Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
nach dem deutschen Anatom und Physiologen August Franz Josef Karl Mayer (1787–1865), dem österreichischen Pathologen Carl Freiherr von Rokitansky (1804–1878), dem deutscher Gynäkologen Hermann Küster und dem Schweizer Gynäkologen Georges André Hauser (1921–2009)
Synonym: Küster-Hauser-Syndrom, Mayer-von-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
Englisch: Mullerian agenesis, Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser syndrome (MRKH)
Definition
Unter dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, kurz MRKHS, versteht man die Kombination einer Uterusaplasie und Vaginalaplasie bei ansonsten unauffälligem weiblichen Phänotyp. MRKHS ist die zweithäufigste Ursache der primären Amenorrhö.
Einteilung
Es werden zwei Formen unterschieden:
- Typ I: isoliertes Fehlen von Vagina und Uterus
- Typ II: atypisches MRKHS mit einer zusätzlichen asymmetrischen Hypoplasie einer oder beider Uterusknospen und Tubendysplasie
Klassifikation
Nach dem ESHRE/ESGE-Klassifikationssystem fällt das MRKHS in die Kategorie U5C4V4.
Epidemiologie
Die Häufigkeit des MRKHS liegt etwa bei 1:4.000 bis 1:5.000.
Ätiopathogenese
Die genaue Ätiologie des MRKHS ist derzeit (2025) noch unbekannt. Sie beruht wahrscheinlich auf genetischen oder epigenetischen Defekten, die zu einer Hemmungsfehlbildung mit einem Ausbleiben der Kanalisierung des Genitalstrangs während der Embryonalentwicklung führt. Das hat eine Hypoplasie oder vollständige Aplasie der Vagina und des Uterus zur Folge.
Beschriebene Genloci, die mit einem MRKHS assoziiert sind, umfassen die Regionen 1q21.1, 16p11.2, 17q12, 22q11.21 und Xp22. Die potentiell verantwortlichen Genmutationen betreffen die Gene SHOX, LHX1, TBX6, HOX, WNT4, WNT7A und WNT9B. Ferner kann eine Hypomethylierung von ICR1 vorliegen.
Im Karyogramm zeigt sich der normale, weibliche 46,XX-Chromosomensatz.
Klinik
Bis zur Pubertät haben die betroffenen Patienten in der Regel keine Beschwerden. Da die Ovarien in ihrer Funktion in der Regel nicht beeinträchtigt sind, ist die Entwicklung des normalen weiblichen Habitus, der Mammae und der Vulva nicht gestört. Es besteht jedoch eine Sterilität.
Eine primäre Amenorrhoe sowie Kohabitationsbeschwerden weisen auf ein MRKHS hin. Das Syndrom kann mit Fehlbildungen im harnableitenden System wie z.B. Hufeisennieren, Doppelureteren, einer Nierenagenesie sowie in ca. 10 % der Fälle auch mit Skelettanomalien einhergehen.
Diagnostik
Zur Diagnose führen Anamnese, Inspektion, Palpation und Sonographie. Aufgrund der möglichen Begleitfehlbildungen sollten ebenfalls eine urologische und eine orthopädische Untersuchung erfolgen.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch sollte an einen Pseudohermaphroditismus masculinus gedacht werden.
Therapie
Im Vordergrund der Therapie des MRKHS steht die Anlage einer Neovagina, um vaginalen Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Die kann über nicht-operative Dehnungsverfahren, chirurgisch-plastische Verfahren und dehnungschirurgische Verfahren erfolgen.
Eine MRKHS-Diagnose kann diverse psychische Folgen haben (z.B. Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, Schock, Depression, Ängste). Eine engmaschige psychologische Betreuung kann daher nach Diagnosestellung indiziert sein.
Da die Ovarien zumeist regelrecht entwickelt sind und Eizellen produzieren, kann ein bestehender Kinderwunsch durch eine ovarielle Stimulation mit anschließender Follikelpunktion und In-vitro-Fertilisation mit nachfolgender Leihmutterschaft erfüllt werden. Die Leihmutterschaft ist in Deutschland derzeit (2025) verboten, kann aber in vielen anderen Ländern umgesetzt werden.
Uterustransplantationen könnten zukünftig ebenfalls Anwendung finden, gehören aber aufgrund diverser chirurgischer und immunologischer Herausforderungen noch nicht zum Standard.
Quellen
- Herlin, Genetics of Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser (MRKH) syndrome: advancements and implications, Front Endocrinol (Lausanne), 2024
- Martin und Betschart, Die Therapie der Vaginal- und Uterusaplasie. Das MRKH-Syndrom: Epidemiologie, Klinik, Diagnostik, Therapie, Beratung, Gynäkologie, 2020