Felsenbeinlängsfraktur
Synonym: Felsenbeinlängsbruch
Englisch: longitudinal temporal bone fracture
Definition
Unter einer Felsenbeinlängsfraktur versteht man einen Knochenbruch (Fraktur) des Felsenbeins in Längsrichtung.
Ätiopathogenese
Eine Felsenbeinlängsfraktur wird durch Kraftvektoren hervorgerufen, die auf den lateralen Anteil des Kopfes zeigen, d.h. durch eine seitliche Gewalteinwirkung, z.B. durch Sturz auf das Ohr. Die Fraktur verläuft dabei ausgehend vom Processus mastoideus oder der Pars squamosa des Os temporale durch die Paukenhöhle und entlang der ventralen Kante des Felsenbeins.
Durch den Verlauf der Fraktur durch die Paukenhöhle und die hintere obere Wand des äußeren Gehörganges kommt es zu einer Zerreißung des Trommelfells im hinteren oberen Quadranten. Eine Luxation des Amboss ist ebenfalls möglich.
Extratympanale Frakturen werden eher selten beobachtet.
Klinik
Eine Felsenbeinlängsfraktur führt zu einer Blutung aus dem äußeren Gehörgang; wenn die Dura mater ebenfalls zerrissen ist, lässt sich zusätzlich ein Liquorabfluss beobachten (Otoliquorrhoe). Die betroffenen Patienten klagen ebenfalls über eine verminderte Hörfähigkeit.
Bei jedem fünften Patienten lässt sich eine periphere Facialisparese beobachten, die entweder primär oder erst sekundär einige Tage nach dem Unfall auftreten kann.
In einigen Fällen lässt sich ein Spontannystagmus beobachten, wobei das Vestibularorgan jedoch in der Regel nicht beschädigt worden ist.
Komplikationen
Bei Felsenbeinfrakturen besteht die Gefahr einer aufsteigenden Infektion mit Hirnabszessen und Meningitis.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollte an eine Fraktur des Gehörganges gedacht werden.
Diagnostik
Bei Verdacht auf eine Felsenbeinlängsfraktur wird eine Computertomographie des Felsenbeins angefertigt.
Beim Weber-Versuch wird ins kranke Ohr lateralisiert; im Audiogramm zeigt sich eine Schallleitungsschwerhörigkeit.
Der Stapediusreflex ist bei Luxation des Amboss ausgefallen. In der Tympanometrie zeigt sich in diesem Fall eine Erhöhung der Kurve.
Therapie
Das betroffene Ohr sollte steril abgedeckt werden, der Patient sollte im Bett liegen. Ohrspülungen sind obsolet, die Gabe von Antibiotika obligat.
Eine Operation ist indiziert bei starker Blutung, intrazerebralen Komplikationen oder nicht sistierendem Liquorfluss. Es wird dabei eine Mastoidektomie durchgeführt, die ggf. durch eine Kraniotomie mit Duraplastik ergänzt wird.
Bei Facialisparese sollten aktive und passive Facialisübungen durchgeführt werden. Bei Zerreißung des Nervus facialis wird der Nerv operativ freigelegt. Es folgt eine Nervennaht oder eine autologe Nerventransplantation, wenn die Elektroneurographie eine Woche nach der Verletzung eine Degeneration von mehr als 90% der motorischen Fasern anzeigt.
Eine sekundäre Facialisparese wird rheologisch und mit Glukokortikoiden behandelt.
Wenn die Schallleitungschwerhörigkeit von mehr als 30 bis 40 Dezibel persistiert, sollte eine Tympanoplastik durchgeführt werden.
Prognose
Die Prognose der Felsenbeinlängsfraktur hängt von der Ausprägung gleichzeitig vorhandener Verletzungen des Gehirns sowie von eventuellen endokraniellen Komplikationen ab.
Die primäre Facialisparese hat eine eher ungünstige Prognose, da sie in der Regel durch eine starke Zerrung des Nerven, durch eine komplette Zerreißung oder durch eine Einspießung von Knochenfragmenten in den Facialiskanal hervorgerufen wird. Die Prognose der sekundären Facialisparese ist dagegen eher gut. Es wird vermutet, dass ein Hämatom oder ein Ödem im Kanal des Nervus facialis zur typischen Symptomatik führt. In neun von zehn Fällen wird eine Spontanerholung beobachtet.
Als Spätfolge kann sich ein Cholesteatom entwickeln.