Wochenbettdepression
Abkürzung: PPD
Synonyme: postpartale Depression, puerpale Depression
Englisch: postpartal depression
Definition
Als Wochenbettdepression wird eine Sonderform der depressiven Störung bezeichnet, die bis zu 24 Monate nach der Entbindung bei der Mutter auftreten kann.
Epidemiologie
In 70 % der Fälle beginnt die Erkrankung 1 bis 2 Wochen nach der Geburt. Rund 10 bis 20 % der Mütter, aber auch rund 4 % der Väter leiden an Wochenbettdepressionen. Nach einer Studie der US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) erkrankt etwa jede achte Frau nach einer Entbindung vorübergehend an einer Depression.
Abgrenzung
Vorübergehende depressive Verstimmungen einer Wöchnerin bezeichnet man als "Baby Blues" (auch "Heultage" oder "Maternity Blues" genannt).
Ätiologie
Die Ursache ist bis heute ungeklärt. Es wird angenommen, dass vor allem die raschen Hormonumstellungen nach der Geburt an der Pathogenese beteiligt sind. Ein Abfall der Konzentration von Allopregnanolon nach der Entbindung könnte an der Pathogenese beteiligt sein.
Zu den Risikofaktoren zählen:
- vorbestehende psychische Erkrankungen (Depression, Zwangsstörung, Panikstörung, Sozialphobie, Agoraphobie)
- psychische Erkrankungen in der nahen Verwandtschaft
- Trauma, PTSD
- belastende Lebenssituationen, Lebenskrisen: soziale Isolation, Armut, geringe Lebensqualität, partnerschaftliche Probleme
Symptome
Die Symptome einer Wochenbettdepression beginnen meist schleichend. Zu ihnen zählen:
- Energieverlust
- Gefühle von Traurigkeit, Leere, Schuld, Hoffnungslosigkeit
- ambivalente Gefühle dem Kind gegenüber; das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
- Desinteresse am Säugling bis hin zu Tötungsgedanken (Suizid, Tötung des Kindes)
- Störungen des Sexuallebens
- vielfältige somatische Beschwerden ohne fassbaren Befund: Kopfschmerzen, Herzbeschwerden, Rückenschmerzen, Parästhesien
- Reizbarkeit
- Zittern
- Schwindel
- Schlafstörungen
- Ängste, Panikattacken
- evtl. selbstverletzendes Verhalten
Diagnose
- Ausschluss anderer organischer Erkrankungen nach der Geburt (Anämie, Schilddrüsenfunktionsstörung)
- Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) als Screening-Test
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch kommen eine postpartale Psychose (mit produktiver psychotischer Symptomatik) sowie eine Präpartalpsychose (bei der sich die Symptome bereits während der Schwangerschaft äußern) in Frage.
Therapie
Bei milden Ausprägungen (Baby Blues: Reizbarkeit, Weinen, Stimmungsschwankungen) in den ersten Tagen nach der Geburt ist in der Regel keine Therapie notwendig. Es helfen beruhigende Gespräche mit der Frau selbst und ihrer Familie sowie die Entlastung bei der Kinderpflege und dem Haushalt.
Wenn die Symptome jedoch 2 bis 3 Wochen anhalten, kann sich eine ausgeprägte Wochenbettdepression entwickeln. Bei einer schweren Wochenbettdepression ist wegen der erhöhten Suizidgefahr und Gefährdung des Neugeborenen (Infantizid) eine dringende Behandlungsindikation gegeben. In vielen Fällen ist eine stationäre Behandlung notwendig. Mutter und Kind sollten dabei unbedingt gemeinsam stationär aufgenommen werden. Infantizide sind mit 1 bis 2 von 100.000 Fällen jedoch extrem selten.
Da bei vielen Patienten Ängste und Schlafstörungen im Vordergrund stehen, bietet sich die Wahl eines angstlösenden und einschlaffördernden Antidepressivums an.[1] In der Stillzeit gehört Sertralin zu den Antidepressiva der ersten Wahl.[2][3]
Prognose
Wochenbettdepressionen haben insgesamt eine gute Prognose. Auch unbehandelt verschwinden die Symptome bei den meisten Patienten innerhalb von einigen Wochen von selbst. Bei nachfolgenden Geburten erleidet rund ein Drittel aller Frauen erneut eine Wochenbettdepression.
Quellen
- ↑ Molyneaux E et al. Antidepressants for preventing postnatal depression. Cochrane Database Syst Rev. 2018
- ↑ Sertralin, embryotox.de, abgerufen am 16.07.2024
- ↑ Dennis CL et al. Postpartum Depression: A Clinical Review of Impact and Current Treatment Solutions. Drugs. 2024
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