Primary Survey
Englisch: primary survey
Definition
Der Primary Survey ist ein Konzept zur strukturierten und schnellen Erstuntersuchung von Notfallpatienten, die der sofortigen Identifikation und Behandlung lebensbedrohlicher Störungen dient. Er erfolgt unmittelbar bei Eintreffen am Patienten nach dem XABCDE-Schema, ergänzt durch die schnelle Traumauntersuchung (Bodycheck).
Hintergrund
Die Unterscheidung von Primary Survey und Secondary Survey geht auf internationale Konzepte wie ATLS (Advanced Trauma Life Support) und PHTLS (Prehospital Trauma Life Support) zurück. Ziel ist es, durch ein standardisiertes Vorgehen kritische Zustände frühzeitig zu erkennen, lebensrettende Maßnahmen sofort einzuleiten und Fehler durch ein unsystematisches Vorgehen zu vermeiden. Besonders im Schockraum und Rettungsdienst hat sich diese Struktur als essenziell erwiesen, da sie Teamarbeit erleichtert, Sicherheit schafft und die Behandlungsqualität nachweislich verbessert.
Die Inhalte des Primary Survey sind je nach Situation und Konzept nicht völlig einheitlich, sondern können (z.B. im Schockraum) durch spezifische Maßnahmen wie die FAST-Sonographie ergänzt werden. Der Primary Survey sollte bei erfahrenden Notfallteams nicht länger als 120 Sekunden dauern (wenn keine unmittelbaren therapeutischen Maßnahmen erforderlich sind).
Der Secondary Survey (Sekundäruntersuchung) ist eine nachgelagerte, ausführliche Untersuchung, die erst nach Stabilisierung der Vitalfunktionen erfolgt. Sie dient der systematischen Erfassung weiterer Verletzungen und Erkrankungen sowie der Anamneseerhebung.
Ablauf
Das grundlegende Konzept der Untersuchungen und Maßnahmen im primary survey folgt dem Leitsatz „treat first what kills first“ (behandle zuerst, was zuerst tötet).
| Schritt | Bedeutung | Untersuchungen und Maßnahmen |
|---|---|---|
| X | eXsanguination
(massive Blutung) |
|
| A | Airway
(Atemweg) |
|
| B | Breathing
(Atmung) |
|
| C | Circulation |
|
| D | Disability |
|
| E | Exposure / Environment (Entscheidung) |
|
Je nach Lehrmeinung kann im Schritt E (Exposure / Environment) zusätzlich der Punkt "Entscheidung" integriert werden, um den Patienten als kritisch oder nicht kritisch einzuordnen und so das gesamte Team auf denselben Informationsstand im Rahmen eines 10-for-10-Team-Timeout zu bringen.
Schlüsselinterventionen wie die Thoraxentlastung bei Spannungspneumothorax oder das Anlegen einer Beckenschlinge bei Beckentrauma haben Vorrang und sollten unabhängig von der empfohlenen 120-Sekunden-Regel durchgeführt werden.
Bei Patienten mit neurologischen Defiziten reicht im Primary Survey eine kurze neurologische Kontrolle (z.B. BE-FAST) aus, während ausführlichere Untersuchungen, wie das HINTS-Schema, im Rahmen des Secondary Survey erfolgen sollten.
Literatur
- Becker, D. (2022). Schockraummanagement. In M. Dietz-Wittstock, M. Kegel, P. Glien, & M. Pin (Hrsg.), Notfallpflege – Fachweiterbildung und Praxis. Springer.
- Flohé S., Matthes G., & Paffrath, T., et al. (2018). Schwerverletztenversorgung. Diagnostik und Therapie der ersten 24 Stunden. Thieme.
- Laue, F., Ramadanov, N., & Matthes, G. (2019). Schockraummanagement beim Schwerverletzten. Notfall und Rettungsmedizin, 22, 63–78.
- Schweigkopfler, U., & Hoffmann, R. (2018). Erstmaßnahmen des Notarztes. In H. C. Pape, F. Hildebarnd, & Rucholtz (Hrsg.), Management des Schwerverletzten (S. 79–88). Springer.
Quelle
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.: S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung (AWMF Registernummer 187-023), Version 4.0 (31.12.2022), zuletzt abgerufen am 19.08.2025