Ticagrelor
Handelsname: Brilique®
Definition
Ticagrelor ist ein reversibler P2Y12-Antagonist, der über die Interaktion mit Verstärkungsmechanismen der Thrombozytenaktivierung in die Thrombozytenaggregation eingreift. Eine vergleichbare Wirkung zeigt der Wirkstoff Cangrelor.
Chemie
Der Arzneistoff ist mit Adenosin verwandt und gehört zur Klasse der Cyclopentyltriazolopyrimidine.
Wirkmechanismus
Ticagrelor hemmt den ADP-Rezeptor P2Y12 der Thrombozyten und reduziert damit deren Aggregation. Man nimmt an, dass der Wirkstoff eine eigene Bindungsstelle am Rezeptor hat und somit nicht an die ADP-Bindungsstelle andockt. Die Bindung erfolgt reversibel und ist kompetitiv. Im Verhältnis zu Clopidogrel bietet Ticagrelor einen schnellen Wirkeintritt und eine stärkere Thrombozytenaggregationshemmung bezogen auf die therapeutische Dosis.
Darüber hinaus hemmt Ticagrelor den Nukleosidtransporter ENT1, was zu einem erhöhten extrazellulären Adenosinspiegel führt.[1] Inwieweit diese Hemmung klinisch relevant ist, bedarf weiterer Klärung.[2]
Pharmakokinetik
Etwa 35% des Wirkstoffs sind oral bioverfügbar. Die Metabolisierung findet hauptsächlich über das CYP3A4-System statt. Neben der eigenen pharmakologischen Aktivität wird über die Verstoffwechselung ein aktiver Metabolit gebildet. Die Elimination läuft überwiegend hepatisch ab.
Die Plasmaeiweißbindung von Ticagrelor ist hoch. Die Plasmahalbwertszeit beträgt zirka 8 Stunden.
Wirkung
Die klinische Wirksamkeit ist im Wesentlichen vergleichbar mit der von Clopidogrel. In klinischen Studien verminderte Ticagrelor/ASS verglichen mit Clopidogrel/ASS innerhalb von 12 Monaten die kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtmortalität um gut 1%.
Indikation
In Kombination mit Acetylsalicylsäure wird Ticagrelor bei Auftreten eines akuten Koronarsyndroms oder STEMI angewendet. Das Risiko für atherothrombotische Ereignisse soll bei einer Dauertherapie gemindert werden.
Darreichungsformen
Im Handel sind Filmtabletten in den Wirkstärken 60 mg und 90 mg. Ebenso liegen Schmelztabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 90 mg vor.
Dosierung
Initial wird eine Dosis von 180 mg bei peroraler Applikation empfohlen. Anschließend sollte zweimal täglich eine Dosis von 90 mg verabreicht werden.
Zur Langzeitprävention wird Ticagrelor bei Patienten mit einem mindestens ein Jahr zurückliegenden Myokardinfarkt und einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in einer reduzierten Dosierung von 60 mg zweimal täglich eingesetzt.
Nebenwirkungen
- erhöhtes Blutungsrisiko
- Dyspnoe
- Bradykardie (selten)
- Gynäkomastie (gelegentlich)
- Gefahr der Nierenschädigung (Laborkontrollen notwendig)
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Aktive pathologische Blutung
- Intrakranielle Blutungen in der Vorgeschichte
- Schwere Leberfunktionsstörungen
- Gleichzeitige Anwendung von Ticagrelor mit starken CYP3A4-Inhibitoren (z.B. Ketoconazol, Clarithromycin, Nefazodon, Ritonavir und Atazanavir), da es zu einem erheblichen Anstieg der Ticagrelor-Konzentration kommen kann
Aufgrund der starken Thrombozytenaggregationshemmung durch Ticagrelor muss bei Patienten mit erhöhten Blutungsrisiko eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
Interaktionen
Da die Metabolisierung über CYP3A4 erfolgt, können Inhibitoren zu einer gesteigerten beziehungsweise Induktoren zu einer verminderten Konzentration und Wirkung von Ticagrelor führen. Darüberhinaus ist Ticagrelor ein P-Glycoprotein-Inhibitor.
Die Kombination mit Simvastatin und Lovastatin wird wegen des Anstiegs der Statin-Konzentration nicht empfohlen.
Toxikologie
Der monoklonale Antikörper Bentracimab kann in Notfallsituationen als Antidot von Ticagrelor eingesetzt werden. Er befindet sich derzeit (2025) in klinischer Entwicklung.
Quellen
- ↑ Aungraheeta R, Conibear A, Butler M, Kelly E, Nylander S, Mumford A, Mundell SJ. Inverse agonism at the P2Y12 receptor and ENT1 transporter blockade contribute to platelet inhibition by ticagrelor. Blood. 2016 Dec 8;128(23):2717-2728. doi: 10.1182/blood-2016-03-707844. Epub 2016 Sep 30. PMID: 27694321; PMCID: PMC5161012.
- ↑ Marco Cattaneo, Rainer Schulz, Sven Nylander, Adenosine-Mediated Effects of Ticagrelor: Evidence and Potential Clinical Relevance, Journal of the American College of Cardiology, Volume 63, Issue 23, 2014,Pages 2503-2509,ISSN 0735-1097, https://doi.org/10.1016/j.jacc.2014.03.031.