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Neuritis vestibularis

(Weitergeleitet von Vestibulopathie)

Synonyme: Neuronitis vestibularis, Neuropathia vestibularis, Vestibularis-Neuropathie, akute unilaterale Vestibulopathie, AUVP
Englisch: acute unilateral vestibulopathy, vestibular neuronitis

1. Definition

Unter der Neuritis vestibularis versteht man eine einseitige Funktionsstörung des peripheren Vestibularorgans unbekannter Ursache.

2. Epidemiologie

Bei der Neuritis vestibularis handelt sich um eine der häufigsten Schwindelursachen und die häufigste Ursache des akuten Vestibularsyndroms (AVS). Die Epidemiologie ist bisher (2025) unzureichend untersucht. Die durchschnittliche Inzidenz stationär behandelter Fälle in Deutschland wird mit 27 pro 100.000 Einwohner beziffert,[1] die Prävalenz ambulanter Fälle mit 162 pro 100.000.[2] Die Altersspanne ist sehr breit. Es findet sich ein altersabhängiger Prävalenzanstieg[1][2] mit einem Altersgipfel zwischen 70 und 75 Jahren.[2] Fälle bei Kindern sind sehr selten.[1][2] Frauen sind häufiger betroffen.[1][2]

3. Ätiopathogenese

Es wird vermutet, dass die Neuritis vestibularis durch eine Mikrozirkulationsstörung des Vestibularorgans oder durch eine Virusinfektion bzw. Virusreaktivierung, vermutlich Herpes simplex Typ 1, hervorgerufen wird. Ein Infekt der oberen Atemwege ist im Vorfeld nicht selten.

4. Klinik

Die Neuritis vestibularis imponiert durch plötzlich auftretenden, für Tage anhaltenden Drehschwindel zur gesunden Seite. Begleitsymptome sind:

Eine Hörminderung oder ein Tinnitus treten nicht auf.

5. Diagnostik

Der Nystagmus zur gesunden Seite, also zum aktiveren Vestibularorgan, lässt sich am besten mit Hilfe einer Frenzelbrille darstellen. Beim Kopfimpulstest (KIT) nach Halmagyi-Curthoys zeigen sich Rückstellsakkaden bei Drehung des Kopfes auf die betroffene Seite.

Im Rahmen der Vestibularisprüfung (z.B. rotatorische Prüfung, thermische Prüfung) lässt sich eine einseitige vestibuläre periphere Untererregbarkeit oder Unerregbarkeit diagnostizieren. Audiometrische Untersuchungen sind unauffällig.

Eine gründliche neurologische Untersuchung ist obligat, um Differenzialdiagnosen auszuschließen.

6. Differentialdiagnosen

Differentialdiagnostisch muss bei einem akuten vestibulären Syndrom eine zentrale Genese ("Pseudoneuritis vestibularis"), z.B. im Rahmen eines Kleinhirninfarkts, ausgeschlossen werden. Dazu eignet sich die HINTS-Methode:

  • Head-Impulse-Test (Kopfimpulstest)
  • Nystagmus
  • Test of Skew (Skew-Deviation)

Ein pathologischer KIT, ein unidirektionaler Nystagmus sowie ein normaler klinischer Skew-Test sprechen für eine Neuritis vestibularis. Videookulographisch lässt jedoch – wie bei anderen Vestibulopathien – häufig eine minimale Skew-Deviation (< 3°) nachweisen.[3]

Ein normaler KIT, ein richtungswechselnder Nystagmus sowie eine klinisch sichtbare vertikale Divergenz zeigen eine zentrale Genese an. Es reicht ein Kriterium aus, um weitere diagnostische und therapeutische Schritte einzuleiten. Auch ein vertikaler Nystagmus sowie weitere neurologische Ausfälle (z.B. Paresen, Diplopie, Vigilanzstörungen) sprechen für eine zentrale Ursache.

Weitere Differenzialdiagnosen sind:

7. Therapie

Die Erkrankung wird symptomatisch mit Antivertiginosa (z.B. Dimenhydrinat) behandelt. Außerdem können bis 3 Tage nach Symptombeginn auch kurzzeitig Glukokortikoide verabreicht werden. Hierzu existieren unterschiedliche Abdosierungsschemata mit Initialdosen zwischen 50 und 300 mg Prednisolonäquivalent pro Tag; die aktuelle Leitlinie (2025) empfiehlt eine Anfangsdosis von 250 mg Prednisolon pro Tag (i.v. oder peroral).[4]

Entscheidend sind zudem gezielte physiotherapeutische Übungen (z.B. Gleichgewichtsübungen). Es ist wichtig, dass die Patienten das Vestibularorgan trainieren, um eine zentrale Kompensation zu fördern.

8. Leitlinie

9. Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Bernstorff et al., Neuropathia vestibularis – Prävalenz der stationären Fälle in Deutschland, Laryngo-Rhino-Otologie, 2020.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Hülse et al., Peripheral Vestibular Disorders: An Epidemiologic Survey in 70 Million Individuals, Otology & Neurotology, 2019.
  3. Korda et al., Acute vestibular syndrome: is skew deviation a central sign? Journal of Neurology, 2021.
  4. DGHNO-KHC und DGN, S2k-Leitlinie vestibuläre Funktionsstörungen im AWMF-Register, Stand 2021.

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