S100A9
Synonyme: S100-A9, Calgranulin B, Calgranulin-B, CAGB, MRP14
Englisch: S100 calcium-binding protein A9, Calgranulin-B, Calprotectin L1H subunit
Definition
S100A9 ist ein Calcium-bindendes Protein aus der Familie der S100-Proteine. Es bildet gemeinsam mit S100A8 das Heterodimer Calprotectin und spielt eine zentrale Rolle in der Regulation von Entzündungsprozessen sowie in der Pathogenese verschiedener Tumorerkrankungen.
Genetik
Das S100A9-Gen befindet sich auf Chromosom 1 am Genlokus 1q21.3. Es gehört zum S100-Gencluster, in dem mehrere S100-Proteine lokalisiert sind. Diese Region ist bei verschiedenen epithelialen Tumoren häufig genomisch amplifiziert, was auf eine potenzielle onkogene Bedeutung hinweist.
Expression
S100A9 wird vor allem in myeloiden Zellen exprimiert (neutrophile Granulozyten und Monozyten) und unterliegt einer starken Hochregulation unter entzündlichen Bedingungen. Auch in Tumorgewebe (z.B. Mamma-, Lungen-, Kolon-, Prostata- und Pankreaskarzinome) ist eine Überexpression beschrieben worden – sowohl in den Tumorzellen selbst als auch in infiltrierenden Immunzellen. Eine hohe S100A9-Expression korreliert in einigen Tumorarten mit einer schlechten Differenzierung und ungünstiger Prognose.
Biochemie
Struktur
S100A9 ist ein kleines Protein (ca. 13 kDa) mit zwei typischen EF-Hand-Motiven, die eine reversible Bindung von Calcium-Ionen ermöglichen. Es weist eine hohe Sequenzhomologie zu anderen Mitgliedern der S100-Familie auf.
Regulation
Die Transkription von S100A9 wird durch verschiedene proinflammatorische Zytokine wie TNF-α und IL-1β stimuliert. Zu den wichtigsten Transkriptionsfaktoren, die an der Regulation beteiligt sind, zählen:
In Keratinozyten scheint insbesondere der AP-1-Signalweg eine zentrale Rolle bei der Regulation von S100A9 zu spielen. Glukokortikoide wie Dexamethason können die S100A9-Expression AP-1-abhängig hemmen.
Funktion
Intrazellulär
- Regulation des Zytoskeletts und der Zellmigration
- Beteiligung an der Aktivierung der NADPH-Oxidase in neutrophilen Granulozyten
- Interaktion mit der Arachidonsäure-Metabolismus
Extrazellulär
S100A9 wird unter entzündlichen Bedingungen aktiv sezerniert (nicht über den klassischen ER-Golgi-Weg), v.a. von aktivierten Granulozyten und Monozyten. In der extrazellulären Matrix wirkt es als:
- Proinflammatorisches Alarmin (DAMP)
- Chemoattraktant für Immunzellen
- Induktor von Zytokinproduktion, insbesondere TNF-α
Die Wirkung erfolgt u.a. über Bindung an den RAGE-Rezeptor (Receptor for Advanced Glycation End-products), was zu Aktivierung von Signalwegen wie NF-κB, MAPK und JAK/STAT führt.
Klinische Bedeutung
- Entzündung: Erhöhte S100A9-Serumspiegel sind ein Marker für entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Psoriasis und systemischem Lupus erythematodes.
- Krebs: Die Überexpression von S100A9 in epithelialen Tumoren wird mit Tumorprogression, Invasion, Metastasierung und einem entzündungsassoziierten Tumormilieu in Verbindung gebracht.
- Diagnostik: Calprotectin (S100A8/A9) wird als nicht-invasiver Entzündungsmarker u.a. in der Stuhluntersuchung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt.
Literatur
- Gebhardt et al, S100A8 and S100A9 in inflammation and cancer, Biochem Pharmacol., 2006
- uniprot.org – S100A9, abgerufen am 08.07.2025