Rhesusfaktor
Synonyme: Rhesus-Antigen, Rhesusfaktor-Antigen
Englisch: Rh factor
Definition
Der Rhesusfaktor ist ein Oberflächenprotein auf der Zellmembran der Erythrozyten und er gehört zu den wichtigsten Blutgruppenmerkmalen des menschlichen Bluts.
Das Rhesussystem beschreibt eine Gruppe verwandter Proteine, deren fünf wichtigste Vertreter (C, c, D, E, e) mit Testseren geprüft werden können. Neben dem ABO-System hat es die größte klinische Bedeutung. Der wichtigste Rhesusfaktor trägt die Abkürzung "D".
Geschichte
Der Rhesusfaktor wurde 1940 von Karl Landsteiner und Alexander Solomon Wiener bei Rhesusaffen entdeckt. Bei der Immunisierung von Nicht-Primaten (Kaninchen und Meerschweinchen) mit Blut von Rhesusaffen (und Menschen) wurde ein Antikörper isoliert, der ähnliche Eigenschaften hatte wie Antikörper, die im Blut von Müttern entdeckt wurden, die ein Kind mit Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) geboren hatten. Dies führte im Weiteren zur Entdeckung des Rhesusfaktors und des Anti-D-Antikörpers als Ursache des MHN.
Später stellte sich heraus, dass die Antikörper aus den Tierversuchen und die menschlichen Antikörper doch etwas unterschiedlich reagierten und dass Rhesusaffen gar keine Rhesus-Blutgruppen-Merkmale besitzen. Der Begriff Rhesusfaktor war jedoch so schon etabliert, dass er nicht mehr korrigiert wurde. Das ursprünglich in den Immunisierungsstudien charakterisierte, falsche Rhesus-Antigen wurde nach den Erstbeschreibern Landsteiner-Wiener-System (LW-System) genannt.
Einteilung
Je nachdem, ob der Rhesusfaktor vorhanden ist oder nicht, unterscheidet man:
- Rhesus-positiv: Die Person besitzt das Rhesusfaktor-D-Antigen. Diese Eigenschaft wird als "Rh(D)+", "Rh+", oder einfach "Rh" abgekürzt. Der entsprechende Genotyp ist "DD", "Dd" oder "dD". Da serologisch nicht unterschieden werden kann, welche Kombination vorliegt, wird als Befund "D." angegeben, wobei der Punkt symbolisieren soll, dass der Genotyp unbekannt ist.
- Rhesus-negativ: Der Person fehlt das Rhesusfaktor-D-Antigen. Abgekürzt wird dies als "Rh(D)-", "Rh-" oder einfach "rh". Der korrespondierende Genotyp ist "dd". Das Fehlen des D-Proteins auf der Erythrozytenoberfläche hat keine klinischen Auswirkungen.
Die wichtigsten Vertreter der Rhesusfaktoren sind C, D, E und c, d, e. Der Rhesusfaktor D besitzt darunter die höchste Antigenität. Er wird auch als Blutgruppen-Polypeptid Rh(D), Rhesus-D Antigen, Rhesusfaktor-D-Antigen bezeichnet.
Schwaches D-Merkmal
Darüber hinaus grenzt man Patienten mit einem schwachen D-Merkmal (früher: Du) ab.
- Dweak: quantitative Verminderung der D-Antigene. Solche Patienten gelten als Empfänger und Spender als D-positiv.
- Dpartial: unvollständiger Aufbau des D-Antigens. Patienten gelten als Empfänger als D-negativ und als Spender als D-positiv
Epidemiologie
Die Mehrzahl der Mitteleuropäer ist Rhesus-positiv. Der Anteil Rhesus-negativer Menschen an der Bevölkerung Mitteleuropas liegt zwischen 15 und 17 %. Auf anderen Kontinenten ist dieser Anteil deutlich niedriger. Die Ureinwohner Amerikas, Australiens und Ostasiens sind beispielweise zu 100 % rhesus-positiv.
Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeitsverteilung der Rhesusformeln (Genotypen) in Deutschland:
Rh-positiv | |
Cc D.ee | 35,0 % |
CC D.ee | 18,5 % |
Cc D.Ee | 13,0 % |
cc D.Ee | 11,9 % |
cc D.EE | 2,3 % |
cc D.ee | 2,1 % |
Cc D.EE | < 0,1 % |
Rh-negativ | |
cc dd ee | 15,1 % |
Cc dd ee | 0,76 % |
cc dd Ee | 0,92 % |
Antikörperbildung
Die Antikörper gegen den Rhesusfaktor bestehen im Gegensatz zu den Antikörpern des ABO-Systems nicht physiologisch, sondern werden erst nach einer Sensibilisierung gebildet. Das bedeutet, dass das Immunsystem erst mit fremden Rhesus-Antigenen in Kontakt kommen muss, z.B. durch eine Bluttransfusion oder während einer Schwangerschaft. Rhesus-Antikörper sind daher immer irreguläre erythrozytäre Antikörper. Biochemisch gesehen handelt es sich um inkomplette (IgG-)Antikörper, die plazentagängig sind. Inkomplett bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Antikörper alleine keine Erythrozytenagglutination bewirken können, sondern nur im Coombs-Test.
Funktion
Die genaue Funktion des Rhesusfaktors ist bislang (2023) nicht geklärt. Es wird aufgrund von tierexperimentellen Daten vermutet, dass das Produkt des RhD-Gens die Untereinheit eines Membrantransporters für Ammoniumionen (NH4+) und Ammoniak (NH3) ist. Ferner soll es an der Regulation des Blut-pH-Werts beteiligt sein.
Vererbung
Der Rhesusfaktor wird nach den Mendelschen Regeln vererbt. Der Erbgang ist dominant-rezessiv, d.h. die Ausprägung des Faktors ist dominant gegenüber dem Rhesus-negativen Phänotyp.
Klinik
Der Rhesusfaktor besitzt in der Transfusionsmedizin und in der Geburtshilfe eine große Bedeutung. Eine Rhesus-Inkompatibilität zwischen Mutter und Kind kann zur Hämolyse kindlicher Erythrozyten führen (Morbus haemolyticus neonatorum).
Bei Frauen im "gebärfähigen Alter" und Patienten, die voraussichtlich langfristig auf Erythrozytentransfusionen angewiesen sind, wird eine erweiterte Rhesus-Kell-Kompatibilität angestrebt, um eine Antikörperbildung in diesen Systemen zu vermeiden.
siehe auch: Coombs-Test, Blutgruppe, Anti-D
Literatur
- Laborlexikon.de, abgerufen am 09.02.2021
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