Tropische spastische Paraparese
Synonyme: HTLV-1-assoziierte Myelopathie, HAM, Humanes-T-lymphotropes-Virus 1-assoziierte Myelopathie
Englisch: tropical spasctic paraparesis, HTLV-1–associated myelopathy
Definition
Die tropische spastische Paraparese, kurz TSP, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Rückenmarks, die mit einer Infektion durch das Humane T-lymphotrope Virus 1 (HTLV-1) assoziiert ist. Sie zählt zu den langsam progredienten Myelopathien und tritt endemisch in Regionen mit hoher HTLV-1 Prävalenz auf.
Epidemiologie
HTLV-1 ist weltweit ungleich verteilt. Endemische Regionen sind u.a. Südwestjapan, die Karibik, Teile Südamerikas (z.B. Brasilien), Zentralafrika und Melanesien. Nur ein geringer Teil der mit HTLV-1 infizierten Personen (etwa 1–3 %) entwickelt im Laufe des Lebens eine TSP. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, meist im mittleren Erwachsenenalter.
Ätiopathogenese
Die pathophysiologischen Mechanismen sind bisher (2025) nicht abschließend geklärt. Vermutet wird eine fehlgesteuerte Immunantwort auf eine Infektion mit HTLV-1. Das Virus infiziert bevorzugt CD4⁺-T-Lymphozyten. Im Liquor lassen sich vermehrt Entzündungszellen nachweisen, die sich gegen die infizierten Lymphozyten richten. Die hierbei freigesetzten Zytokine könnten an der Schädigung von Gliazellen und Neuronen beteiligt sein. Insbesondere im thorakalen Bereich kommt es zur Myelopathie mit axonaler Schädigung und Demyelinisierung. Histologisch zeigen sich lymphozytäre Infiltrate und Gliose.
Klinik
Die Erkrankung verläuft meist chronisch-progredient. Typische Leitsymptome sind eine langsam zunehmende spastische Paraparese der Beine mit gesteigerten Muskeleigenreflexen und Pyramidenbahnzeichen (z.B. Babinski). Folge sind Gangstörungen bis hin zur Rollstuhlpflichtigkeit. Weitere Symptome sind u.a.:
- Blasenfunktionsstörungen (imperativer Harndrang, Harnverhalt, Inkontinenz)
- Obstipation
- Sensibilitätsstörungen in den Beinen
- Rückenschmerzen
Diagnostik
Die Diagnose ergibt sich aus dem Nachweis einer HTLV-1-Infektion und der typischen Symptomatik:
- Nachweis einer HTLV-1-Infektion (Serologie: ELISA, Bestätigung durch Western Blot oder PCR)
- Liquor: mäßige lymphozytäre Pleozytose, intrathekale IgG-Synthese
- MRT: Atrophie und signalveränderte Läsionen des thorakalen Rückenmarks
- Klinisch-neurologische Untersuchung mit Nachweis spastischer Paraparese
Differentialdiagnostik
- Multiple Sklerose
- Neuromyelitis optica (NMO)
- Subakute kombinierte Degeneration (Vitamin-B12-Mangel)
- HIV-assoziierte Myelopathie
- Strukturelle Rückenmarksläsionen (Tumoren, Myelitis anderer Genese)
Therapie
Eine kausale antivirale Therapie steht bislang (2025) nicht zur Verfügung. Symptomatisch werden Spasmolytika (z.B. Baclofen, Tizanidin), Physiotherapie und Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl) eingesetzt. Zur Behandlung der entzündlichen Aktivität kann teils eine Besserung durch Kortikosteroide oder Interferon-α erreicht werden. Des Weiteren kommen bei Bedarf Schmerztherapie und psychologische Begleitung zum Einsatz.
Prognose
Der Verlauf ist meist chronisch progredient mit langsamer Verschlechterung über Jahre bis Jahrzehnte. Die Lebenserwartung ist nicht zwingend reduziert, die Lebensqualität kann jedoch durch motorische Einschränkungen und Blasenfunktionsstörungen erheblich beeinträchtigt sein.
Literatur
- Gessain et al.: Epidemiological Aspects and World Distribution of HTLV-1 Infection, Frontiers in Microbiology, 2012
- Eusebio-Ponce: HTLV-1 infection: An emerging risk. Pathogenesis, epidemiology, diagnosis and associated diseases. Rev Esp Quimioter, 2019