Frühabort
Synonym: Frühe Fehlgeburt, früher Schwangerschaftsverlust
Englisch: early miscarriage, early pregnancy loss
Definition
Ein Frühabort bezeichnet eine nicht lebensfähige Schwangerschaft mit einer leeren Fruchtblase oder einer Fruchtblase mit einem Embryo oder Fetus ohne Herzaktion in den ersten 12 Schwangerschaftswochen post conceptionem. Die Lokalisation kann innerhalb oder außerhalb des Uterus sein.
Terminologie
Im ersten Trimester werden häufig die Begriffe Fehlgeburt, Spontanabort und früher Schwangerschaftsverlust synonym verwendet. In der Literatur besteht kein einheitlicher Begriff. Ab der 13. SSW wird von einem Spätabort gesprochen. Es existiert jedoch kein Konsens über die korrekte Terminologie zwischen den (inter)nationalen Fachgesellschaften.
Epidemiologie
Frühaborte sind häufig. Einige Studien gehen davon aus, dass zahlreiche Konzeptionen in einem meist unbemerkten Frühabort enden.
Das Risiko eines Spontanabortes liegt bei ca. 15 bis 20 %. Davon ereignen sich etwa 80 % vor der 12. Gestationswoche (größtenteils schon bis zur 5. SSW).
Nach dem Nachweis einer Herzaktivität reduziert sich das Risiko eines Abortes auf ca. 10 %. Ab der 15. Gestationswoche liegt die Wahrscheinlichkeit eines Abortes, abhängig vom Alter und der Anzahl vorausgegangener Aborte, bei durchschnittlich 1 bis 3 %.
Ätiologie
Etwa 50 % aller Fälle von frühen Schwangerschaftsverlusten sind durch Chromosomenanomalien – einschließlich Trisomien, Monosomien und Polyploidien – des Fötus bedingt. Zudem sind ein großer Teil der Schwangerschaftsverluste vermutlich auf chromosomale Mosaike zurückzuführen. Darüber hinaus wird angenommen, dass in einigen Fällen immunologische Dysregulationen und Fehler beim Implantationsprozess eine Rolle spielen.
Bekannte Risikofaktoren, die zu Frühaborten führen, sind:
- Alter der Mutter. Die Häufigkeit eines Frühabortes steigt mit dem mütterlichen Alter an (9-17 % bei 20-30 Jahren, 20 % bei 35 Jahren, 40 % bei 40 Jahren, 80 % bei 45 Jahren)
- unzureichender Progesteronspiegel
- Infektionen
- chronische Erkrankungen der Mutter, z.B. Adipositas, Diabetes mellitus, Zöliakie, Schilddrüsen- und Autoimmunerkrankungen, Antiphospholipid-Syndrom
- Umwelt- und Lebensstilfaktoren, z.B. Exposition gegenüber Umweltgiften, Strahlung, bestimmte Medikamente, Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum
Abortformen
Die Symptome eines frühen Schwangerschaftsverlusts hängen von der Art und dem Stadium des Abortes ab. Ein Frühabort kann über Ultraschalldiagnostik oder laborchemisch (hormonell) diagnostiziert werden.
Folgende Abortformen werden unterschieden:
- Biochemische Schwangerschaft: Diagnose, die ausschließlich auf sinkenden hCG-Spiegeln basiert, ohne dass jemals eine Schwangerschaft im Ultraschall sichtbar wurde.
- Frühstabort: Abgang einer Schwangerschaft bereits vor, während oder kurz nach der Implantation. Klinisch zeigen sich verstärkte und verzögert einsetzende Blutungen. Da sich der Abort oft im Zeitraum der erwarteten Menstruation ereignet, wird er oft nicht als Fehlgeburt, sondern als verspätete oder stärkere Regelblutung wahrgenommen.
- Abortus imminens (drohende Fehlgeburt): Vaginale Blutung im 1. Trimenon, meist ohne Schmerzen bei geschlossenem Muttermund und sonographisch intakter intrauteriner Schwangerschaft.
- Abortus incipiens (nicht aufzuhaltender Abort): dislozierte, deszendierte Fruchthöhle im Zervikalkanal
- Missed Abortion: Fehlgeburt, bei der die Fruchtanlage abgestorben ist, aber nicht spontan aus dem Uterus ausgestoßen wird
- Abortus incompletus (inkompletter Schwangerschaftsverlust): Fruchtanlage nicht komplett aus der Gebärmutter ausgestoßen
- Abortus completus (kompletter Schwangerschaftsverlust): gesamte Fruchtanlage ausgestoßen, im Ultraschall ist die Schwangerschaft nicht mehr festzustellen
- Wiederholter Abort: Je nach Fachgesellschaft existieren unterschiedliche Auffassung in Anzahl der Aborte, darin ob biochemische Schwangerschaften inkludiert sind oder nicht und ob diese konsekutiv sein müssen.
- Blasenmole (Windmole): Schwangerschaft mit einem leeren und wachsenden Fruchtsack ohne nachweisbare embryonale Anteile
- Septischer Abort
Maßnahmen
Beim Frühabort stehen drei Behandlungsoptionen zur Verfügung:
- abwartendes Vorgehen
- medikamentöses Vorgehen (z.B. Misoprostol)
- (Saug)kürettage
Psychische Aspekte
Die Häufigkeit von frühen Schwangerschaftsverlusten ist den meisten Frauen nicht bewusst. Ein Abort – auch in frühen Schwangerschaftswochen – kann psychisch sehr belastend sein. Nach der Behandlung von Fehlgeburten kann es zu Depressionssymptomen, Angst- und posttraumatischer Belastungsstörung kommen.
Weblinks
- Patientinneninformationsblatt der S2k Leitlinie "Früher Schwangerschaftsverlust im 1. Trimenon"
Quellen
- Nybo Andersen et al, Maternal age and fetal loss: population based register linkage study. BMJ. 2000;320:1708-12.
- Wilcoxet al., Incidence of early loss of pregnancy. N Engl J Med. 1988 Jul 28;319(4):189-94.
- Early pregnancy loss in the 1st trimester. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level, AW MF Registry No.015/075, August 2024). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-076.html
- Quenby et al. Miscarriage matters: the epidemiological, physical, psychological, and economic costs of early pregnancy loss. Lancet. 2021 May 1;397(10285):1658-1667.