Haupthistokompatibilitätskomplex
Synonyme: Hauptgewebeverträglichkeitskomplex, MHC, HLA-Genkomplex
Englisch: major histocompatibility complex (MHC), human leucocyte antigen system (HLA)
Definition
Als Haupthistokompatibilitätskomplex bzw. Major Histocompatibility Complex, kurz MHC, bezeichnet man eine Gruppe von über 200 eng verbundenen Genen auf Chromosom 6. Sie kodieren u.a. für Zelloberflächenproteine, die als Antigene für die Funktion des adaptiven Immunsystem und die immunologische Selbsterkennung essentiell sind. Diese Proteine werden beim Menschen auch als Humane Leukozytenantigene (HLA) bezeichnet, da sie erstmalig auf der Oberfläche von Leukozyten entdeckt wurden.
Genetik
Der MHC befindet sich auf dem kurzen Arm von Chromosom 6. Eine klare Größenangabe ist schwierig, da fortlaufend neue Gene beschrieben werden. Größenangaben variieren zwischen 4 und 7 Megabasenpaaren.[1][2] Der MHC enthält über 200 Gene und zahlreiche Pseudogene.[2] Ein Großteil der Gene kodiert für verschiedene Komponenten des Immunsystems, die insbesondere für die Antigenpräsentation und Antigenerkennung durch T-Zellen relevant sind.
Der Komplex wird topografisch und funktional in 3 Gen-Regionen unterteilt:[2]
Region | Wichtigste Gene und Genprodukte |
---|---|
Klasse-I-Region | |
Klasse-II-Region | |
Klasse-III-Region |
Die Region innerhalb des Klasse-III-Genclusters, in der die Gene der TNF-Familie liegen, wird auch als MHC-Klasse IV bezeichnet.[4]
Durch die räumliche Nähe der enthaltenen Gene kann die Expression mehrerer voneinander abhängiger Komponenten des Immunsystems gut koordiniert werden. So induziert beispielsweise Interferon-γ gleichzeitig die Transkription von HLA-II-Genen und des MHC-II-Beladungschaperons (HLA-DM). Auch der MHC-II-Transaktivator (CIITA) induziert mehrere Gene der Klasse-II-Region.[2]
Viele der im MHC kodierten Proteine sind polygen, d.h. mehrere Genorte kodieren für verschiedene HLA-Isotypen. Außerdem weist ein Großteil der Gene einen starken Polymorphismus auf, d.h. in der Bevölkerung existieren für sie zahlreiche Allelvarianten.
HLA-Merkmale
Die prominentesten Vertreter an Proteinen, die größtenteils im MHC-Genkomplex kodiert sind, sind die HL-Antigene (MHC-Antigene). Hierbei handelt es sich um Proteindimere, die an unterschiedlichen Formen der Antigenpräsentationen beteiligt sind. Man unterscheidet MHC-Klasse-I- und MHC-Klasse-II-Komplexe.
Die Antigenpräsentation auf MHC-Rezeptoren führt zu unterschiedlichen Reaktionsmustern des Immunsystems:
MHC-Klasse I
MHC-Klasse-I-Komplexe werden von nahezu allen kernhaltigen Zellen, einschließlich Thrombozyten, jedoch nicht von Erythrozyten und Trophoblastzellen exprimiert. MHC-Klasse-I-Proteine binden Peptide aus dem Zytoplasma, die von der Zelle translatiert werden und präsentieren sie auf der Zellmembran. Ihre Aufgabe ist die Antigenpräsentation für zytotoxische T-Zellen (CD8+ T-Zellen) sowie der Schutz gesunder Zellen vor einer Zerstörung durch natürliche Killerzellen. Ein Antigen, das mit einem MHC-I-Rezeptor auf der Zellmembran präsentiert wird, verursacht die Aktivierung/Bindung einer zytotoxischen T-Zelle. Das präsentierte Antigen kann ein Virusbestandteil oder auch ein von der MHC-I-Körper-Zelle verdautes Stück eines eigenen Tumorproteins sein, z.B. in einer entarteten Zelle, die sich zu einer Tumorzelle differenzieren will. Dadurch wird die "geschädigte" Zelle von den CD-8-Zellen erkannt und zerstört (zelluläre Immunantwort).
MHC-Klasse II
MHC-Klasse-II-Komplexe werden von antigenpräsentierenden Zellen exprimiert, z.B. von dendritischen Zellen, Monozyten, Alveolarmakrophagen, Makrophagen oder B-Zellen. Sie dienen der Aktivierung von T-Helferzellen (CD4+ T-Zellen). Ein Antigen, das mit dem MHC-II-Rezeptor präsentiert wird, veranlasst die Bindung von CD-4-Helferzellen, die dann die Antikörpersynthese veranlassen (humorale Immunantwort).
siehe auch Hauptartikel: Humanes Leukozytenantigen
Klinik
Die Bestimmung der MHC-Antigene bezeichnet man im klinischen Umfeld als HLA-Typisierung.
Merkhilfe
- MHC-I-Rezeptoren interagieren mit CD-8-Killerzellen: 1 x 8 = 8
- MHC-II-Rezeptoren interagieren mit CD-4-Helferzellen: 2 x 4 = 8
Quellen
- ↑ Institut für Medizinische Diagnostik Berlin-Potsdam, Genetik und immunologische Funktionen des HLA-Systems. Aufgerufen am 28.06.2024.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Murphy, Weber, Janeway Immunologie. 9. Auflage, Springer Verlag, 2018. S. 294ff.
- ↑ Cid, Peterson, Yang, The major histocompatibility complex-encoded HFE in iron homeostasis and immune function. Immunologic Research, 2000. Genposition dargestellt auf Abb. A.
- ↑ Gruen und Weissman, Human MHC class III and IV genes and disease associations. Frontiers in Bioscience, 2001.