Urethro-okulo-synoviales Syndrom
Synonyme: Fiessinger-Leroy-Syndrom, Reaktive Arthritis, Reiter-Krankheit, Morbus Reiter (veraltet), Reiter-Syndrom (veraltet)
Definition
Als urethro-okulo-synoviales Syndrom bezeichnet man das Vollbild der reaktiven Arthritis, die eine Zweiterkrankung nach gastrointestinalen oder urogenitalen Infekten ist. Es ist durch die drei Hauptsymptome Arthritis, Urethritis und Konjunktivitis bzw. Iritis charakterisiert. Das Syndrom gehört in die Gruppe der seronegativen Spondylarthritiden und ist häufig mit dem HLA-B27-Antigenmerkmal assoziiert.
Nomenklatur
Das urethro-okulo-synoviale Syndrom wird in der Fachliteratur auch als "Morbus Reiter" oder "Reiter-Syndrom" bezeichnet. Diese Bezeichnung geht auf den Arzt Hans Reiter (1881 bis 1969) zurück, der als Präsident des Reichsgesundheitsamts während der NS-Zeit nationalsozialistische Ideologien wie die Rassenhygiene und die Euthanasie von körperlich und geistig behinderten Menschen unterstützte. Daher wird empfohlen, diesen Begriff heutzutage nicht mehr zu verwenden. Gleiches gilt für den Begriff "Reiter-Trias", unter dem ehemals die Hauptsymptome des urethro-okulo-synovialen Syndroms zusammengefasst wurden.
Ätiologie
Das urethro-okulosynoviale Syndrom kann als Folgeerkrankung auftreten nach
- einer urogenitalen Infektion wie z.B. einer Gonorrhoe oder einer nicht-gonorrhoischen Urethritis (NGU)
- einer Magen-Darm-Infektion durch Yersinien, Salmonellen, Shigellen, Campylobacter jejuni und andere Erreger.
Typischerweise tritt das urethro-okulosynoviale Syndrom ca. 2 bis 6 Wochen in 2 bis 3 % der Fälle nach einer solchen Infektion auf. Das Antigenmerkmal HLA-B27 ist bei 80 % der Patienten positiv und könnte eine pathogenetische Rolle spielen, da es sich mit den auslösenden Bakterien bestimmte Oberflächenantigene teilt (molekulare Mimikry). Hierdurch kann für Bakterienbestandteile eine immunologische Toleranz entstehen bzw. es kommt zu einer autoimmunologischen Kreuzreaktion.
Klinik
Hauptsymptome
Die drei Hauptsymptome des urethro-okulosynoviale Syndrom sind:
Die Symptome können mit dem Merkspruch "Can’t see, can’t pee, can’t climb a tree" gelernt werden.
Die akute, oft asymmetrische Mono- oder Oligoarthritis ist aseptisch. Meist sind die großen Gelenke der unteren Extremität, also das Knie und die Sprunggelenke, seltener Zehen-, Hand- oder Fingergelenke betroffen. Dieses Symptom tritt auch häufig alleine auf, dann spricht man allerdings nicht mehr von einem urethro-okulo-synovialen Syndrom, sondern nur noch von einer reaktiven Arthritis.
Zudem können psoriasiforme Hautveränderungen auftreten (ehemals als Reiter-Dermatose bezeichnet).
Begleitsymptome
- Fieber
- Sakroiliitis
- Schmerzhafte Sehnenansätze (Enthesiopathien)
- Karditis oder Pleuritis (selten)
- Balanitis circinata
- Keratoma blenorrhagicum
- Orale Aphthen
Diagnostik
- Anamnese (vorausgegangener Infekt)
- Typische Klinik (Symptomkonstellation)
Labor
- Unspezifische Entzündungsparameter wie BSG und CRP mäßig bis deutlich erhöht
- Rheumafaktoren und Autoantikörper sind negativ
- HLA-B27 positiv
Eventuell kann bei einer Urethritis ein Erregernachweis mittels PCR erfolgen. Nur sehr selten gelingt er aus dem Stuhl oder dem Gelenkerguss bzw. der Synovialschleimhaut.
Therapie
Falls noch ein Infekt nachweisbar ist, ist eine antibiotische Therapie je nach Erreger indiziert. Ansonsten ist eine symptomatische Behandlung mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie eine physikalische Therapie (z.B. Kryotherapie) der akuten Arthritis meist ausreichend. Bei schweren Verlaufsformen sowie bei einer Beteiligung des inneren Auges können Glukokortikoide eingesetzt werden. Bei einer chronischen Verlaufsform muss eine Basistherapie mit z.B. Sulfasalazin erfolgen.
Prognose
Bis zu 80 % der Fälle einer reaktiven Arthritis heilen nach 12 Monaten aus. HLA-B27-positive Patienten sowie schwere Verläufe neigen eher zur Chronifizierung.