Neuritis vestibularis
Synonyme: Neuronitis vestibularis, Vestibularis-Neuropathie, akute unilaterale Vestibulopathie
Englisch : vestibular neuronitis
Definition
Unter der Neuritis vestibularis versteht man eine einseitige Funktionsstörung des peripheren Vestibularorgans unbekannter Ursache.
- ICD10-Code: H81.2
Ätiopathogenese
Es wird vermutet, dass die Neuritis vestibularis durch eine Mikrozirkulationsstörung des Vestibularorgans oder durch eine Virusinfektion bzw. Virusreaktivierung, vermutlich Herpes simplex Typ 1, hervorgerufen wird. Ein Infekt der oberen Atemwege ist im Vorfeld nicht selten.
Klinik
Die Neuritis vestibularis imponiert durch plötzlich auftretenden, für Tage anhaltenden Drehschwindel zur gesunden Seite. Begleitsymptome sind:
- Übelkeit und Erbrechen
- Spontannystagmus zur gesunden Seite
- Fallneigung zur kranken Seite
Eine Hörminderung oder ein Tinnitus treten nicht auf.
Diagnostik
Der Nystagmus zur gesunden Seite, also zum aktiveren Vestibularorgan, lässt sich am besten mit Hilfe einer Frenzelbrille darstellen. Beim Kopfimpulstest (KIT) nach Halmagyi-Curthoys zeigen sich Rückstellsakkaden bei Drehung des Kopfes auf die betroffene Seite.
Im Rahmen der Vestibularisprüfung (z.B. rotatorische Prüfung, thermische Prüfung) lässt sich eine einseitige vestibuläre periphere Untererregbarkeit oder Unerregbarkeit diagnostizieren. Audiometrische Untersuchungen sind unauffällig.
Eine gründliche neurologische Untersuchung ist obligat, um Differenzialdiagnosen auszuschließen.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch muss bei einem akuten vestibulären Syndrom eine zentrale Genese ("Pseudoneuritis vestibularis"), z.B. im Rahmen eines Kleinhirninfarkts, ausgeschlossen werden. Dazu eignet sich die HINTS-Methode:
- Head-Impulse-Test (Kopfimpulstest)
- Nystagmus
- Test of Skew (Skew Deviation)
Ein pathologischer KIT, ein unidirektionaler Nystagmus sowie ein normaler Test of Skew sprechen für eine Neuritis vestibularis. Ein normaler KIT, ein richtungswechselnder Nystagmus sowie eine vertikale Divergenz zeigen eine zentrale Genese an. Dabei reicht ein Kriterium aus, um weitere diagnostische und therapeutische Schritte einzuleiten. Auch ein vertikaler Nystagmus sowie weitere neurologische Ausfälle (z.B. Paresen, Diplopie, Vigilanzstörungen) sprechen für eine zentrale Ursache.
Weitere Differenzialdiagnosen sind:
- Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel: sehr kurze, lagerungsabhängige Drehschwindelattacken, Nystagmus und Schwindel zur kranken Seite
- Morbus Menière: Hörminderung, Tinnitus, Drehschwindel für Minuten bis Stunden
- HWS-Syndrom (zervikogener Schwindel): meist ungerichteter Schwindel ("Taumel")
Therapie
Die Erkrankung wird symptomatisch mit Antivertiginosa (z.B. Dimenhydrinat) behandelt. Außerdem können bis 3 Tage nach Symptombeginn auch kurzzeitig Glukokortikoide verabreicht werden. Entscheidend sind gezielte physiotherapeutische Übungen (z.B. Gleichgewichtsübungen). Es ist wichtig, dass die Patienten das Vestibularorgan trainieren, um eine zentrale Kompensation zu fördern.