Lipiodol
Handelsname: Lipiodol® Ultra Fluid
Definition
Lipiodol ist der Handelsname eines jodhaltigen, öligen Röntgenkontrastmittel auf Basis von veresterten Fettsäuren des Mohnöls. Es wird in der Radiologie, insbesondere in der interventionellen Radiologie, eingesetzt. Es vereint physikalische Eigenschaften eines hydrophoben Trägermediums mit einer hohen Röntgendichte und fungiert sowohl als diagnostisches als auch therapeutisches Hilfsmittel.
Chemie
Lipiodol besteht chemisch aus Fettsäureethylestern (hauptsächlich Ethyloleat und Ethyllinoleat), die mit Jod substituiert sind. Der Jodgehalt beträgt etwa 480 mg/ml, also 38-40 % des Molekulargewichts. Die Substanz ist viskös, farblos bis leicht gelblich, mit einem spezifischen Gewicht von etwa 1,28 g/cm³ bei 20 °C. Aufgrund seiner lipophilen Eigenschaften mischt sich Lipiodol nicht mit Wasser oder Blut, bleibt jedoch stabil in Kontakt mit biologischen Geweben.
Es weist folgende physikochemische Eigenschaften aus:
- Viskosität: 25–30 mPa·s bei 20 °C
- Dichte: 1,28 g/cm³
- Jodgehalt: 480 mg/ml
- Halbwertszeit im Gewebe: variabel, abhängig von Durchblutung und Retention (Tage bis Monate)
- Röntgenopazität: hoch, stabile Sichtbarkeit auch in kleinsten Gefäßen
Pharmakokinetik
Nach intravasaler Applikation verteilt sich Lipiodol entsprechend den hämodynamischen und physikalischen Bedingungen des Zielgewebes. Aufgrund seiner hydrophoben Natur reichert es sich bevorzugt in fettreichen, nekrotischen oder hypoperfundierten Arealen an, während es aus vitalem, stark durchblutetem Gewebe rasch ausgeschwemmt wird. Die Verteilung erfolgt langsam und bleibt aufgrund der hohen Viskosität lokal begrenzt. Lipiodol wird nicht enzymatisch metabolisiert, sondern überwiegend durch Phagozytose in Makrophagen aufgenommen und intrazellulär abgebaut. Der weitere Abtransport erfolgt über das retikuloendotheliale System, hauptsächlich in der Leber. Die Ausscheidung erfolgt biliär, in geringerem Maße pulmonal. Eine geringe systemische Freisetzung von Jod kann auftreten, was bei großvolumiger Anwendung Schilddrüsenreaktionen induzieren kann.
Pharmakodynamik
Lipiodol entfaltet keine pharmakologisch aktive Wirkung im engeren Sinn. Sein Effekt beruht auf physikalisch-mechanischen Eigenschaften (hohe Dichte, Viskosität und Lipophilie). Diese führen zur langsamen Gefäßpassage, zur temporären Mikroembolisation kleiner Gefäße und zur selektiven Anreicherung in tumorösem oder lymphatischem Gewebe. Dadurch dient Lipiodol als Trägermedium, Depot und Kontrastmittel zugleich. In Kombination mit zytotoxischen oder polymerisierenden Substanzen (z.B. Chemotherapeutika, Cyanoacrylate) bestimmt es deren lokale Verteilung, Freisetzungskinetik und Sichtbarkeit unter Röntgen- bzw. CT-Bildgebung.
Anwendungen
Interventionelle Onkologie
Lipiodol dient als Trägeröl für Chemotherapeutika (z.B. Doxorubicin, Cisplatin) bei der transarteriellen Chemoembolisation (TACE) hepatozellulärer Karzinome. Es wird mit dem Zytostatikum emulgiert und in die Tumorarterien injiziert. Lipiodol haftet selektiv an Tumorgewebe und sorgt für verlängerte lokale Wirkstofffreisetzung bei gleichzeitiger Ischämie.
Endovaskuläre Embolisation
Lipiodol wird bei der endovaskulären Embolisation als röntgendichtes Verdünnungs- und Steuerungsmedium für Flüssigembolisate (v.a. N-Butyl-Cyanoacrylate wie Glubran 2 oder Histoacryl) verwendet. Das Mischungsverhältnis (1:1 bis 1:5) beeinflusst die Polymerisationszeit und Fließstrecke des Klebers. Ein hoher Lipiodolanteil (z.B. 1:4) verlängert die Polymerisationszeit und verbessert die Katheterkontrolle, reduziert aber die Haftkraft, sodass das Risiko für eine Non-Target-Embolisation steigt. Umgekehrt führt ein Mischungsverhältnis von 1:1 zu einer raschen Polymerisation und einer kurzen Reichweite.
Lymphangiographie und Lymphintervention
Zur Lymphangiographie kann Lipiodol selektiv in periphere Lymphgefäße injiziert, um Lymphbahnen radiologisch darzustellen. Durch seine hohe Viskosität fließt es langsam und ermöglicht eine detaillierte Darstellung des Lymphsystems. Therapeutisch führt es auch gleichzeitig zu einem Verschluss von Gallengangsleckagen (z.B. bei Chylothorax oder Chylaszites).
Tuben-Spülung
Historisch wurde Lipiodol in der Hysterosalpingographie zur Darstellung der Uterushöhle und der Tubenpassage. Mit der Einführung wasserlöslicher Kontrastmittel wurde es in dieser Indikation weitgehend verdrängt, da diese eine bessere Bildauflösung und geringeres Persistenzrisiko bieten. In der Reproduktionsmedizin wird Lipiodol jedoch weiterhin vereinzelt zur sogenannten "Tuben-Spülung" bzw. "Lipiodol-Flush" eingesetzt. Dabei wird das ölige Kontrastmittel nicht primär diagnostisch, sondern therapeutisch appliziert, um durch mechanische und entzündungsmodulierende Effekte die Tubenpassage zu verbessern. Klinische Beobachtungen und einzelne Studien berichten über eine vorübergehend erhöhte Schwangerschaftsrate, wobei ein eindeutiger kausaler Wirkmechanismus bislang (2025) nicht gesichert ist.
Bildgebung
Lipiodol ist auf konventionellen Röntgen- und CT-Aufnahmen sehr hyperdens (ca. 200 bis 500 HU). Nach vorheriger Applikation z.B. bei TACE persistiert es entsprechend im Tumor bzw. Embolisationsgebiet, was eine präzise Nachverfolgung der Therapie erlaubt.
Nebenwirkungen
Lokale Schmerzen und Fieber sind möglich. Systemische Lipiodol-Embolien treten selten auf, vor allem bei pulmonaler Passage größerer Mengen. Fettembolien, Ödem, Leberenzymanstieg und allergische Reaktionen sind beschrieben, bleiben aber in der Regel selbstlimitierend.
Kontraindikationen
Kontraindikationen bestehen bei schwerer hepatischer Dysfunktion, Rechtsherzinsuffizienz und pulmonaler Hypertonie.
Interaktionen
Lipiodol selbst ist pharmakologisch inert, beeinflusst aber physikalisch die Kinetik von Koapplikaten wie Cyanoacrylatklebern oder Chemotherapeutika. Es kann Mikrokatheter verstopfen, wenn die Mischung zu viskös oder polymerisationsaktiv ist.
Zulassung
Lipiodol Ultra-Fluid (Guerbet, Frankreich) ist CE-zertifiziert und in der EU sowie den USA als iodiertes Öl-Kontrastmittel für lymphographische und hepatische Anwendungen zugelassen.