Nicotinsäure
Synonyme: Niacin, Niacinsäure, Vitamin B3 (obsolet), Vitamin PP (obsolet)
Englisch: niacin
Definition
Nicotinsäure ist eine heterozyklische organische Verbindung, die zu den Vitaminen gehört. In Form der Coenzyme NAD und NADP+ hat sie eine große Bedeutung bei Redoxreaktionen im Organismus.
Chemie
Nicotinsäure ist ein Pyridinderivat. Sie besteht aus einem Pyridinring, der mit einer Carboxygruppe (-COOH) substituiert ist. Die vollständige chemische Bezeichnung ist Pyridin-3-carbonsäure. Die Summenformel lautet C6H5NO2.
Bei Zimmertemperatur liegt Nicotinsäure in Form farbloser Kristalle vor. Die Substanz ist wenig in Wasser löslich.
Biochemie
Das Amidderivat der Nicotinsäure, Nicotinamid, ist eine Komponente der beiden Coenzyme Nicotinamidadenindinukleotid (NAD) und Nicotinamidadenindinukleotidphosphat (NADP+). Nicotinsäure und Nicotinamid haben eine identische Vitaminaktivität, aber unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften.
Das Vitamin kann im menschlichen Stoffwechsel in einem mehrstufigen Prozess aus Tryptophan synthetisiert werden. Dieser Stoffwechselweg ist jedoch nicht sehr ergiebig: Aus 60 mg Tryptophan entsteht nur 1 mg Nicotinsäure.
Funktion
Die Nicotinsäureabkömmlinge NAD und NADP+ sind wichtige Coenzyme bei Redoxreaktionen. Sie dienen im Stoffwechsel als Wasserstoffdonoren und -akzeptoren, beispielsweise im Citratzyklus und in der Atmungskette.
Nicotinsäure hat eine antioxidative Wirkung und nimmt an vielen enzymatischen Vorgängen teil. Das Vitamin ist u.a. wichtig für den Abbau von Fetten, Kohlenhydraten, Proteinen und Alkoholen sowie für die Fettsäure- und Cholesterinsynthese. Darüber hinaus wird es auch bei der Signaltransduktion und der DNA-Reparatur benötigt.
Stoffwechsel
Vorkommen
Gute Nahrungsmittel zur Versorgung mit Nicotinsäure sind Geflügel, Wild, Fleisch (insbesondere Leber) und Fisch. Darüber hinaus ist Nicotinsäure in Früchten, geröstetem Kaffee, Erdnüssen, Cashew-Kernen, Vollkornprodukten, verschiedenen Gemüsen, Hülsenfrüchten und Obst enthalten. Auch in Hefe (z.B. Bierhefe) kommen große Mengen Nicotinsäure vor. Nicotinsäure aus tierischen Produkten kann vom menschlichen Organismus besser verwertet werden.
Bedarf
Der Bedarf an Nicotinsäure beträgt ca. 10 - 20 mg pro Tag. Bei Kindern werden 5 bis 6 mg, für stillende Mütter etwa 20 mg empfohlen. Eine Niacinzufuhr in hohen Dosen (3-4 g pro Tag) ist schädlich für die Leber.
Pathophysiologie
Nicotinsäuremangel ist meist mit einem Mangel an anderen Vitaminen und Proteinen vergesellschaftet. Ein isolierter Mangel ist selten, da das Vitamin auch aus Tryptophan synthetisiert werden kann. Fehlen Nicotinsäure und Trypotophan in der Nahrung, kann das Krankheitsbild der Pellagra auftreten. Das ist zum Beispiel bei einseitiger Ernährung mit falsch prozessierten Mais- oder Hirseprodukten der Fall.
Mögliche Symptome eines Nicotinsäuremangels sind unter anderem:
Besteht der Mangel über einen längeren Zeitraum, kann darüber hinaus eine Demenz auftreten. Malabsorptionssyndrome, die mit einer verminderten Aufnahme von Tryptophan einhergehen, zeigen oft eine der Pellagra-ähnliche Symptomatik.
Pharmakologie
Nicotinsäure wird therapeutisch bei der Behandlung der Wernicke-Enzephalopathie eingesetzt. In den USA kommt sie darüber hinaus als Lipidsenker bei Hyperlipoproteinämien zur Anwendung, Durch Bindung an den Nicotinsäurerezeptor GRP109A supprimiert Nicotinsäure die Lipolyse in Adipozyten und reduziert den Plasmaspiegel von Triglyzeriden und LDL-Cholesterin. In kardiovaskulären Endpunktstudien konnte kein zusätzlicher Nutzen zu Statinen gezeigt werden.
Unter der Therapie in therapeutischen Dosen sind folgende Nebenwirkungen häufig:
- kutaner Flush, Schwindel, Juckreiz
- Übelkeit, Erbrechen
- Dyspepsie, ösophagealer Reflux, peptische Ulkuskrankheit
- Erhöhung der Transaminasen
- Hyperurikämie bis hin zu Gichtanfällen
- Acanthosis nigricans
- Makulopathie
Labormedizin
Nicotinsäure wird in der Labormedizin im Rahmen des Nikotinsäureprovokationstests zur Diagnostik eines Morbus Meulengracht eingesetzt.
um diese Funktion zu nutzen.