Synonyme: Ferkelzittern, Kongenitaler Tremor
Englisch: myoclonia congenita, congenital tremor, dancing pigs, shivers
Myoclonia congenita ist ein sporadisch auftretendes Krankheitsbild neugeborener Ferkel.[1]
Myoclonia congenita ist als Krankheitsbild schon lange bekannt. Im Jahre 1966 wurde das Klassische Schweinepest-Virus als Auslöser beschrieben. Nachdem diese Tierseuche jedoch in vielen Teilen der Welt eradiziert wurde, trat dieses Virus als infektiöse Ursache immer mehr in den Hintergrund. Mitte der 1980er-Jahre wurde eine neue Form des Ferkelzitterns beschrieben. Als dessen Ursache wurde ein zur damaligen Zeit unbekanntes Virus vermutet.
2015 wiesen österreichische Tierärzte und Virologen der Veterinärmedizinischen Universität Wien ein neues Pestivirus (Linda-Virus) nach, das als Auslöser der Myoclonia congenita Typ AII betrachtet wird. Durch die Entwicklung des neuen Nachweisverfahrens konnten diverse Fälle von Ferkelzittern ätiologisch retrospektiv abgeklärt werden.[2]
Myoclonia congenita wird durch Viren aus der Gattung Pestivirus innerhalb der Familie der Flaviviridae verursacht. Die Erkrankung wird sowohl durch das atypische porzine Pestivirus (APPV) als auch durch das neu entdeckte Linda-Virus ausgelöst.[2] Pestiviren sind einzelsträngige, behüllte RNA-Viren mit einem Durchmesser von 40 bis 60 nm.[3]
Die Erkrankung betrifft hauptsächlich Saugferkel unmittelbar nach der Geburt und ist weltweit verbreitet. Die Infektion erfolgt vertikal (diaplazentar) vom Muttertier auf die Feten.[3]
Über die genauen Pathomechanismen ist aktuell (2019) noch wenig bekannt.
Nach der diaplazentaren Infektion kommt es zu einer massiven Virusreplikation in unterschiedlichen Geweben.[1] Die Viren zeigen einen ausgeprägten Tropismus zu Nervengeweben (neurotrop) und verursachen eine Hypomyelinisierung der Axone im Stammhirn, Kleinhirn und im Rückenmark.[3]
Die klinischen Symptome treten unmittelbar nach der Geburt auf, wobei pro Wurf nicht alle Ferkel betroffen sein müssen.
Erkrankte Tiere zeigen ein starkes Muskelzittern, das während dem Schlaf oder unter Narkose nur noch schwach ausgeprägt ist. Unter Einfluss von Stress und durch ein nach lateral gerichtetes Kopf- und Rumpfschütteln wird es verstärkt.
Da sowohl die Vorder- als auch die Hintergliedmaßen ruckartig zucken, kommt es zu unkontrollierten Sprungbewegungen der Ferkel ("dancing piglets"). Aufgrund des generalisierten Zitterns können erkrankte Ferkel die Zitzen der Muttersau nicht finden bzw. sich nicht festsaugen, sodass die Tiere nach und nach verhungern. Werden die Ferkel jedoch aktiv gefüttert, verläuft die Infektion meist selbstlimitierend, sodass die Symptome binnen 2 bis 3 Wochen vollständig verschwinden.
Im histologischen Schnittbild betroffener Hirn- sowie Rückenmarksareale zeigt sich eine deutlich verminderte Myelinisierung der Axone, besonders im lateralen und ventralen Funiculus.
Sowohl die Anamnese (unter Berücksichtigung des Alters der betroffenen Tiere) als auch das klinische Bild (seitwärts gerichteter Tremor) sind hinweisend. Mithilfe einer Sektion und anschließender pathohistologischer Untersuchung (Kleinhirn- und Myelindefekte) sowie dem direkten Erregernachweis mittels PCR kann die Diagnose gesichert werden.[2]
Alternativ ist auch ein ELISA durchführbar.
Differenzialdiagnostisch müssen folgende Erkrankungen berücksichtigt werden:
Eine kausale Therapie ist derzeit (2019) nicht möglich. Durch das Sicherstellen der Kolostrumaufnahme und durch aktives Füttern können betroffene Ferkel bis zur Genesung unterstützt werden.
Tags: Atypisches porzines Pestivirus, Ferkel, Ferkelzittern, Infektionskrankheit, Linda-Virus, Pestivirus, Saugferkel, Schwein
Fachgebiete: Veterinärmedizin, Virologie
Diese Seite wurde zuletzt am 18. Dezember 2019 um 13:28 Uhr bearbeitet.
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