IVF Add-on
Definition
Als IVF Add-ons bezeichnet man Therapien oder Diagnoseverfahren, die in der Reproduktionsmedizin zusätzlich neben den Standardmethoden angeboten werden. Sie sollen die Erfolgsraten einer Kinderwunschbehandlung verbessern.
Hintergrund
Die Verwendung von Add-ons ist in der Reproduktionsmedizin weit verbreitet und wird IVF-Patienten meist routinemäßig angeboten. Derzeit (2024) sind ca. 80 solcher Begleitverfahren beschrieben – mit steigender Tendenz.
Einteilung
Bei den IVF Add-ons wird zwischen diagnostischen und therapeutischen Add-ons unterschieden. Beispiele sind:
Diagnostische Add-ons
- Untersuchung der endometrialen Rezeptivität (z.B. "ERA-Test")
- Zellzahlbestimmung uteriner NK-Zellen (UNK)
- Untersuchung auf endometriale Plasmazellen (CD138)
- Untersuchung des endometrialen oder vaginalen Mikrobioms
- KIR-Gen-Bestimmung
- PGT-A ("Preimplantation Genetic Testing for Aneuplodies"), ein Aneuploidiescreening
- Time-lapse Imaging
- Untersuchung der DNA-Fragmentierung in Spermien
- Vitamin-D-Status
- Mitochondrialer DNA-Gehalt im Blastozystenbiopsat
Therapeutische Add-ons
- Hyaluronsäure angereichertes Kulturmedium
- Endometrial Scratching
- PICSI
- AOA (außerhalb der Indikation Globozoospermie)
- IVIG
- Tacrolimus
- Intralipid-Infusion
- PRP (ovarielle Applikation)
- DuoStim (Stimulationsprotokoll, das auf der Durchführung von zwei aufeinanderfolgenden hormonellen Stimulationen basiert)
- Uterine Spülungen (HCG, PRP, G-CSF)
- Stammzelltherapien
- Glukokortikoid-Gabe
- Akupunktur
- TNF-Hemmer
- PBMC
- Mitochondrienersatztherapie
- In-vitro-Maturation (IVM)
- Intravaginale Kultur (IVC)
- Intrauterine Kultur (IUC)
- Heparin
- ASS
- Hydroxychloroquin
- DHEA
Kritik
Die verfügbaren Add-ons werden kontrovers diskutiert. Die Kritikpunkte umfassen die mangelnde Transparenz über die durchzuführenden Interventionen, den Mangel an Evidenz für deren Wirksamkeit und die aggressive Bewerbung der Add-ons. Sie wecken häufig die Hoffnung der Patienten, legen aber nur selten wissenschaftliche Quellen zugrunde.[1]
Auch stehen einige der angebotenen Add-ons im Verdacht, schädlich zu sein bzw. die Therapieergebnisse auch maßgeblich zu verschlechtern. Dies betrifft unter anderen die immunmodulatorischen Add-ons, die endometrialen Rezeptivitätstests sowie das Aneuploidiescreening.[2][3][4]
Bewertung
Die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) hat ein 5-stufiges Bewertungssystem eingeführt, um den Kinderwunschpatienten zu helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen:[5]
- Stufe 1: evident
- Stufe 2: widersprüchliche/moderate Datenlage
- Stufe 3: nicht bewertbar aufgrund ungenügender wissenschaftlicher Datenlage
- Stufe 4: Datenlage zeigt keinen Zusatznutzen des Add-ons
- Stufe 5: Sicherheitsbedenken und/oder insgesamt eine Evidenz mittlerer/hoher Qualität, dass dieser Zusatz die Wirksamkeit der Behandlung verringern kann
Keines der in der Studie aufgeführten Add-ons wurde dabei als evident eingestuft. Zu einem ähnlichen Schluss kommen die Good-Practice-Empfehlungen der ESHRE zu Add-ons in der Reproduktionsmedizin.[6]
Literatur
- ↑ van de Wiel L et al. The prevalence, promotion and pricing of three IVF add-ons on fertility clinic websites. Reprod Biomed Online. 2020 Nov;41(5):801-806.
- ↑ Robertson SA et al. Corticosteroid therapy in assisted reproduction - immune suppression is a faulty premise. Hum Reprod. 2016 Oct;31(10):2164-73.
- ↑ Doyle N et al; Effect of Timing by Endometrial Receptivity Testing vs Standard Timing of Frozen Embryo Transfer on Live Birth in Patients Undergoing In Vitro Fertilization: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2022 Dec 6;328(21):2117-2125.
- ↑ Wirleitner B et al. Embryo drop-out rates in preimplantation genetic testing for aneuploidy (PGT-A): a retrospective data analysis from the DoLoRes study. J Assist Reprod Genet. 2024 Jan;41(1):193-203.
- ↑ Human Fertilisation and Embryology Authority; abgerufen am 26.04.2024
- ↑ ESHRE Add-ons working group; Lundin K et al. Good practice recommendations on add-ons in reproductive medicine†. Hum Reprod. 2023 Nov 2;38(11):2062-2104.
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