Negativdruck-Lungenödem
Synonyme: Unterdruck-Lungenödem, Postobstruktionslungenödem
Englisch: negative pressure pulmonary edema
Definition
Das Negativdruck-Lungenödem ist ein nicht-kardiogenes Lungenödem, das durch einen raschen Anstieg des negativen intrathorakalen Drucks infolge einer oberen Atemwegsobstruktion verursacht wird. Es gilt als seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation im anästhesiologischen und intensivmedizinischen Kontext.
Epidemiologie
Derzeit (2025) fehlen verlässliche epidemiologische Daten. Retrospektive Fallstudien geben eine Inzidenz von ca. 0,1 % an. Es sind überwiegend jüngere Männer (im Alter von 20 - 30 Jahren), Kinder und Patienten nach HNO-Eingriffen betroffen.
Ätiologie
Ursache ist in etwa 50 % ein Laryngospasmus im Rahmen der Narkoseausleitung. Weitere bekannte Ursachen sind u.a.:
- Beißen auf den Endotrachealtubus bzw. die Larynxmaske mit tiefer Inspiration
- Strangulation
- Beinaheertrinken
- Epiglottitis
- Krupp bzw. Pseudokrupp
Pathophysiologie
Wenn eine Atemwegsobstruktion mit einer forcierten Inspiration einhergeht, wird der intrathorakale Druck stark negativ. Dadurch erhöht sich die rechtsventrikuläre Vorlast und sekundär der hydrostatische Druck in den Lungenkapillaren.
Zudem führt der abrupte Anstieg des venösen Rückstroms zu einer Überdehnung des rechten Ventrikels, was eine Linksverlagerung des Kammerseptums nach sich zieht. Dadurch steigt der enddiastolische Druck im linken Ventrikel (LVEDP) an und seine diastolische Compliance verschlechtert sich.
In der Folge kommt zu einem Druckanstieg in den Lungenkapillaren, der einen überschießenden Flüssigkeitsausstrom in das Lungeninterstitium begünstigt. Zudem wird eine Schädigung der Kapillarendothels als weitere Ödemursache vermutet.
Symptome
Klinisch steht eine akut eingeschränkte Oxygenierung bei zuvor unauffälligem Gasaustausch im Vordergrund. Meist ist rötlich-schaumiges Sekret abzusaugen. Weitere mögliche Symptome sind Dyspnoe und Rasselgeräusche.
Diagnostik
Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Bild und ggf. apparativen Untersuchungen wie:
- Arterielle Blutgasanalyse
- Radiologische Bildgebung (Röntgen-Thorax, seltener CT-Thorax)
Differentialdiagnose
Mögliche Differentialdiagnosen sind:
- Aspiration
- ARDS
- Hypervolämie
- kardiogenes Lungenödem
Therapie
Therapeutisch steht die Beseitigung der Obstruktion und Sicherstellung der Oxygenierung im Vordergrund. Mögliche Maßnahmen sind die Gabe von Sauerstoff, nicht-invasive Beatmung mit PEEP und bei Bedarf die erneute Intubation. Zudem wird von einigen Autoren die Gabe von Schleifendiuretika empfohlen.
Literatur
- Gottschlich B: Extubationsversagen. Anästh Intensivmed 2017
- Ma et al.: Negative pressure pulmonary edema (Review), Exp Ther Med, 2023
- Alb et al..: Das pulmonale Negativdrucködem, AINS, 2006
- Heck et al.: Unterdruck-Lungenödem. In: Repetitorium Anästhesiologie, 5. Auflage, Springer