Ziliospinaler Reflex
Synonym: Ziliospinalreflex, Parrot-Zeichen
Englisch: ciliospinal reflex, pupillary skin reflex, Parrot's sign
Definition
Als ziliospinalen Reflex bezeichnet man einen vegetativen Fremdreflex. Er erzeugt eine ipsilaterale Pupillendilatation bei Setzen eines Schmerzreizes an Gesicht, Hals oder oberem Stamm.
Prüfung
Zur Prüfung des ziliospinalen Reflexes wird durch Kneifen der Haut am lateralen Gesicht, Hals bzw. Nacken oder oberen Stamm ein Schmerzreiz gesetzt.[1][2] Dabei wird die ipsilaterale Pupille beobachtet. Bei regelrechtem Reflex weitet sich diese um etwa 1 bis 2 Millimeter,[1][3] wobei das Ausmaß der Mydriasis möglicherweise mit der Intensität des Schmerzreizes korreliert.[1] Einige Autoren geben an, dass es nicht nur zu einer ipsilateralen, sondern zu einer bilateralen Mydriasis kommen kann.[3][4]
Bei übersteigertem Reflex kann bereits ein leichterer Reiz, etwa eine Kopfbewegung, eine Reflexantwort bewirken.[3][5][6]
Physiologie
Ausgelöst wird der Reflex durch nozizeptive Reize, die über afferente Fasern des Nervus trigeminus (bei Gesichtsreizen) oder der oberen Spinalnerven (bei Reizen an Hals und Rumpf) dem spinalen Trigeminuskern bzw. dem Rückenmark zugeleitet werden.[1][6]
Der efferente Schenkel des Reflexes nimmt seinen Ursprung in präganglionären sympathischen Neuronen des Centrum ciliospinale, das sich im Seitenhorn des oberen Rückenmarks (C8 bis Th2) befindet. Die dort liegenden Nervenzellen entsenden ihre Axone über den Truncus sympathicus zum Ganglion cervicale superius, wo sie auf postganglionäre Fasern verschaltet werden. Letztere ziehen dann über den Plexus caroticus internus zum Musculus dilatator pupillae.[1]
Physiologisch werden die sympathischen Neurone des Centrum ciliospinale durch absteigende Bahnen des posterioren Hypothalamus kontrolliert.[1][7] Beim ziliospinalen Reflex erfolgt deren Aktivierung jedoch vermutlich direkt auf spinaler Ebene.[1][6][5] Die genaue Lokalisation der Verschaltung von afferent auf efferent ist aber derzeit (2025) nicht bekannt. Allerdings gibt es Hinweise, dass der Reflex durch supraspinale Zentren moduliert wird und daher in bestimmten Situationen (z.B. beim Hirntod) trotz intakter spinaler Verschaltung ausfallen kann.[1]
Klinik
Sowohl ein verstärkter als auch ein abgeschwächter Ziliospinalreflex kann pathologisch sein.
Reflexausfall
Ein Ausfall des Reflexes findet sich bei:[1]
- Schädigung sympathischer Fasern, in der Regel verbunden mit einem Horner-Syndrom
- Propofolnarkose
Auch beim Hirntod kommt es in der Regel zum Ausfall des Reflexes.[1] Der Nachweis eines fehlenden Ziliospinalreflexes ist daher Bestandteil einiger Empfehlungen zur Hirntoddiagnostik.[8] In einer Fallserie konnte jedoch gezeigt werden, dass sich bei Hirntodpatienten durch Nackenbeugung — und damit verbundener Reizung zervikaler nozizeptiver Fasern — sowohl eine Mydriasis als auch in einigen Fällen eine Miosis auslösen ließ, was dem ziliospinalen Reflex zugeschrieben wurde.[5] Der diagnostische Stellenwert der Prüfung dieses Reflexes im Rahmen der Hirntoddiagnostik ist daher derzeit unklar und bedarf weiterer Forschung.[1][5]
Übersteigerte Reflexantwort
Ein betonter oder übersteigerter Ziliospinalreflex ist möglich bei:[1][2][6][9][10]
- Clusterkopfschmerz-Patienten ohne Horner-Syndrom
- Koma (im tiefen Koma allerdings auch Ausfall möglich)
- Schlaf
- dienzephalen Schädigungen
- Barbituratnarkose
Ein übersteigerter Reflex kann sich in Extremfällen in einer minutenlang anhaltenden Mydriasis mit deutlich reduzierter Lichtreaktion äußern.[1][3][6] So kann eine Anisokorie hervorgerufen werden oder der Eindruck eines beidseitigen Ausfalls des Pupillenreflexes mit lichtstarren Pupillen entstehen. In diesem Fall kann versucht werden, den Lichtreflex durch längere (etwa 30 bis 45 Sekunden) Pupillenbeleuchtung zu provozieren, wobei eine konsensuelle Reaktion hervorgerufen werden kann.[1][3][6]
Einzelnachweise
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 Tripathy, Simakurthy, Jan, Ciliospinal Reflex. StatPearls, 2023.
- ↑ 2,0 2,1 Dirnberger, Ziliospinaler Reflex. Pschyrembel online, 2023.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Andrefsky, Chyatte, The ciliospinal reflex in pentobarbital coma. Journal of Neurosurgery, 1999.
- ↑ Reeves, Posner, The ciliospinal response in man. Neurology, 1969.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Sołek-Pastuszka et al., Atypical Pupil Reactions in Brain Dead Patients. Brain Sciences, 2021.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 Mullaguri et al., Pitfall in Pupillometry: Exaggerated Ciliospinal Reflex in a Patient in Barbiturate Coma Mimicking a Nonreactive Pupil. Cureus, 2017.
- ↑ Eysel, Regelung der Pupillenweite. In: Pape, Kurtz, Silbernagl (Hrsg.), Physiologie. 9. Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2019.
- ↑ Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen, Empfehlungen zur Durchführung der Hirntoddiagnostik bei einer geplanten Organentnahme, November 2013.
- ↑ Havelius et al., Ciliospinal reflex response in cluster headache. Headache, 1996.
- ↑ Havelius et al., The Enhanced Ciliospinal Reflex in Asymptomatic Patients With Cluster Headache is Due to Preganglionic Sympathetic Mechanisms. Headache, 2002.