Allgemeiner Untersuchungsgang (Heimtier)
Synonyme: Klinische Untersuchung, allgemeine klinische Untersuchung
Definition
Der allgemeine Untersuchungsgang ist ein standardisierter Untersuchungsgang, der bei Heimtieren durchgeführt wird und als Grundlage für die spätere Diagnose dient.
Hintergrund
Der allgemeine Untersuchungsgang ist zumindest bei der Erstuntersuchung eines Tieres vollständig durchzuführen. Die dabei erhobenen klinischen Parameter sind wegweisend für alle weiterführenden Untersuchungsgänge (z.B. neurologischer Untersuchungsgang).
Untersuchungspunkte
Beim allgemeinen Untersuchungsgang werden insgesamt 15 einzelne Punkte abgearbeitet, die wiederum in unterschiedlich viele einzelne Untersuchungsschritte gegliedert sind:
- Nationale
- Anamnese
- Allgemeinverhalten
- Körperhaltung
- Ernährungszustand
- Untersuchung von Haut, Haarkleid und Horngebilde
- Innere Körpertemperatur
- Puls, peripherer Kreislauf
- Untersuchung des Kopfes
- Untersuchung der Halsregion
- Untersuchung des Thorax
- Untersuchung des Abdomens
- Harnapparat
- Untersuchung der Geschlechtsorgane
- Untersuchung der Gesäuges
Im Folgenden werden nur die physiologischen Befunde und etwaige Abweichungen beim Heimtier aufgelistet. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Punkte ist hier durchzulesen: Allgemeiner Untersuchungsgang (Fleischfresser).
Nationale
Anamnese
Zusätzlich zur Krankengeschichte und etwaigen Vorbehandlungen sind die vier W's zu erfragen: "Was hat wann, wie begonnen und wie ist der Verlauf?".
Allgemeinverhalten
Bei den Heimtieren wird das Allgemeinverhalten in der Transportbox noch vor der Manipulation befundet. Bei nachtaktiven Tieren (z.B. Chinchillas) muss das Allgemeinverhalten über die Anamnese erhoben werden.
Die physiologischen Befunde sind von Heimtier zu Heimtier unterschiedlich. Während Kaninchen neugierig sind, sind Meerschweinchen vergleichsweise ruhig und zurückhaltend. Frettchen wiederum müssen aktiv geweckt werden, da sie häufig in der Transportbox schlafen.
Körperhaltung
Die Körperhaltung ist abhängig von der Tierart. Das Kaninchen zeigt eine aufrechte und neugierige Körperhaltung mit intensivem Nasenspiel. Meerschweinchen hingegen verharren meist in geduckter Stellung in einer Ecke und lassen die notwendigen Untersuchungen über sich ergehen. Chinchillas wiederum sind sehr bewegungsfreudig.
Der physiologische Befund lautet: "der Tierart entsprechend".
Ernährungszustand
Bei Heimtieren darf die Beurteilung des Ernährungszustands nie alleine durch Adspektion geschehen, da durch die zusammengekauerte Haltung und das dichte Fell eine Abmagerung oftmals leicht übersehen wird. Aus diesem Grund müssen stets die Rippen, die Beckenknochen, das Kinn und der Axillarbereich palpiert werden.
Der physiologische Befund lautet: "gut".
Haut, Haarkleid und Horngebilde
Beim Heimtier wird das Fell gescheitelt und gegen den Strich untersucht. Hierbei sind v.a. auf Ektoparasiten und Veränderungen wie Rötungen und übermäßige Schuppenbildung zu achten. Zusätzlich sind die Pfotenunterseiten auf Druckstellen und die artspezifischen Drüsen zu überprüfen (z.B. Flankendrüsen beim Hamster oder Bauchdrüsen bei Rennmäusen).
Der physiologische Befund lautet: "Hautoberfläche o.b.B., Haarkleid o.b.B. und die Hautelastizität ist erhalten"
Innere Körpertemperatur
Da bei Heimtieren bereits Stress (z.B. durch Fixationsmaßnahmen) die Körperinnentemperatur stark ansteigen lässt, hat die Messung nur eine geringe Aussagekraft. Eine regelmäßige Überprüfung der Temperatur ist daher nur bei stark geschwächten Tieren und zur Narkoseüberwachung sinnvoll.
Der physiologische Befund lautet:
- Kaninchen: 38,0 bis 39,0 °C
- Meerschweinchen: 37,9 bis 39,7 °C
- Hamster: 37,5 bis 39,5 °C
Puls, peripherer Kreislauf
Da bei Heimtieren (ähnlich wie bei Vögeln, Exoten und Neuweltkameliden) das Pulsfühlen nicht oder nur sehr schwer möglich ist, gehört diese Überprüfung nicht zu den routinemäßig durchgeführten Untersuchungen. Um eine Abschätzung über die Herzfrequenz treffen zu können, sollte das Herz auskultiert werden.
Der physiologische Befund lautet:
- Kaninchen: 150 bis 300 Pulsschläge/min
- Meerschweinchen: 230 bis 380 Pulsschläge/min
- Zwerghamster: 500 bis 560 Pulsschläge/min
Untersuchung des Kopfes
In Stresssituationen können bei Kaninchen ein beidseitiger Exophthalmus sowie ein Vorfall der Nickhaut beobachtet werden (nicht pathologisch). Beim Meerschweinchen hingegen findet man öfters überschüssige Konjunktivalschleimhaut, die in der Regel kein Problem für das Tier darstellt.
Der physiologische Befund lautet: "Schleimhäute blassrosa, Ohren o.b.B., Nase feucht und kühl bis warm und trocken, Futter- und Tränkeaufnahme nicht gestört, Maulschleimhaut blassrosa, Zähne o.b.B., Kapillarfüllungszeit < 3 Sekunden".
Untersuchung des Halses
Die Untersuchung der Halsregion ist beim Heimtier aufgrund des dichten Fells sowie der Größe nur bedingt bis gar nicht möglich.
Untersuchung des Thorax
Der Thorax sollte bei den Heimtieren noch möglichst in der Transportbox adspektorisch beurteilt werden, da jegliche Manipulation zu Stress führt und daher mit einer erhöhten Atemfrequenz einhergeht. Nach Erhebung der Frequenz und des Typus kann der Thorax palpatorisch überprüft werden. Das Palpieren des Herzstoßes sowie die Auskultation und Perkussion der Lunge und des Herzens ist nur bedingt möglich. Hier sollte das Augenmerk insbesondere auf abweichende Geräusche gelegt werden (z.B. hochgradig verschärfte Atemgeräusche).
Der physiologische Befund lautet:
- Kaninchen: 35 bis 100 Atemzüge/min, kostoabdominaler Atemtyp
- Meerschweinchen: 100 bis 150 Atemzüge/min, kostoabdominaler Atemtyp
- Zwerghamster: 90 bis 120 Atemzüge/min, kostoabdominaler Atemtyp
Untersuchung des Abdomens
Die sorgfältige Beurteilung des Abdomens (adspektorisch und palpatorisch) ist bei der Untersuchung der Heimtiere ein wichtiger Bestandteil, da ein großer Teil aller Erkrankungen den Magen-Darm- sowie Urogenitaltrakt betreffen und bereits am Abdomen erkannt werden können.
Der physiologische Befund lautet: "Das Abdomen weist eine physiologische Wölbung auf, die Bauchdeckenspannung ist nicht erhöht".
Harnapparat
Der Harnapparat lässt sich bei Heimtieren nicht untersuchen, sodass dieser über die Tränke- und Urinmenge überprüft werden muss. Die Harnproduktion ist jedoch bei den Heimtieren stark fütterungsabhängig.
Untersuchung der Geschlechtsorgane
Die Überprüfung der äußeren Geschlechtsorgane ist bei jedem Heimtier durchzuführen, da Spuren von Ausfluss und Verklebungen im Anogenitalbereich auf ein gestörtes Putzverhalten sowie einen gestörten Ausscheidungsprozess hinweisen können.
Der physiologische Befund lautet: "äußere Geschlechtsorgane o.b.B.".
Untersuchung des Gesäuges
Das Gesäuge kann bei Heimtieren aufgrund des Fells und der Größe nur schlecht beurteilt werden.
Literatur
- Baumgartner W (Hrsg.). Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. 8., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1216-8