Patient Blood Management
Definition
Patient Blood Management, kurz PBM, ist ein Konzept zur Prävention und Behandlung von Anämien, zur Vermeidung eines perioperativen Blutverlusts und zum rationalen Einsatz von allogenen Blutprodukten. Die eingedeutschte Bezeichnung ist "Patienten-individualisierte Hämotherapie", diese wird jedoch selten verwendet.
Hintergrund
Eine Anämie ist insbesondere in präoperativen Situationen ein unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte Morbidität und Sterblichkeit sowie einen längeren Krankenhausaufenthalt. Weiterhin erhöht sie die Wahrscheinlichkeit für eine notwendige Transfusion allogener Erythrozytenkonzentrate. Weitere Ursachen einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Bluttransfusionen sind z.B. größere intraoperative Blutverluste oder eine Koagulopathie.
Bluttransfusionen bergen das Risiko für seltene Komplikationen, z.B.
- transfusionsassoziierte Volumenüberladung (TACO)
- allergische Transfusionsreaktionen
- hämolytische Transfusionsreaktionen
- transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI)
- Übertragung von Infektionserregern (z.B. CMV, EBV, Hepatitis-B-Virus)
- Hypothermie
Entsprechend sollte die Indikation zur Bluttransfusion kritisch und in Zusammenschau mit der klinischen Symptomatik gestellt werden.
Maßnahmen
Das Patient Blood Management soll als interdisziplinäres, patientenzentriertes Konzept eine Steigerung der Patientensicherheit bei operativen Eingriffen fördern. Es stützt sich auf drei Säulen:
Erkennung und Therapie einer ggf. vorhandenen Anämie
Bei jedem elektiven Eingriff mit erwarteten Blutverlusten über 500 ml und/oder einer Transfusionswahrscheinlichkeit von über 10 % (z.B. gefäß- oder herzchirurgische Eingriffe) sollte eine ggf. vorhandene Anämie detektiert, abgeklärt und präoperativ korrigiert werden. Zwar ist die häufige Anämie bei chronischer Erkrankung (ACD) nur schwer korigierbar, jedoch lässt sich eine Eisenmangelanämie meist schnell durch parenterale Eisengaben beheben. Dabei sollte möglichst 2 bis 4 Wochen zwischen Therapie und Eingriff liegen, wobei selbst die Eisengabe wenige Tage vor der OP oder sogar postoperativ zu einem besseren Patientenoutcome beitragen kann. Alternativ kann individuell ein Aufschub einer elektiven Operation diskutiert werden.
Um dieses Anämiemanagement besser zu organisieren und in die klinische Routine einzubinden, kann beispielsweise eine spezialisierte Anämieambulanz eingerichtet werden.
Minimierung des Blutverlustes und Nutzung fremdblutsparender Maßnahmen
Zur Minimierung des diagnostischen Blutverlustes (Krankenhausanämie) sollte die Frequenz der Blutentnahmen an den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. Weiterhin ist eine Reduktion der Probenvolumina sinnvoll.
Zur Reduktion des interventionellen Blutverlustes eignen sich folgende fremdblutsparenden Maßnahmen:
- Gerinnungsmanagement:
- präoperative Identifikation möglicher Gerinnungsstörungen
- Überwachung und Korrektur der physiologischen Rahmenbedingungen (z.B. Körpertemperatur, Kalziumkonzentration, pH-Wert)
- Point-of-care-Diagnostik bei Koagulopathien (z.B. mittels Thrombelastometrie oder Impedanzaggregometrie) und ggf. kalkulierte Gabe von Antifibrinolytika oder Desmopressin
- akribische intraoperative Blutstillung
- Auswahl geeigneter chirurgischer Techniken (z.B. minimalinvasive Methoden)
- maschinelle Autotransfusion (MAT) bei Blutverlusten über 500 ml (Wiederaufbereitung von Wundblut während der Operation)
Zu den Fremdblut sparenden Maßnahmen gehört auch die Eigenblutspende. Diese ist aber aus verschiedensten Gründen, unter anderem wegen des hohen organisatorischen Aufwandes, weitgehend verlassen worden.
Rationaler Einsatz von Blutkonserven
Das Ziel einer Bluttransfusion ist nicht die Korrektur von Laborwerten sondern die Sicherstellung einer suffizienten Sauerstoffversorgung des Körpers. Zur Indikationsstellung sollten entsprechend die individuelle Anämietoleranz und der klinische Zustand des Patienten beurteilt werden. Bei einer Hämoglobinkonzentration von über 8 g/dl ist die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten sogar mit einem unklaren Nutzen-Risiko-Verhältnis verbunden. Hilfreich zur Indikationsstellung sind analoge oder digitale Checklisten.[1]
Anwendung
Die Einführung eines PBM ist verbunden mit:
- Vorteilen für die Patientensicherheit (z.B. weniger Transfusionen pro Patient, Reduktion der Sterblichkeit und Infektionsrisikos, kürzere Liegedauer)
- Kosteneinsparungen für das Krankenhaus
Die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind seit 2010 dazu angehalten, die Implementierung von PBM zu unterstützen.[2] Um dies zu ermöglichen, bedarf es einer interdisziplinären Zusammenarbeit und gewissen strukturellen, administrativen und budgetären Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem. 2014 wurde das Deutsche Patient Blood Management Netzwerk am Universitätsklinkum Frankfurt, 2016 das Europäische und 2017 das Weltweite PBM-Netzwerk gegründet. Diese bieten Kliniken eine Plattform der Zusammenarbeit und eine Beratung zur Umsetzung der PBM-Maßnahmen (z.B. in Form von kostenfreien Schulungen). Mitglieder der PBM-Netzwerke können ihre Umsetzung zertifizieren lassen. Weiterhin dient das PBM-Netzwerk der Qualitätssicherung, indem es vierteljährlich anonymisierte klinische Daten zu bestimmten Endpunkten (z.B. Verbrauchsdaten allogener Blutprodukte, Länge des Krankenhausaufenthaltes, Sterblichkeit) erhält und analysiert.
Weblinks
- Webseite Patient Blood Management, abgerufen am 23.10.2019
- Patient Blood Management - DocCheck News
Quellen
- ↑ Goodnough LT et al. Improved blood utilization using real-time clinical decision support., Transfusion. 2014 May;54(5):1358-65, abgerufen am 23.10.2019
- ↑ WHO: World Health Association (WHO). The World Health Assembly. Resolution on availability, safety and quality of blood products (WHA 63.12). 2010, abgerufen am 10.01.2022
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