Wolfram-Syndrom
Synonym: DIDMOAD-Syndrom
Englisch: Wolfram syndrome
Definition
Beim Wolfram-Syndrom handelt es sich um eine seltene neurodegenerative Erbkrankheit mit einer funktionellen Störung des endoplasmatischen Retikulums. Charakteristische Symptome sind Diabetes insipidus, Diabetes mellitus, Optikusatrophie und Taubheit (deafness) (DIDMOAD-Syndrom).
Genetik
Der Erbgang verläuft autosomal-rezessiv. Ursächlich sind Mutationen der Gene WFS1, WFS2 oder CISD2 auf Chromosom 4. WFS1 mit dem Genlokus 4p16.1 besteht aus acht Exons und ist deutlich häufiger betroffen. Mutationsanalysen zeigen eine erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit von Mutationen auf Exon 8.
Das WFS1-Gen kodiert für das Glykoprotein Wolframin im ER. Dieses besteht aus neun transmembranären Segmenten und ist an der Calcium-Homöostase beteiligt. Vermutlich fungiert es als Calciumkanal. Eine Funktionsstörung des Proteins bewirkt eine erhöhte zytosolische Calciumkonzentration mit einer nachfolgenden Hyperaktivität des Enzyms Calpain 2. Dies führt höchstwahrscheinlich den allmählichen Untergang von Beta-Zellen und Nervenzellen herbei und ist begleitet von charakteristischen phänotypischen Merkmalen.
Symptomatik
Die klinischen Hauptmerkmale des Wolfram-Syndroms sind juveniler Diabetes mellitus (ohne Autoimmunität oder HLA-Assoziation) und Optikusatrophie im ersten Lebensjahrzehnt. Die beidseitige Optikusdegeneration äußert sich in einer reduzierten Sehschärfe und im Verlust des Farbsehens. Später treten ein sensorineuraler Hörverlust und ein Diabetes insipidus auf.
Zusätzlich sind u.a. folgende Symptome bekannt:
- Ataxie
- Neuropathie
- Demenz
- psychiatrische Störungen
- Störungen der ableitenden Harnwege
- Apnoe
Der Krankheit verläuft progressiv und führt häufig durch Atemstillstand zum vorzeitigen Tod.
Diagnostik
Im Rahmen einer klinischen Untersuchung sind die minimal-diagnostischen Kriterien des Wolfram-Syndroms zu überprüfen. Unabhängig davon bieten die Pränataldiagnostik und die Genanalyse genaueren Aufschluss.
Aus dem EDTA-Blut eines Patienten wird die genomische DNA isoliert. Die kodierenden Exons des WFS1-Gens werden mittels PCR amplifiziert und anschließend einer DNA-Sequenzierung unterzogen. Ziel ist die Entschlüsselung der Nukleotidabfolge zur Identifizierung von Mutationen. Alternativ kann jedes Exon in einer Deletions- oder Duplikationsanalyse mittels MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification) untersucht werden.
Therapie
Der zugrundeliegende Gendefekt kann zur Zeit (2016) nicht beseitigt werden. Die Behandlung ist rein symptomatisch und setzt sich u.a. aus folgenden Komponenten zusammen:
- jährliches Screening für Seh- und Hörstörungen
- Insulintherapie des Diabetes mellitus
- Antibiotika-Prophylaxe von Harnwegsinfekten
- psychotherapeutische Betreuung im Hinblick auf Depressionen und andere psychiatrische Symptome
Das Muskelrelaxans Dantrolen wird als potentielle Therapieoption beim Wolfram-Syndrom diskutiert. In Stammzellexperimenten konnte der Untergang von Beta-Zellen und Nervenzellen durch Dantrolen verhindert werden, allerdings wurde es bis 2014 noch nicht therapeutisch eingesetzt.[1]