ACTH
Abkürzung für: Adrenocorticotropes Hormon
Synonyme: Corticotropin, corticotropes Hormon, Kortikotropin, Adrenocorticotropin, Adrenokortikotropin
Englisch: ACTH
Definition
ACTH ist ein im Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) synthetisiertes Hormon, das die Nebennierenrindenfunktion reguliert.
Biochemie
Das Peptidhormon ACTH besteht aus 39 Aminosäuren, von denen nur die ersten 24 die eigentliche physiologische Wirkung triggern. Sein Molekulargewicht beträgt rund 4,5 kDa. Es wird neben anderen hormonell aktiven Peptiden aus der gemeinsamen Vorstufe Proopiomelanocortin (POMC) gebildet. Nach einer Plasmahalbwertszeit (HWZ) von 6 bis 15 Minuten wird es in α-MSH und CLIP gespalten, ein Peptid mit bislang (2022) unbekannter Wirkung.
Physiologie
ACTH wird in den basophilen Zellen des Hypophysenvorderlappens unter dem Einfluss des Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH) aus dem Hypothalamus gebildet. Es regt die Nebennierenrinde zur Synthese von Glukokortikoiden und in geringerem Maße auch von Mineralokortikoiden und Sexualhormonen an. Des Weiteren nimmt es indirekt Einfluss auf die Produktion von Insulin.
In der Nebennierenrinde bindet es an den ACTH-Rezeptor (MC2R), der über G-Protein-gekoppelte Signalwege verschiedene Enzyme stimuliert, die für die Steroidsynthese relevant sind. Wichtige Enzyme, die auf diesem Weg durch die Proteinkinase A phosphoryliert und damit aktiviert werden, sind:
- StAR ("steroidogenic acute regulatory protein"): ermöglicht den Transport von Cholesterin von der äußeren zur inneren Mitochondrienmembran. Dort katalysiert CYP11A1 die Spaltung der Seitenkette des Cholesterins, den ersten Schritt der Steroidsynthese.
- Steroid-11β-Hydroxylase (CYP11B1): Dieses Enzym katalysiert u.a. die Umwandlung von 11-Deoxycortisol zu Cortisol und 11-Deoxycorticosteron zu Corticosteron.
- CREB ("cAMP response element-binding protein"): Ist ein Transkriptionsfaktor, der die Expression von StAR und anderen Enzymen der Steroidsynthese verstärkt.
Die ACTH-Ausschüttung unterliegt einem zirkadianen Rhythmus, die Konzentration ist morgens deutlich höher als abends. Die Steuerung des ACTH-Spiegels erfolgt im Hypothalamus durch negative Rückkoppelung ("Feedbackhemmung"). Physischer oder psychischer Stress führen zu einer erhöhten Sekretion und können so eine weitere, ultradiane Rhythmik überlagern.
Labormedizin
Material
Für die Untersuchung werden 5 ml EDTA-Blut benötigt. Aufgrund der kurzen HWZ von ACTH muss die Probe umgehend per Fahrdienst an ein Labor weitergeleitet werden. Ein Postversand ist nicht möglich. Alternativ kann man das Material zentrifugieren, abseren und das Plasma tiefgefroren einsenden.
Referenzbereich
Die Normwerte unterliegen tageszeitlichen Schwankungen:
- 8 bis 10 Uhr: 10 bis 60 pg/ml
- 20 bis 22 Uhr: 3 bis 30 pg/ml
Interpretation
Erhöhtes ACTH
Erhöhte ACTH-Werte ergeben sich unter anderem bei
- Kälte
- Stress
- Nebennierenrindeninsuffizienz
- sekundärem Morbus Cushing (hypothalamo-hypophysär)
- paraneoplastischen Syndromen
Erniedrigtes ACTH
Die ACTH-Konzentration ist erniedrigt bei
- primärem Morbus Cushing
- Sheehan-Syndrom
- Tumoren der Hypophyse
- sekundärer Nebenniereninsuffizienz (HVL-Insuffizienz)
Ein Mangel an ACTH bewirkt eine Atrophie der Nebennierenrinde.
Pharmakologie
ACTH wird neben Glukokortikoiden zur Therapie bestimmter Epilepsieformen eingesetzt, insbesondere beim West-Syndrom ("Blitz-Nick-Salaam-Epilepsie"). Bei einem Teil der behandelten Patienten kann unter ACTH eine Anfallsfreiheit erreicht werden. Die ACTH-Gabe ist allerdings mit deutlichen Nebenwirkungen in Form eines Cushing-Syndroms verbunden, deren Intensität von der Therapiedauer und der Gesamtdosis abhängen. Unter anderem kann es zu Hyperglykämie, Hypertonie und Immundefizienz kommen.
Synthetisch hergestelltes ACTH (Synacthen®) wird beim ACTH-Stimulationstest im Rahmen der Diagnostik einer Nebennierenrindeninsuffizienz injiziert.
Quelle
- Laborlexikon.de; abgerufen am 15.01.2021