Swyer-Syndrom
Synonym: vollständige 46,XY-Gonadendysgenesie
Englisch: Swyer syndrome, XY gonadal dysgenesis
Definition
Das Swyer-Syndrom ist eine reine Gonadendysgenesie, bei der ein weiblicher Phänotyp bei männlichem Karyotyp (46,XY) vorliegt.
- ICD10-Code: Q99.1 (Hermaphroditismus verus mit Karyotyp 46,XY)
Einteilung
Neben Mutationen des SRY-Gens wurden weitere Mutationen, Deletionen und Duplikationen identifiziert, die das Swyer-Syndrom auslösen können:
- Typ 1: Mutation betrifft SRY an Genlokus Yp11.3
- Typ 2: Duplikation des NR0B1-Gens an Genlokus Xp21.3-p21.2
- Typ 3: Mutation betrifft NR5A1 an Genlokus 9q33
- Typ 4: Deletion an Genlokus 9p24.3
- Typ 5: Mutation betrifft CBX2 an Genlokus 17q25
- Typ 6: Mutation betrifft MAP3K1 an Genlokus 5q11.2
- Typ 7: Mutation betrifft DHH an Genlokus 12q13
- Typ 8: Mutation betrifft AKR1C2 an Genlokus 10p15
- Typ 9: Mutation betrifft ZFPM2 an Genlokus 8q23
- Typ 10: Deletion der XYSR regulatorischen Region an Genlokus 17q24
Ätiopathogenese
Beim Swyer-Syndrom ist die Differenzierung der Gonaden zu Hoden gestört. Bei 15 bis 20 % aller XY-Gonadendysgenesien ist ein Defekt oder eine Deletion des SRY-Gens die Ursache. Mutationen in anderen für die Hodenentwicklung wichtigen Genen können ebenfalls ursächlich sein, sind aber meist mit weiteren syndromalen Auffälligkeiten assoziiert.[1]
In der siebten Schwangerschaftswoche beginnt die Differenzierung der Hoden. Dabei spielt der Hoden-determinierende Faktor (TDF), der durch das SRY-Gen kodiert wird, eine wichtige Rolle bei der Einleitung des Differenzierungsprozesses. Die Ausschüttung des Anti-Müller-Hormons (AMH) durch die Sertoli-Zellen führt zur Rückbildung der Müller-Gänge, die als Hodenanhängsel zurückbleiben.
Fehlt das Y-Chromosom vollständig oder liegt ein Gendefekt im SRY-Gen oder anderen, für die Hodenentwicklung wichtigen Genen vor, wird kein AMH gebildet. In der Folge bilden sich aus den Müller-Gängen Gebärmutter, Vagina, Klitoris, Labien und Eileiter.
Darüber hinaus werden beeinflussende Umweltfaktoren während der Schwangerschaft und pränatale Wachstumsstörungen als Ursachen für das Swyer-Syndrom diskutiert.
Klinik
Äußere Erscheinung
Die Körpergröße ist meist normal, nur selten kommt ein Hochwuchs vor. Der Körperbau ist bei manchen Betroffenen eher männlich (z.B. männliches Becken, breite Schulter, typische V-Form). Während der Pubertät bleibt die Sexualentwicklung aus, es kommt nicht zur normalen Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale, d.h. es bildet sich keine weibliche Brust aus. Die Schambehaarung ist spärlich, das äußere Genitale bleibt kindlich.
Organe
Die Eierstöcke fehlen und sind durch Streak-Gonaden ersetzt, die teilweise Androgene bilden. Die Gebärmutter ist meist eher klein.
Weitere Symptome
- primäre Amenorrhoe
- Infertilität
- Risiko der malignen Entartung der Streak-Gonaden
- Osteoporoseneigung
Diagnostik
Die Diagnose basiert auf dem klinischen Erscheinungsbild und wird durch eine Chromosomenanalyse (Karyogramm) und Hormonbestimmungen gestützt. Mithilfe einer Ultraschalluntersuchung können die fehlenden Eierstöcke nachgewiesen werden. In den Zellkernen fehlen die typischen Barr-Körperchen.
Therapie
Während der Pubertät wird eine Hormonsubstitution empfohlen. Meist wird eine Östrogen-Gestagen-Substitution als Sequenztherapie angewandt, in einigen Fällen wird auf Wunsch des Patienten durch Testosterongabe die Entwicklung eines männlichen Erscheinungsbildes gefördert. Eine frühzeitige Entfernung der Streak-Gonaden ist aufgrund des Entartungsrisikos indiziert. Den Patienten sollte psychologische Hilfe angeboten werden sowie eine Beratung bei vorliegendem Kinderwunsch. Durch die vorhandene Gebärmutter ist eine Schwangerschaft durch eine Eizellspende theoretisch möglich.
Quellen
- Orphanet – Swyer-Syndrom, abgerufen am 23.04.2025
- OMIM - SRXY1, abgerufen am 23.08.2022
Literatur
- ↑ Schaaf und Zschocke. Basiswissen Humangenetik. 3., Überarbeitete und Erweiterte Auflage. Springer-Lehrbuch. Berlin: Springer, 2018.
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