MICA (Protein)
Definition
MICA, kurz für MHC class I chain-related sequence A, ist ein hoch polymorphes Glykoprotein der Zelloberfläche. Es wird als Ligand von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) erkannt und leitet so die zytolytische Immunantwort ein.
Hintergrund
Die Expression von MICA wird u.a. durch Stress induziert. Im menschlichen Organismus bindet MICA an NKG2D, einen wichtigen aktivierenden Rezeptor auf der Oberfläche von NK-Zellen.
Genetik
Das MICA-Protein wird durch das gleichnamige Gen auf Chromosom 6 an Genlocus 6p21.33 kodiert. Es ist das polymorphste nicht-klassische Klasse-I-Gen der MHC-Familie. Der MICA-Locus liegt neben dem HLA-B-Locus innerhalb der HLA-I-Region. Insgesamt existieren fünf MIC-Gene, von denen aber nur zwei exprimiert werden: MICA und MICB. Es sind mehr als 108 MICA-Allele bekannt. Die hohe Variabilität der der MICA-Proteine wird durch Polygenie, Polymorphismen und Kodominanz gewährleistet.
Polymorphismen
Der bedeutendste Einzelnukleotid-Polymorphismus (SNP) des MICA-Proteins ist rs1051792. Dabei findet an Position 129 des Moleküls ein Austausch von Valin zu Methionin statt. Dieser Austausch sorgt dafür, dass MICA eine höhere Affinität zu NKG2D hat, wodurch sich die Immunantwort und das Signaling der NK-Zellen erhöht. Sowohl Degranulation als auch IFN-y-Produktion werden gesteigert. Dieser Polymorphismus scheint eine zentrale Rolle für die genetische Prädisposition gegenüber bestimmten Krebserkrankungen und ihre Prognose zu spielen.
Funktion
In gesundem Gewebe wird MICA in geringen Mengen kontinuierlich exprimiert. Vor allem auf Fibroblasten und Epithelzellen, in erster Linie intestinalen Epithelzellen, ist das Molekül zu finden. In Zellen des Nervensystems wird MICA nicht gebildet. Die genauen Regulationsmechanismen der MICA-Expression sind zur Zeit (2022) noch unklar.
Durch bestimmte zelluläre Stressfaktoren, wie UV-Strahlung oder Virusinfekte, sowie bei proliferativen oder entzündlichen Vorgängen wird die MICA-Expression angeregt und hochreguliert. Dann wird MICA in großen Mengen auf der Zelloberfläche exprimiert und fungiert als Ligand für NKG2D. Mit steigender Konzentration steigt die Affinität zu NKG2D. Aus der Bindung an den Rezeptor erfolgt eine Aktivierung gegen Zellen, die wiederum selbst MICA auf ihrer Oberfläche exprimieren. Das können beispielsweise epitheliale Tumorzellen sein. In frühen onkogenen Stadien fungiert membrangebundenes MICA als Schlüsselsignal zur Rekrutierung von Effektorzellen und leitet so eine zytolytische Immunantwort ein, beispielsweise gegen viral infizierte Zellen oder Tumorzellen. Deshalb spielt MICA eine wichtige Rolle bei Krebserkrankungen, Virusinfekten oder Autoimmunerkrankungen.
Klinik
Bei bestimmten Krebserkrankungen wie dem Zervixkarzinom, dem hepatozellulären Karzinom (HCC) oder dem kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC), ist die MICA-Expression stark erhöht und kann als Marker bei der Diagnostik und Therapiekontrolle der Tumoren genutzt werden. Fortgeschrittene Tumore sind allerdings in der Lage, die Expression von MICA auf ihrer Zelloberfläche durch proteolytisches Spalten des Glykoproteins herunterzuregulieren. Dieser Vorgang ("MICA-Shedding") erschwert dann Diagnostik und Therapie.