Nekrotisierende Fasziitis
Synonym: Fasciitis necroticans
Englisch: necrotizing fasciitis
Definition
Die nekrotisierende Fasziitis ist eine foudroyant verlaufende, bakterielle nekrotisierende Weichteilinfektion (nSSTI) der Haut und Unterhaut, bei der die Faszie mitbetroffen ist.
- ICD10-Code: M72.6
Epidemiologie
Die Inzidenz der Erkrankung beträgt 0,4 bis 1,0 Fälle auf 100.000 Einwohner. Am häufigsten sind Menschen mit peripheren Durchblutungsstörungen, Störungen des Lymphabflusses oder Immundefizienz betroffen. Diabetes mellitus stellt ebenfalls einen Risikofaktor dar.
Ätiopathogenese
Auslösend für die Infektion können Hautverletzungen, Hautinfektionen (z.B. Abszesse), intramuskuläre Injektionen oder chirurgische Eingriffe sein. Die häufigsten Erreger sind A-Streptokokken. Oft handelt es sich um eine Mischinfektion (Anaerobier, gramnegative Bakterien, Staphylococcus aureus, Clostridien).
Pathogenetisch führen Toxin-vermittelte Mikrothromben zu einer Hypoxie, die folglich eine Nekrose bedingt.
Einteilung
Je nach Pathogenese unterscheidet man vier Typen der nekrotisierenden Fasziitis:
- Typ 1 (80 %): Mischinfektion mit ≥ 4 anaeroben und aeroben Bakterien; v.a. nach chirurgischen Eingriffen; meist bei Fournier-Gangrän
- Typ 2: ausgelöst durch Streptokokken der Gruppe A und/oder seltener PVL-bildenden Staphylococcus aureus; in 50 % d.F. des Toxic Shock Syndrome
- Typ 3: ausgelöst durch Bakterien der Gattung Vibrio (z.B. Vibrio vulnificus) und Aeromonas; meist nach Baden in kontaminierten Gewässern oder nach Verzehr von bzw. Kontakt mit Meeresprodukten
- Typ 4: posttraumatisch verdreckte Wunden, meist mit Beteiligung von Pilzen (v.a. Zygomyzeten)
Eine Gasgangrän stellt eine Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis dar, die durch Clostridien verursacht wird. Als Gasbrand wird hingegen eine Clostridien-bedingte nSSTI mit Gasbildung im Gewebe bezeichnet, wobei die Faszien (noch) nicht mitbeteiligt sind. Die Fournier-Gangrän ist eine nekrotisierende Fasziitis des äußeren Genitals.
Symptome
Die nekrotisierende Fasziitis beginnt akut mit Ödembildung, insbesondere mit initial teigiger Schwellung und Rötung bei ausgeprägten Schmerzen. Typischerweise zeigt sich eine Diskrepanz zwischen den Schmerzen und dem zu Beginn eher diskreten klinischen Befund. Die Haut über dem Infektionsherd ist erst bläulich-rot, wird dann bläulich-grau und überwärmt und bildet konfluierende Blasen, die mit hell- bis dunkelroter visköser Flüssigkeit gefüllt sind. Im weiteren Verlauf kommt es zu mehr oder weniger ausgedehnten Nekrosen, welche auch die Nerven befallen und daher schmerzlos sind. Zu diesem Zeitpunkt liegt meistens auch ein hohes Fieber bzw. das Bild einer Sepsis vor. Unbehandelt schreitet die nekrotisierende Fasziitis zum Schock und Multiorganversagen fort.
Diagnostik
Die nekrotisierende Fasziitis wird klinisch diagnostiziert. Im Labor finden sich erhöhte Entzündungsparameter. Eine möglichst frühe mikrobiologische Diagnostik ist von großer Bedeutung für die Prognose. Dafür können Blasen punktiert oder Biopsien durch kleine Hautschnitte vorgenommen werden. Die Schwere der Krankheit verlangt eine sofortige Untersuchung. Man sollte auf ein auch für Anaerobier geeignetes Transportgefäß achten. Diagnostisch kann ein Grampräparat wichtige Auskünfte geben, auch eine Blutkultur gehört zur Standarddiagnostik.
Lufteinschlüsse im Bereich der Muskelfaszien können bereits sehr früh in der Computertomographie (CT) nachgewiesen werden. Bei eindeutigem und gut zu lokalisierendem Befund wird aber auf eine CT oder Magnetresonanztomographie (MRT) aus Zeitgründen verzichtet.
Therapie
Die intensivmedizinische Therapie beinhaltet die Behandlung der Sepsis sowie ein schnellstmögliches radikales Debridement der betroffenen Weichteile. Das nekrotische Gewebe und die Faszie wird komplett abgetragen, die Wunde gereinigt und gespült. Häufig ist eine Nachresektion nach 24-36 Stunden und anschließend täglich notwendig (Redebridement). In einigen Fällen hilft jedoch nur noch die Amputation der betroffenen Gliedmaße, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden. Dabei gilt das Prinzip "life before limb".
Für die kalkulierte systemische Antibiotikatherapie werden folgende Wirkstoffkombinationen empfohlen:
- Piperacillin/Tazobactam: 4,5 g i.v. dreimal täglich
- oder ein Carbapenem der Gruppe 1, z.B. Meropenem 1 g i.v. dreimal täglich
- plus Clindamycin 1,8–2,7 g i.v. verteilt auf 3–4 Einzeldosen pro Tag
Bei Kontraindikationen gegen Clindamycin oder bei Vorliegen von Risikofaktoren für MRSA kann Linezolid verwendet werden. Nach Antibiogramm erfolgt ggf. eine Umstellung der Antibiotikatherapie (z.B. Penicillin G bei Monoinfektion mit Streptococcus pyogenes).
In der Frühphase vor Nekrosenbildung, bei schweren Verläufen mit Sepsis oder bei Auftreten eines toxischen Schocksyndroms können adjuvant polyspezifische Immunglobuline verabreicht werden.
Prognose
Selbst bei guter Therapie liegt die Mortalität zwischen 15 und 35 %. Greift die nekrotisierende Fasziitis auf den Rumpf über, verläuft sie meist letal.