzen handelt, sind:

4. Ursachen

Die Ursachen für Rückenschmerzen sind vielfältig. Häufigste Ursachen sind alltagsbedingte Fehlhaltungen in Zusammenhang mit Übergewicht, mangelndem Training der Rückenmuskulatur und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Nach der Lokalisation der auslösenden Ursache – von der Wirbelsäule (vertebragen) oder von anderen Orten (extravertebragen) ausgehend – unterscheidet man:

4.1. Vertebragene Ursachen

4.2. Extravertebragene Ursachen

5. Klinische Syndrome

Die häufigste Form von Rückenschmerzen sind unspezifische, meist tiefliegende Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung oder mit pseudoradikulärer Ausstrahlung.

5.1. Lumbago

Die Lumbago ("Hexenschuss") ist ein plötzlicher, stechender Schmerz im Rücken, der durch Reizung der sensiblen Eigeninnervation der Wirbelsäule und nicht durch Kompression von Spinalnerven ausgelöst wird. Meist ist die LWS betroffen. Typisch ist ein zunächst umschriebener, meist stechender Kreuzschmerz, oft verbunden mit Zwangshaltung, Bewegungssperre, Hartspann, Dornfortsatzdruckschmerz. Sensibilitätsstörungen oder Paresen bestehen nicht. Eine Bildgebung ist nicht indiziert.

5.2. Facettensyndrom

Ein Facettensyndrom ist ein Schmerzsyndrom, das durch meist chronische Reizung der Facettengelenke im Rahmen degenerativer Gelenkveränderungen (Spondylarthrose) bedingt ist. Typisch sind tiefe Rückenschmerzen in Höhe der krankhaft veränderten Gelenke, häufig mit pseudoradikulärer Ausstrahlung in Richtung der Beine (in der Regel nicht tiefer als Knie). Paresen oder klare sensible Ausfälle treten nicht auf. Typischerweise verschlimmern sich die Schmerzen bei Belastung (z.B. bei Retroflexion oder längerem Stehen oder Gehen). Nur bei länger dauernden Beschwerden (> 6 - 12 Wochen) ohne Besserungstendenz ist eine Bildgebung indiziert.

5.3. Iliosakralgelenksblockade

Die Iliosakralgelenksblockade ist gekennzeichnet durch myofaszial bedingte, tief lumbale Schmerzen mit Ausstrahlung in die laterale Seite des Oberschenkels bis in Höhe des Trochanter majors. Die Schmerzen treten auch auf, wenn die Patienten im Bett liegen und sich drehen.

5.4. Radikulopathie

Eine akute oder chronische Reizung bzw. Schädigung der Nervenwurzeln kann sich mit Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und/oder Paresen im Versorgungsgebiet einer (Monoradikulitis) oder mehrerer (Polyradikulitis) Spinalnerven äußern. Ursächlich für Radikulopathien sind meist degenerative Veränderungen (z.B. Bandscheibenvorfall), seltener Entzündungen (z.B. Herpes zoster) oder Tumoren mit kompressiver Wirkung. Schwere sensible Ausfälle oder manifeste Paresen stellen eine Indikation für eine kurzfristige Bildgebung und ggf. auch chirurgische Entlastung des komprimierten Spinalnerven dar.

5.5. Neuralgische Schulteramyotrophie

Die neuralgische Schulteramyotrophie wird auch als Parsonage-Turner-Syndrom bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine ätiologisch unklare Neuritis des Plexus brachialis mit akut einsetzenden, nicht bewegungsabhängigen Brachialgien. Nach einigen Tagen treten Paresen der Schulter- und Armmuskulatur auf. Hypästhesien treten nur in einem Drittel der Fälle auf. Die Paresen bilden sich meist nach einigen Monaten zurück.

5.6. Claudicatio spinalis

Bei Spinalkanalstenose kann es zu einer Claudicatio spinalis kommen. Die Patienten sind in Ruhe meist beschwerdefrei, während beim Gehen nach einer Weile tiefe Rückenschmerzen auftreten, oft mit pseudoradikulärer oder radikulärer Ausstrahlung in die Beine. Gleichzeitig können eine Gangunsicherheit (Ataxie), Kribbelparästhesien oder Paresen auftreten. Die Beschwerden bilden sich zurück, wenn sich die Patienten hinsetzen oder vornüber beugen (Lordosierung der LWS). Bei typischer klinischer Symptomatik ist eine bildgebende Diagnostik indiziert.

5.7. Konus-Syndrom

Massiver Druck auf den Conus medullaris (S3 - S5) z.B. durch Tumore, Massenprolaps oder Ischämie des Rückenmarks führen zu Reithosenanästhesie, Harn- und Stuhlinkontinenz sowie reduziertem Sphinktertonus. Das Konus-Syndrom tritt meist zusammen mit einem Kauda-Syndrom auf. Eine notfallmäßige Dekompression ist indiziert.

5.8. Kauda-Syndrom

Eine massive Kompression der Nervenfasern der Cauda equina z.B. durch Massenprolaps oder Tumor führt zu radikulären Schmerzen, Reithosenanästhesie, Reflexausfällen, Paresen, Harn- und Stuhlinkontinenz sowie reduziertem Sphinktertonus. Eine notfallmäßige Dekompression ist indiziert.

6. Therapie

Es gibt keine Standardtherapie für Rückenschmerzen. Vielmehr müssen bei spezifischen Rückenschmerzen mit bekannter Ursache die therapeutischen Maßnahmen an diese angepasst werden. Bei Rückenschmerzen, die durch mangelnde Rückenmuskulatur bedingt sind, wird ein gezieltes Muskeltraining zur Kräftigung empfohlen. Vorbeugende Maßnahmen sind Physiotherapie, regelmäßige sportliche Aktivität und Gewichtsreduktion.

Bei unspezifischen Rückenschmerzen kann lediglich eine symptomatische Therapie erfolgen, die neben den bereits erwähnten Maßnahmen u.a. Analgetika (z.B. NSAR), Muskelrelaxantien und Wärmeanwendungen umfassen. Dabei ist zu beachten, dass eine Schmerzmedikation nur bei akuter Verschlechterung über einen begrenzten Zeitraum sinnvoll ist.

In hartnäckigen Fällen ist die Teilnahme an Rückenintensivprogrammen mit integrierter Versorgung durch Ärzte, Krankengymnasten und Psychologen empfehlenswert. Darüber hinaus existiert eine großes Angebot an alternativmedizinischen Behandlungsformen (Akupunktur, manuelle Therapie), das in der Regel nicht validiert ist.

7. Medizinökonomie

Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems gehören zu den teuersten Erkrankungen des Gesundheitssystems. Hierbei beliefen sich im Jahr 2008 die Kosten für nicht-spezifische Rückenschmerzen auf 3,6 Milliarden Euro. Die durchschnittlichen Behandlungskosten pro Rückenschmerzpatient liegen bei etwa 1.322 Euro/Jahr. Von diesem Betrag entfallen 612 Euro auf direkte Kosten durch Arztbesuche und die damit verbundene Therapie (Arzneimittel, Hilfsmittel, Physiotherapie, Stationärer Aufenthalt, Rehabilitation), 710 Euro auf den krankheitsbedingten Produktivitätsverlust.[1]

Der ökonomische Verlust durch Fehltage wegen Rückenschmerzen wurde im Jahr 2022 mit 12,4 Milliarden Euro in Deutschland beziffert.[2]


8. DocCheck Publish

Der folgende Artikel beschäftigt sich in einer allgemeinen Form mit dem Thema Ursachen von Rückenschmerzen.

9. Quellen

  1. Wenig et al. Costs of back pain in Germany, European Journal of Pain 2009, abgerufen am 21.12.22
  2. Wissenschaftliches Institut der AOK: Fast ein Drittel der Bevölkerung leidet unter Rückenschmerzen, abgerufen am 22.01.2025

10. Literatur

Stichworte: Rücken, Schmerz
Fachgebiete: Orthopädie

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