Transkutane Schrittmachertherapie
Englisch: transcutaneous pacing
Definition
Die transkutane Schrittmachertherapie ist ein notfallmedizinisches Verfahren zur temporären elektrischen Stimulation des Herzens. Sie wird bei akuten, symptomatischen bradykarden Rhythmusstörungen eingesetzt, insbesondere bei hämodynamisch relevanter Bradykardie oder höhergradigen AV-Blockierungen. Die Impulse werden dabei über großflächige Therapie-Klebeelektroden durch die Brustwand auf das Myokard übertragen.
Hintergrund
Die Methode wurde in den 1950er-Jahren entwickelt und gilt als die schnellste und am unmittelbarsten verfügbare Form der externen Herzstimulation. Sie dient als Überbrückung bis zur definitiven Therapie, etwa zur Implantation eines transvenösen Herzschrittmachers oder bis eine medikamentöse Stabilisierung erreicht ist.
Da die Stromstärken relativ hoch sind, führt die Stimulation häufig zu schmerzhaften Muskelkontraktionen. In der Praxis erfolgt die Anwendung daher oft unter Analgosedierung, sofern die klinische Situation dies zulässt.
Ablauf
Zunächst erfolgt das Anbringen der Klebeelektroden. Anschließend wird die Stimulationsfrequenz eingestellt und der Strom schrittweise erhöht, bis ein elektrisches und mechanisches Capture erreicht ist.
- Elektrisches Capture zeigt sich im EKG durch breiten Stimulationskomplex nach Pace-Spike
- Mechanisches Capture wird über tastbaren Puls, arterielle Druckwellenform oder Pulsoxymetrie gesichert
Nach Erreichen der Capture-Schwelle erfolgt das Hochregulieren um etwa 5 bis 10 mA, um Stabilität gegenüber Bewegungen und Artefakten zu gewährleisten.
Indikationen
Hauptindikation ist die akute, hämodynamisch relevante Bradykardie. Klinische Szenarien umfassen:
- höhergradiger AV-Block (Typ Mobitz II, Typ III°) mit Zeichen der Instabilität
- symptomatisches Sinusknotensyndrom mit Synkopen oder Hypoperfusion
- toxisch oder medikamentös induzierte Bradykardie (z.B. durch Betablocker)
- Überbrückung bis zur Anlage eines perkutanen Schrittmachers
Sonderindikation Overdrive-Pacing
Overdrive-Pacing bezeichnet die externe Stimulation des Herzens mit einer Frequenz, die bewusst über einer bestehenden Tachykardie liegt. Ziel ist es, den pathologischen Rhythmus zu überholen und zu terminieren. Das Verfahren ist in Lehrbüchern beschrieben und kann bei regelmäßigen supraventrikulären Tachykardien oder bei Vorhofflattern eingesetzt werden. Die Stimulationsfrequenz wird dabei etwa 10 % über der intrinsischen Tachykardie eingestellt und der Strom bis zum sicheren Capture gesteigert.
Aufgrund der geringen Evidenz, der limitierten Wirksamkeit bei vielen Tachyarrhythmien und des Risikos proarrhythmischer Effekte spielt das transkutane Overdrive-Pacing heute (2026) eine untergeordnete Rolle. Hinzu kommt, dass viele EKG-Monitore Stimulationsfrequenzen über 200/min technisch nicht abbilden. Es handelt sich daher um eine selten genutzte Option, wenn Pharmakotherapie oder elektrische Kardioversion nicht möglich sind.
Merkhilfe
Bei hochinstabilen bradykarden Patienten, die sich oft in einer periarrestähnlichen Situation befinden, kann zur sofortigen Therapie die sogenannte 80er-Regel verwendet werden:
- 80 mAh
- 80/min Stimulationsfrequenz
Bei stabileren Patienten erfolgt ein regelhaftes Vorgehen mit langsamer Steigerung der Stromstärke, bis ein sicherer mechanischer Puls tastbar ist.
Literatur
- Sauerbier et al., Transkutaner Schrittmacher – Schritt für Schritt, Retten 2024, Thieme-Verlag
- FOAMio: Leitlinie „Transcutaneous and Temporary Transvenous Pacing“ des JTS (Update 2025), abgerufen am 10.12.2025
- Notfallguru: Schrittmachertherapie im Notfall, abgerufen am 10.12.2025