Pubertas praecox
von lateinisch: pubertas - Geschlechtsreife; praecox - vorzeitig
Englisch: precocious pubertas
Definition
Als Pubertas praecox wird die Entwicklung der äußeren Sexualmerkmale bei männlichen Individuen vor dem vollendeten 9. und bei weiblichen vor dem vollendeten 8. Lebensjahr bezeichnet.
Formen
Nach ihrer Ätiologie unterscheidet man mehrere Formen der Pubertas praecox:
Zentrale Pubertas praecox
Die zentrale Pubertas praecox ist zerebral bedingt und wird auch Pubertas praecox vera oder GnRH-abhängige Pubertas praecox genannt. Der auslösende Pathomechanismus ist eine Störung des hypothalamisch-hypophysär-gonadalen Regelkreises, der zu einer Überproduktion von Regulationshormonen der Geschlechtshormonsekretion führt. Die Ursachen dafür bleiben - besonders bei Mädchen - häufig im Dunkeln. Gelegentlich führen pathologische Prozesse (beispielsweise Tumoren der Hypophyse) oder reaktive beziehungsweise ektopische Hormonproduktion (beispielsweise bei Hypothyreose) zu einer Pubertas praecox. Weitere mögliche Ursachen sind eine Phakomatose, ein Hydrocephalus oder eine exogene Hormonzufuhr.
Periphere Pubertas praecox
Die periphere Pubertas praecox wird auch Pseudopubertas praecox oder GnRH-unabhängige Pubertas praecox genannt und basiert auf einer Überproduktion von Geschlechtshormonen, ohne dass eine Erhöhung der Regulationshormone (Gonadotropin) nachweisbar ist. Mögliche Ursachen einer erhöhten Androgenproduktion sind u.a.:
- adrenogenitales Syndrom
- virilisierende Nebennierenrinden- oder Ovarialtumoren
- Leydigzelltumor
- McCune-Albright-Syndrom
Mögliche Ursachen einer erhöhten Östrogenproduktion sind u.a.:
- hormonproduzierende Keimzelltumoren (z.B. Granulosazelltumoren)
- östrogenproduzierende Tumoren der Nebennieren
Genetisch bedingte Pubertas praecox
Die genetisch bedingte Pubertas praecox basiert auf Veränderungen der DNA. Es konnten bereits bestimmte Genmutationen identifiziert werden, die mit einem Einfluss auf das zeitliche Einsetzen der Pubertät assoziiert sind. Der Großteil des genetischen Hintergrundes ist jedoch noch ungeklärt (Stand 2021).
Klinik
Die Entwicklung des Organismus bei Pubertas praecox vollzieht sich in der normalen Reihenfolge (Thelarche, Pubarche, Wachstumsschub, Menarche), jedoch zu einem viel zu frühen Zeitpunkt. Da auch das Skelett vorzeitig reift, kommt es zu einem vorzeitigen Schluss der Epiphysenfuge mit der Folge eines Kleinwuchses.
Diagnostik
Primär ist der Nachweis oder Ausschluss von hormonbildenden Tumoren (CAVE: Pseudopubertas praecox) von Bedeutung. Daneben erfolgt die Bestimmung der Östrogene, des Prolaktins und der Gonadotropine (FSH, LH) im Blut. Darüber hinaus ist das diagnostische Vorgehen abhängig von der Ätiologie und der Ausprägung:
…bei zentraler und peripherer Pubertas praecox
- Familienanamnese
- Bestimmung des Knochenalters
- Schädelröntgen und cCT/cMRT
- Sonographie und evtl. CT des Abdomens zum Ausschluss eines hormonproduzierenden peripheren Tumors
- Hormonstatus:
- LH
- FSH
- Östradiol
- Testosteron, freies Testosteron und SHBG
- HCG
- 17α-Hydroxyprogesteron
- Cortisol im Serum
- LH-RH-Test
…bei vorzeitiger Thelarche
…bei vorzeitiger Pubes- und Axillarbehaarung
- Hormonstatus:
- Testosteron, freies Testosteron und SHBG
- Dehydroepiandrosteronsulfat
- Androstendion
- 17α-Hydroxyprogesteron
Therapie
Zur Therapie der zentralen Pubertas praecox werden GnRH-Analoga wie Leuprorelin eingesetzt. Die Therapie der Pseudopubertas praecox ist divers und abgängig von der Ursache. Tumoren bedürfen einer chirurgischen oder radiotherapeutischen beziehungsweise chemotherapeutischen Behandlung. Darüber hinaus lässt sich durch die chronische (also nicht-pulsatile) Gabe von GnRH-Analoga eine Funktionsruhe der Hypophyse erreichen, was durch verminderte Gonadotropinsekretion zu einer Ruhigstellung der endokrinen Gonadenfunktion führt.
Quellen
- Laborlexikon.de, abgerufen am 10.05.2021
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