Parkinson-Syndrom
nach James Parkinson (1755 bis 1824), englischer Arzt
Synonyme: Schüttellähmung, Paralysis agitans
Englisch: parkinsonian syndromes
Definition
Das Parkinson-Syndrom ist ein Symptomkomplex, der durch einen Dopaminmangel verursacht wird. Typische Symptome des Parkinson-Syndroms sind Akinese, Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität sowie weitere, nicht-motorische neurologische Symptome. Das Parkinson-Syndrom zählt somit zu den hyperton-hypokinetischen Bewegungsstörungen.
Geschichte
1817 beschrieb der englische Arzt James Parkinson die Krankheit erstmals als "shaking palsy" ("Schüttellähmung"). Der französische Neurologe Jean Marie Charcot führte 1884 die Bezeichnung "Parkinsonsche Erkrankung" ein. Anfang der 60er Jahre wurde der Mangel an Dopamin als biochemisches Korrelat des Parkinson-Syndroms nachgewiesen.
Epidemiologie
Die Inzidenz des Parkinson-Syndroms beträgt etwa 100 von 100.000 Personen, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind. Das idiopathische Parkinson-Syndrom ist mit einer Prävalenz von 150 auf 100.000 Einwohner in Deutschland eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Es handelt sich dabei um die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Ein Häufigkeitsgipfel findet sich zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Beginnt die Erkrankung vor dem 40. Lebensjahr, spricht man von einer "früh beginnenden" Parkinson-Erkrankung ("Early Onset Parkinson's Disease", EOPD), bei Beginn vor dem 21. Lebensjahr von einer "juvenilen" Parkinson-Erkrankung.
Einteilung
Ätiologisch unterscheidet man folgende 4 Formen des Parkinson-Syndroms:
Idiopathisches Parkinson-Syndrom
In 75 % der Fälle handelt es sich um ein idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS), das auch als Morbus Parkinson bezeichnet wird. Hierbei unterscheidet man zwischen einem akinetisch-rigiden Typ, einem Tremordominanztyp, einem Äquivalenztyp und einem monosymptomatischen Ruhetremor. Die Ursache des IPS ist aktuell (2024) noch ungeklärt. Vermutet wird eine multifaktorielle Genese.
siehe Hauptartikel: Idiopathisches Parkinson-Syndrom
Genetische Formen des Parkinson-Syndroms
In seltenen Fällen liegt ein monogenetischer Gendefekt vor. Bisher bekannte Genloci sind PARK 1 bis 16, wobei autosomal-dominante und autosomal-rezessive Formen unterschieden werden.
Atypische Parkinson-Syndrome
Atypische Parkinson-Syndrome oder auch Parkinson-Plus-Syndrome entstehen begleitend bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Dazu zählen:
- Multisystematrophie (MSA)
- Parkinson-Typ (MSA-P)
- Zerebellärer Typ (MSA-C)
- Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)
- Demenz vom Lewy-Körper-Typ (DLK)
- Kortikobasale Degeneration (CBD)
Sekundäre Parkinson-Syndrome
Symptomatische bzw. sekundäre Parkinson-Syndrome sind die Folge identifizierbarer Primärfaktoren:
- Medikamente: z.B. Therapie mit Klassischen Neuroleptika, Lithium, Valproinsäure, Antiemetika (z.B. Metoclopramid), Kalziumantagonisten (Cinnarizin, Flunarizin)[1]
- Vergiftungen: z.B. durch Kohlenmonoxid, Mangan, MPTP
- Schädel-Hirn-Traumata (SHT)
- Hirntumore
- Entzündungen: z.B. Enzephalitis oder bei HIV-Enzephalopathie
- Stoffwechselstörungen: z.B. Morbus Wilson, Hypoparathyreoidismus
Pathophysiologie
Das Parkinson-Syndrom entsteht durch einen Dopaminmangel, der zur Hemmung motorischer Funktionen in der Basalganglienschleife führt. Insbesondere die melaninhaltigen Neuronen in der Substantia nigra sind betroffen. Diese wirken hemmend auf die cholinergen Neurone des Striatums, was eine Bradykinese auslöst.
Der Dopaminmangel in den Basalganglien zieht einen relativen Acetylcholinüberschuss nach sich. Auch die Konzentration anderer Neurotransmitter, z.B. Serotonin und Noradrenalin kann verändert sein. Der aus dem Gleichgewicht geratene Transmitterhaushalt führt dann zu vielseitigen neurologischen Störungen, die vor allem die Motorik (hypokinetisch-hypertone Bewegungsstörung), daneben aber auch psychische, sensorische und vegetative Funktionen betreffen.
siehe auch: Extrapyramidalmotorisches System
Symptome
Kardinalsymptome
Das Leitsymptom des Parkinson-Syndroms ist die Verminderung bzw. Verlangsamung der Willkürmotorik. Das bezeichnet man als Hypokinese bzw. Bradykinese. In der schwersten Ausprägung tritt eine Bewegungsstarre ein (Akinese). Die Hypokinese äußert durch verschiedene Teilsymptome wie Hypomimie (verminderter mimischer Ausdruck) oder Amimie, auch "Maskengesicht" genannt, Mikrographie (verkleinertes Schriftbild), Mikrophonie (leises Sprechen) und kleinschrittiges Gangbild.
Zusätzlich treten in unterschiedlicher Ausprägung folgende Kardinalsymptome auf:
- Rigor (Tonuserhöhung der Muskulatur): Muskelsteifheit, die unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenkbewegung ist. Bei passiver Bewegung einer Extremität kommt es zum sogenannten Zahnradphänomen.
- Ruhetremor: mit einer Frequenz von ca. 4 bis 6 Hz, selten bis 9 Hz; Amplitudenabnahme beim Beginn von Willkürbewegungen. Typisch ist die Aktivierbarkeit des Tremors durch geistige Beschäftigung oder Emotionen.
- Posturale Instabilität: Standunsicherheit, die nicht primär durch visuelle, vestibuläre, zerebelläre oder propriozeptive Störungen erklärbar ist.
Die typische Symptomkonstellation aus Tremor, Rigor, Akinese und Posturaler Instabilität fasst man auch mit dem Akronym TRAP zusammen.
Fakultative Symptome
Weitere mögliche Symptome sind:
- Sensorische Symptome: wie Dysästhesien, Schmerzen, Hyposmie
- Vegetative Symptome: wie Störungen von Blutdruck- und/oder Temperaturregulation, Blasenfunktionsstörungen, Störung der Darmfunktion, sexuelle Dysfunktion, vermehrte Talgsekretion (Salbengesicht)
- Psychische Symptome: v.a. Depressionen
- Schlafstörungen
- Kognitive Symptome: Konzentrationsstörungen, frontale Störungen, in fortgeschrittenen Stadien Demenz
- Pseudohypersalivation, bedingt durch Schluckstörungen
Die Mischung dieser Symptome führt zum typischen klinischen Bild des sich wie gefesselt bewegenden, nach vorne gebeugten Patienten, der sich nur in kleinen Tippelschritten fortbewegen kann und dabei eine erhöhte Fallneigung zeigt. Der gesamte Bewegungsapparat wirkt weniger locker, so geht etwa beim Gehen das Mitpendeln der Arme verloren. Das Gesicht wirkt maskenhaft und unbeteiligt. An den Händen lässt sich oft der für das Parkinson-Syndrom typische Pillendreher-Tremor beobachten.
Komplikationen
Im weiteren Verlauf der Erkrankung können Komplikationen auftreten, wie:
- Wirkungsfluktuationen bzw. Wirkungsschwankungen unter der gewählten Medikation
- Freezing (Einfrieren)
- Hyperkinesien (Überbewegungen)
- Dystonien
- Orthostatische Dysregulation
- Psychosen
- Impulskontrollstörungen
- Akinetische Krise
Diagnose
Die Diagnose eines Parkinson-Syndroms wird klinisch gestellt. Zur Differenzierung des IPS gegenüber anderen Formen des Parkinson-Syndroms werden verschiedene Zusatzuntersuchungen hinzugezogen. Zu den standardmäßig durchzuführenden Untersuchungen gehören:
- Komplette neurologische Untersuchung mit besonderer Aufmerksamkeit auf:
- Anamnestische Angaben zu Beginn und Dauer der Beschwerden, Seitenbetonung, autonomen Funktionen, Familienanamnese
- Akinese, Rigor (Froment-Manöver, Kopffalltest, Armpendeltest), Tremor, posturale Instabilität
- Okulomotorikstörungen: Sakkadengeschwindigkeit, vertikale Blickparese, vestibulo-okulärer Reflex (VOR), Fixationssuppression des VOR
- frontale Zeichen wie Primitivreflexe oder motorische Perseverationen
- zerebelläre Zeichen
- Pyramidenbahnzeichen
- Symptome einer kognitiven Leistungseinbuße
- Symptome einer Apraxie
- Symptome von Verhaltens- oder psychischen Störungen
- Bildgebende Verfahren:
- Transkranielle Sonografie
- MRT
- nuklearmedizinische Untersuchungen (DatScan)
- Neurologische Funktionstests:
- Zusatzdiagnostik
Staging
Das Staging erfolgt mittels der Skala nach Hoehn und Yahr bzw. der Unified Parkinson's Disease Rating Scale (UPDRS) oder der MDS-UPDRS.
Differenzialdiagnosen
Wichtige Differenzialdiagnosen des Parkinson-Syndroms sind:
- Pseudo-Parkinson-Syndrome
- Normaldruckhydrozephalus (NDH, NPH)
- Vaskuläres Parkinson-Syndrom (subkortikale vaskuläre Enzephalopathie, SAE)
- chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE, "Boxerenzephalopathie")
- Essentieller Tremor
- Depression
Therapie
Die Therapie des Parkinson-Syndroms erfolgt je nach Ätiologie. Das idiopathische Parkinson-Syndrom wird medikamentös mit Anticholinergika, L-Dopa und DOPA-Decarboxylase-Hemmer, Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmer oder COMT-Hemmern behandelt. Als nicht-medikamentöse Maßnahmen kommen u.a. Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie sowie Psychoedukation und Selbsthilfegruppen in Betracht.
Wenn es sich um ein durch Arzneimittel ausgelöstes Parkinson-Syndrom handelt, sollte eine Dosisreduktion oder ein Absetzen der Medikation geprüft werden. Klassische Neuroleptika sollten durch Arzneimittel mit einem geringeren Risiko (z.B. Quetiapin, Clozapin) ersetzt werden. Eine prophylaktische Behandlung mit Anticholinergika ist nicht indiziert.[1]
Gentherapien sowie autologe Zelltransplantationen befinden sich derzeit (2023) in der Erforschung.[2][3] Zudem wird Musiktherapie als mögliche Therapieergänzung zur Verminderung von Sturzereignissen durch das Freezing-Phänomen untersucht.[4]
siehe Hauptartikel: Idiopathisches Parkinson-Syndrom
Quiz
Literatur
- FlexiEssay: Die Rolle von Pestiziden bei der Pathogenese des Morbus Parkinson
- AWMF-S3-Leitlinie (2016) [1] letzter Zugriff am 17.12.2020
Bildquelle
- Bildquelle für Flexikon-Quiz: © hermaion / pexels
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Conn H, Jankovic J. Drug-induced parkinsonism: diagnosis and treatment. Expert Opinion on Drug Safety 2024 .
- ↑ Björklund et al. Next-Generation Gene Therapy for Parkinson's Disease Using Engineered Viral Vectors, Journal of Parkinson's Diseases, 2021
- ↑ Larson Improved Delivery Methods for Gene Therapy and Cell Transplantation in Parkinson's Disease, Journal of Parkinson's Diseases, 2021
- ↑ Li et al. Improvement of freezing of gait in patients with Parkinson’s disease by music exercise therapy: a study protocol for a randomized controlled trial, BMC, 20221