Meerrettich
Synonym: Armoracia rusticana
Englisch: horseradish
Definition
Der Meerrettich ist eine Pflanze der Gattung Armoracia aus der Familie der Kreuzblütler.
Merkmale
Der Meerrettich wird bis zu 1,5 m hoch und besitzt einen kantig gefurchten, hohlen Stängel. Die grundständigen Blätter sind länglich bis elliptisch, die unteren Blätter lappig oder fiederspaltig und die oberen Stängelblätter länglich oder lanzettlich. Am oberen Teil der Pflanze befinden sich zahlreiche weiße, zu Trauben angeordnete Blüten. Die Früchte (Schötchen) sind kugelig und stehen an langen, dünnen Stielen. Blütezeit ist Mai bis Juli.
Zu medizinischen Zwecken werden ausschließlich die bis zu 50 cm langen und etwa 6 cm dicken Wurzeln (Radix Armoraciae) verwendet. Sie sind bei kultivierten Pflanzen dick und fleischig.
Inhaltsstoffe
Der Meerrettich beinhaltet Senfölglykoside (Glucosinolate). Beim Zerschneiden der Wurzel kommen sie mit dem Enzym Myrosinase in Kontakt und werden hydrolysiert (Abspaltung des Zuckerrests). Dadurch erfolgt eine Umlagerung zu den flüchtigen, scharf schmeckenden Senfölen (Isothiocyanate).
In der Meerrettichwurzel dominieren Gluconasturtiin und Sinigrin, die sich nach der Hydrolyse zu 2-Phenylethylisothiocyanat (Phenylethylsenföl) und Allylisothiocyanat (Allylsenföl) umlagern. Außerdem enthält sie Phenolcarbonsäuren, Cumarine, Vitamin C, B1, B2, B6, Flavonoide (Flavon, Quercetin) und Mineralstoffe sowie Asparagin, Glutamin, Arginin, organisch fixierten Schwefel und das Enzym Meerrettich-Peroxidase.
Wirkungen
Der scharfe, bittere Geschmack von Merrettich führt zur Anregung der Magensaft- und Gallensäure-Produktion sowie zur Appetitsteigerung. Wurzelextrakte zeigten im Tierversuch eine direkte spasmolytische Wirkung z.B. im Gastrointestinaltrakt, an Gefäßen und Bronchien. Äußerlich angewendet fördert die Meerrettichwurzel die Durchblutung des Muskelgewebes.
Die Senföle sind fettlöslich und werden gut im Dünndarm aufgenommen. Im Blutkreislauf werden sie durch kovalente Bindung an Proteine transportiert, bis sie in Harnwegen und Lungen ihre volle Wirkung entfalten. Dort besitzen sie bakteriostatische bzw. bakterizide Effekte, indem sie u.a. auf die Bakterienzellwand einwirken oder bakterielle Enzyme hemmen und so den Stoffwechsel der Mikroorganismen stören. Da die Senföle bereits im Dünndarm resorbiert werden, bleibt im Gegensatz zum Einsatz von Antibiotika das Dickdarm-Mikrobiom unbeeinflusst.
Merrettich wirkt außerdem entzündungshemmend und antiviral. Die Senföle sind auch wirksam gegen Pilze (z.B. Candida albicans). Des Weiteren wirken Senföle und Flavonoide antioxidativ: Sie können freie Radikale abfangen und hochreaktive Verbindungen in unschädliche überführen.
Anwendung
In der traditionellen Medizin wird die Meerrettichwurzel innerlich bei Atemwegsinfektionen, Harnwegsinfekten und zur Verdauungsförderung sowie äußerlich bei Gicht, rheumatoider Arthritis, Kopfschmerzen oder Sinusitis als Auflage eingesetzt.
In der 2017 aktualisierten S3-Leitlinie "unkomplizierte Harnwegsinfektionen" wird Meerrettich als phytotherapeutische Option bei häufig wiederkehrenden Infektionen der Harnwege erwähnt.[1] Verschiedene Studien belegen, dass die im Meerrettich enthaltenen Senföle bei unkomplizierten Atemwegs- und Harnwegsinfekten wirksam und gut verträglich sind.
Nebenwirkungen
Risiken sind bei der Anwendung von bestimmungsgemäßen Dosen (mittlere Tagesdosis: 20 g) der Meerrettichwurzel nicht bekannt. In seltenen Fällen kann es zu Magen-Darm-Beschwerden kommen. Auch sollte wegen der schleimhautreizenden Wirkung durch die hochaktiven Senföle keine Einnahme bei Magen-Darm-Geschwüren und Nierenerkrankungen sowie bei Kindern unter 4 Jahren erfolgen.
Applikation
Die Meerrettichwurzel erhielt bisher keine Einstufung als traditionelles Arzneimittel im Sinne des § 39a AMG (Arzneimittelgesetz). Sie ist jedoch in Kombination mit anderen Wirkstoffen als pflanzliches Fertigarzneimittel in Apotheken erhältlich (Handelsname z. B. Angocin®).
Bei Blasenentzündungen und Atemwegsbeschwerden kann ein Teelöffel der frisch geriebenen Wurzel (10–15 g) mit der gleichen Menge Honig oder Joghurt versetzt dreimal täglich eingenommen werden.
Zur äußerlichen Anwendung ist eine Salbe (Cochlearia armoracia Ungt 10 %, 2–3-mal täglich auftragen) erhältlich. Auch ein Umschlag (Kataplasma) aus geriebener Meerrettichwurzel ist ein hilfreiches Hausmittel. Dabei wird ein Leintuch auf die schmerzende Stelle bzw. bei Atemwegserkrankungen auf die Brust aufgelegt und der frisch geriebene Meerrettich darauf ausgebreitet. Die Auflage wird dann abgedeckt. Der Umschlag sollte nicht länger als 5–10 Minuten einwirken. Hautkontakt ist zu vermeiden, da Hautrötungen auftreten können.
Quellen
- ↑ S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen, 2017, abgerufen am 17.01.2020